Im Laufe seiner Amtszeit ist Heiko Maas schon ein zu unkritischer Auftritt mit seinem russischen Counterpart Sergej Lawrow vorgeworfen worden. Als er am Dienstag den chinesischen Aussenminister Wang Yi empfing, liess er es an Klarheit nicht fehlen: Man wolle Beziehungen auf Augenhöhe und von gegenseitigem Respekt.
"Drohungen passen dazu nicht", warnte er und listete fast alle Streitthemen mit der kommunistischen Regierung in Peking auf, die derzeit die Öffentlichkeit im Westen bewegen: Hongkong, die Lage der Uiguren und den Umgang mit Politikern, die Taiwan besuchen. Minutenlange Belehrungen von Wang folgten, dass man sich nicht in die inneren Angelegenheiten Chinas einmischen solle. Beide wirkten kämpferisch.
Dennoch brachten sowohl Maas als auch Wang das Kunststück fertig, immer wieder den gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit zu betonen. Fast jede kritische Ausführung endete etwa Chinas Topdiplomat mit dem Hinweis auf die strategische Partnerschaft und die gemeinsame Verantwortung "beider grossen Länder" für multilaterale Abstimmungen und die Wiederankurbelung der Weltwirtschaft in der Corona-Krise. Auf keinen Fall wolle sich die EU in die Grossmächte-Rivalität zwischen den USA, China und Russland hineinziehen lassen, betonte Maas. "Eine Abkoppelung der EU und Chinas ist nicht in unserem Interesse", fügte er hinzu. Wang wiederum beteuerte zum Ende seiner Europareise, man habe Interesse an einer stärkeren EU.
Regierung wehrt sich gegen Vermischung der Themen
"Beide Länder brauchen sich tatsächlich", heisst es in der Bundesregierung. In der Corona-Krise ist Chinas Wirtschaft, die schneller als die in anderen Weltregionen wieder Richtung Volllast fährt, ein entscheidender Pfeiler für deutsche Exporteure und Produzenten.
Und sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Aussenminister Maas betonen, dass man China als Partner beim Klimaschutz, aber auch in der multilateralen Abstimmung von der Corona-Bekämpfung bis zur Reform der Welthandelsorganisation WTO brauche - gerade nach dem Ausfall der USA. Merkel hatte gerade erst im Streit um Belarus und die Gaspipeline Nord Stream 2 deutlich gemacht, dass man im Umgang mit schwierigen Partner wie Russland nicht alles vermengen dürfe.
Deshalb dringen Deutschland und die EU auf den Abschluss des Investitionsschutzabkommens, um zumindest ein positives Signal zu geben. Und die Lautstärke des Streits um den Taiwan-Besuches eines tschechischen Politikers überschattete, dass Wang durchaus Kompromissbereitschaft zeigte: Ja, das Abkommen könne noch dieses Jahr zustande kommen. Maas verkündete, dass Peking zum Menschenrechtsdialog kommende Woche bereit sei und er sogar positive Signale gehört habe, dass eine UN-Kommission sich die Lage der Uiguren in der Provinz Xinjiang anschauen könne. "China muss sicherstellen, dass Europa sich im Streit der Supermächte nicht völlig an die Seite der USA stellt", heisst es in Regierungskreisen als Erklärung.
«Über die Jahre immer weiter gefestigt»
Also entschuldigt sich Wang fast, als er begründet, wieso er dem tschechischen Senatspräsidenten für dessen Taiwan-Reise mit Sanktionen gedroht habe - es gelte nun einmal die Ein-China-Politik, auch für Deutschland und Tschechien wie für jedes Land, das mit Peking Beziehungen unterhalte. Die müsse er als Aussenminister verteidigen. Dass die Demokratie Taiwan gerade wegen des guten Handlings der Corona-Pandemie weltweit als Gesprächspartner geschätzt wird, erwähnt er nicht.
Der Besuch zeigt das Dilemma der Bundesregierung, die in ihrer China-Politik von allen Seiten unter Druck gerät. Die USA wollen etwa im Streit um das neue 5G-Mobilfunknetz Gefolgschaft und einen Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei. Deutsche Parlamentarier fordern eine härtere Haltung wegen Hongkong und den Uiguren. "Die Bundesregierung muss ungeachtet Chinas wirtschaftspolitischer Relevanz endlich ihre Zurückhaltung ablegen und deutliche Worte finden.
Auch personenbezogene Sanktionen können nicht mehr ausgeschlossen werden", sagt der aussenpolitische Sprecher der FDP, Bijan Djir-Satai. "In Zeiten, in denen China die Systemfrage aggressiv stellt, muss man Klartext sprechen. Hongkong, Uiguren, Tibet, das alles gehört auf den Tisch", meint auch sein Kollege Omid Nouripour von den Grünen. SPD-Aussenpolitiker Nils Schmid wirft Merkel einen von Illusionen geprägten Umgang mit China vor.
Das Spannungsfeld wird in Merkels CDU besonders deutlich. Über die Kritik etwa an Chinas hartem Vorgehen in Hongkong ist man sich zwar einig. Aber der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, fordert insgesamt eine härtere Tonlage, gerade beim Thema 5G. CDU-Aussenpolitiker Jürgen Hardt dagegen betont: "Wir haben ein Interesse an einem engen und guten Verhältnis zu China. Die Beziehungen haben sich über die Jahre immer weiter gefestigt und diversifiziert."
(Reuters)