Einschätzungen von Experten zur Preisentwicklung im Überblick:
Christian Lips, Chefvolkswirt NordLB:
«Einziger Wermutstropfen bleibt die hartnäckig hohe Preisdynamik bei Dienstleistungen. Hier kommt den bevorstehenden Lohnabschlüssen eine hohe Bedeutung zu, weshalb die EZB noch neue Daten zur Lohnentwicklung abwarten will. Der April wird aber der letzte Wartemonat, ab Juni stehen die Zeichen dann auf Zinssenkung - und dies dürfte kommende Woche vom EZB-Rat noch deutlicher als bisher kommuniziert werden.»
Modupe Adegbembo, Analyst bei der Investmentbank Jefferies:
«Wir gehen weiterhin davon aus, dass die EZB im Juni mit der Senkung der Zinsen beginnen wird. Der Weg zur Desinflation verläuft nicht reibungslos. Allerdings werden weiterhin stetige Fortschritte in Richtung des Inflationsziels der EZB gemacht. Wir glauben, dass die anhaltende Fragilität des Wachstums in der Eurozone die Forderungen verstärken wird, die Zinsen eher früher als später zu senken.»
Alexander Krüger, Analyst bei Hauck Aufhäuser Lampe:
«Unserer Einschätzung nach wird die voraussichtlich komfortable Situation nach der Jahresmitte nicht lange halten und das Inflationsziel von zwei Prozent der EZB schon im November nicht mehr erfüllt sein. Den Grund hierfür sehen wir in Lohnzuwächsen, die gesamtwirtschaftlich deutlich über der Produktivitätsentwicklung liegen. Lohnseitig besteht unseres Erachtens insbesondere im Dienstleistungssektor zudem noch ein pandemiebedingter Nachholbedarf, der Preisüberwälzungen befördert.»
Matthew Landon, Analyst bei JPMorgan:
«Eine Kombination aus wieder anziehendem Wachstum und höheren Energiepreisen zu Beginn des Jahres liess die Anleger in Frage stellen, ob sich die Inflation dem Ziel der Zentralbank von zwei Prozent annähert. Diese Befürchtungen scheinen in Europa gemildert worden zu sein. (...) Alles in allem deutet alles auf eine Zinssenkung der EZB im Juni hin. Bis dahin werden neue Lohndaten vorliegen und die EZB wird ihre Wirtschaftsprognosen aktualisieren.»
Vincent Stamer, Analyst bei der Commerzbank:
«Nachdem die dämpfenden Effekte von Energiepreisen auf die Kernrate nachlassen, tragen kräftige Lohnsteigerungen dazu bei, dass der Kernindex wieder stärker steigt. Die Tariflöhne dürften nach Schätzungen der EZB im Durchschnitt dieses Jahres insgesamt um 4,5 Prozent steigen. Setzt sich dieser Trend wie von uns erwartet in den kommenden Monaten fort, wird die Kernteuerungsrate im Vorjahresvergleich zwar noch bis zur Jahresmitte etwas fallen. Damit dürfte sich auf längerer Sicht die Teuerungsrate bei 3 Prozent bewegen und über dem Ziel der EZB von 2 Prozent liegen.»
Andrew Kenningham, Chefvolkswirt Europa bei Capital Economics:
«Allerdings war die anhaltende Inflation im Dienstleistungssektor im März teilweise auf den früheren Zeitpunkt von Ostern in diesem Jahr zurückzuführen, der die Preise für Artikel wie Urlaub und Unterkunft in die Höhe getrieben hat. Im April dürfte die Inflation im Dienstleistungssektor mit ziemlicher Sicherheit zurückgehen, da sich der frühe Ostereffekt umkehrt. Insgesamt stimmen die heutigen Daten mit denen der EZB und unserer eigenen Prognose überein, dass die Gesamtinflation in der zweiten Hälfte dieses Jahres sehr nahe am Ziel von zwei Prozent liegen wird und die Kerninflation stetig sinken wird. Wir gehen davon aus, dass die Entscheidungsträger die Zinsen nächste Woche unverändert lassen, aber im Juni mit der Senkung beginnen.»
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:
«Spannend bleibt derweil, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Zwei Dinge könnten einer weiteren Preisberuhigung im Wege stehen. Dazu gehören steigende Löhne im Dienstleistungssektor und höhere Rohstoffpreise. Die Verdreifachung des Kakaopreises innerhalb eines halben Jahres mahnt dabei zur Vorsicht. Auch andere Rohstoffpreise sind derzeit in einem steigenden Trend. Dies gilt etwa für Ölpreise oder auch für Kupferpreise. Je besser sich die Weltwirtschaft schlägt, desto weniger können sich die Preise nach dem rasanten Anstieg entspannen. Noch handelt es sich um potenzielle Gefahrenherde, doch es bedarf einer sorgfältigen Beobachtung der Entwicklung. Die EZB dürfte gerade mit Blick auf die Monatsveränderungsraten ebenso besorgt sein.»
/jkr/jsl/jha/
(AWP)