Nach Beginn der Waffenruhe im Libanon wächst die Hoffnung, dass auch im Gaza-Krieg bald die Waffen schweigen könnten. «Nun, da eine Einigung bezüglich der Nordgrenze zum Libanon erzielt wurde, ist es an der Zeit, einen Deal abzuschliessen und die Geiseln nach Hause zu bringen», sagte der israelische Präsident Izchak Herzog bei einem Treffen mit Angehörigen einer der noch etwa 100 Geiseln. Nach mehr als einem Jahr Krieg dürften viele der Verschleppten nicht mehr leben. Die USA stünden in engem Kontakt mit den wichtigsten Akteuren in der Region, sagte Sullivan bei NBC News. Man hoffe, eine Waffenruhe und ein Geiselabkommen erreichen zu können, «aber so weit sind wir noch nicht», fügte er hinzu.
Blinken spricht mit türkischem Kollegen
US-Aussenminister Antony Blinken sprach mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan neben der Lage in Syrien auch über die Notwendigkeit, den Krieg in Gaza zu beenden und die Freilassung aller Geiseln sicherzustellen, wie ein Ministeriumssprecher mitteilte. Die Hamas hatte zuletzt an ihren Forderungen festgehalten, darunter den vollständigen Rückzug der israelischen Armee. Israel will seine Truppen in strategischen Positionen in Gaza belassen.
Israels Armee: Hisbollah-Tunnel unter Kirche
Derweil hält die nach mehr als einem Jahr heftiger gegenseitiger Angriffe vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz trotz gegenseitiger Vorwürfe vorerst weiter. Allerdings geriet Israels Armee nach eigenen Angaben im Süden des Libanons von einer Kirche aus unter Feuer der proiranischen Hisbollah. Die Hisbollah-Kämpfer seien getötet worden, hiess es. Unter der Kirche hätten die israelischen Soldaten anschliessend einen Tunnel mit Waffen und Wohnräumen der Hisbollah entdeckt, teilte die Armee mit. Der Vorfall habe sich schon am Samstag ereignet. Wo genau sich die Kirche befand, blieb offen. Die libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete von vereinzeltem israelischen Artilleriebeschuss im Südlibanon. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt.
Netanjahu-Fall überschattet Konferenz von Weltstrafgericht
Unterdessen kommen heute in Den Haag die Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag zu ihrer Jahreskonferenz zusammen, nachdem die Richter kürzlich Haftbefehle gegen Netanjahu und Israels Ex-Verteidigungsminister Joav Galant erlassen hatten. Es ist der erste Haftbefehl des Weltstrafgerichts gegen einen westlichen, demokratisch gewählten Regierungschef. Bei westlichen Mitgliedsstaaten und Verbündeten Israels gibt es Kritik an der Entscheidung. Die Frage, ob die Bündnistreue zu Israel höher zu bewerten ist als das internationale Recht, droht das Gericht zu schwächen. Netanjahu und Galant wird unter anderem das Aushungern der Zivilbevölkerung in Gaza vorgeworfen.
Berlin: Israel muss mehr humanitäre Hilfe in Gaza zulassen
Das Auswärtige Amt in Berlin rief Israel mit deutlichen Worten auf, mehr Hilfen für die Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen zu ermöglichen. «Israel ist hier in der Pflicht, seine Versprechen, Gaza mit humanitärer Hilfe zu fluten, nun endlich einzulösen und ausreichend humanitären Zugang zu allen Zeiten zu gewähren. Dafür gibt es keine Ausreden», sagte Staatsminister Tobias Lindner (Die Grünen) vor seiner Abreise zu einer Gaza-Konferenz in Ägypten. Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot in Gaza.
Kurz zuvor hatte das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA mitgeteilt, dass die wichtigste Route für Hilfslieferungen durch den Grenzübergang Kerem Schalom aus Sicherheitsgründen vorerst nicht mehr genutzt werde. Mitte November war ein dort gestarteter grosser Hilfskonvoi von bewaffneten Banden geplündert worden. Am Samstag seien erneut einige Lastwagen mit Lebensmitteln entwendet worden, schrieb UNRWA-Chef Philippe Lazzarini auf X. Israel als Besatzungsmacht müsse für den Schutz von humanitären Helfern und für den Nachschub an Hilfsgütern Sorge tragen. Israel betont, es lasse genügend Hilfe nach Gaza, die von den internationalen Hilfsorganisationen aber nicht effektiv verteilt werde.
Ex-Verteidigungsminister spricht von «ethnischer Säuberung» in Gaza
Der ehemalige israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon warf seinem Land sogar «ethnische Säuberung» vor. Im israelischen Kan-Sender sprach er von angeblichen Plänen Israels, die palästinensischen Einwohner des nördlichen Gazastreifens zu vertreiben und dort israelische Siedlungen zu errichten. Er spreche im Namen israelischer Kommandeure. Die rechtskonservative Regierungspartei Likud sprach von «bösartigen Lügen». Rechtsextreme Mitglieder der Regierung hatten sich mehrmals für eine Rückkehr israelischer Siedler in den Gazastreifen ausgesprochen, dies ist aber bisher keine offizielle Regierungspolitik.
Ägypten war neben dem Golfemirat Katar und den USA in den vergangenen Monaten als Vermittler in die Gespräche über eine Waffenruhe in dem abgeriegelten Küstenstreifen involviert, da Israel und die Hamas aus Prinzip keine direkten Verhandlungen miteinander führen. Zuletzt waren die Vermittlungsgespräche jedoch erneut ins Stocken geraten.
Trump macht Boulos zum Nahost-Berater
Der designierte Nachfolger von US-Präsident Biden, Donald Trump, strebt einem Medienbericht zufolge noch vor seinem Amtsantritt am 20. Januar eine Waffenruhe und die Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln an. Der republikanische Senator und Trump-Unterstützer Lindsey Graham sagte dem Nachrichtenportal «Axios», Trump wolle eine schnellstmögliche Einigung erreichen, am besten noch vor seinem Einzug ins Weisse Haus. Zu seinem künftigen Berater für die arabischen Länder und den Nahen Osten ernannte Trump derweil den Geschäftsmann Massad Boulos. Dieser stammt aus dem Libanon und ist der Vater von Michael Boulos (27), der mit Trumps jüngster Tochter Tiffany (31) verheiratet ist./ln/DP/zb
(AWP)