Mit 127 zu 64 Stimmen nahm die grosse Kammer den Verpflichtungskredit für das Programm zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen (Digisanté) in der Gesamtabstimmung an. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
Nein zum millionenschweren Digitalisierungsprogramm sagte nur die SVP-Fraktion. Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) verwies auf die angeschlagenen Bundesfinanzen. Die Gesundheitsausgaben seien einzudämmen. Deshalb sei nicht auf die Vorlage einzutreten. Dieser Antrag fand ausserhalb der SVP aber keine Unterstützung.
«Es ist fünf vor zwölf»
Trotz breiter Zustimmung waren im Rat viele kritische Stimmen zu hören. «Wir sind hervorragend in der direkten medizinischen Versorgung, nutzen aber die Digitalisierung zu wenig», sagte Kris Vietze (FDP/TG), Sprecherin der federführenden Gesundheitskommission, stellvertretend für die Mehrheit. Trotz berechtigter Skepsis gegenüber grossen IT-Projekten dürfe man das Ziel der Digitalisierung nicht aus den Augen verlieren.
«Die Digitalisierung steht in den Kinderschuhen», hielt SP-Sprecherin Sarah Wyss (BS). Es brauche nun einen Effort von allen. «Stoppen wir Digitalisierung nicht, bevor sie angefangen hat.» Manuela Weichelt (Grüne/ZG) äusserte Bedenken über die lange Umsetzungsdauer des Projekts: «Es ist fünf vor zwölf. Ich wünsche uns allen beste Gesundheit.»
Thomas Rechsteiner (Mitte/AI) bezeichnete Digisanté als «Heilmittel, um bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen aufzuholen». Es gebe aber Risiken und Nebenwirkungen. Ein wirksames Controlling müsse installiert werden.
«Entschlossenes Handeln notwendig»
Bei aller Kritik an den Versäumnissen der Vergangenheit bleibe festzuhalten, dass das Programm an den richtigen Stellen ansetze, sagte Andri Silberschmidt (ZH) im Namen der FDP-Fraktion. «Die Digitalisierung ist kein einfaches Unterfangen, aber zwingend.» Bisher sei zu wenig über Prozesse und Automatisierung gesprochen worden.
Für Melanie Mettler (GLP/BE) ist Digisanté eine wichtige Grundlage für die Umsetzung des elektronischen Patientendossiers. «Wir freuen uns, dass es nun möglichst rasch vorwärtsgeht.» Warte man zu, würden die Investitionen in die Digitalisierung nur teurer.
Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider gab zu bedenken, dass es nicht am Willen fehle, vorwärtszumachen. «Es ist nun aber entschlossenes Handeln notwendig.» Ohne Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen gehe es nicht.
Ambitionierte Ziele
Mit dem grossangelegten Programm sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren die Behandlungsqualität, die Effizienz und Transparenz des Gesundheitssystems sowie die Patientensicherheit erhöht werden. Zwar arbeiten die Spitäler und Arztpraxen seit langem digital, jedoch mit unterschiedlichen Programmen. Viele Daten müssen deshalb heute mehrfach erfasst werden, was eine Fehlerquelle darstellt.
Ziel des Programms ist es, Systeme und Prozesse im Gesundheitswesen besser aufeinander abzustimmen. Der Bund will mit dem Geld gesundheitsbezogene Behördendienstleistungen wie Register, Meldesysteme oder Informationsplattformen durchgängig digitalisieren und sicherstellen, dass diese mit anderen IT-Systemen kommunizieren können.
Eine enge Begleitung des Programms ist für den Nationalrat jedoch zentral. Er macht dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) klare Vorgaben zur Zielsetzung, zum Controlling und zum Einbezug der betroffenen Kreise und verlangt eine jährliche Berichterstattung ans Parlament.
Interne statt externe Lösung
Ein Antrag der Finanzkommission des Nationalrats (FK-N), die im Rahmen des Programms geschaffenen Stellen innerhalb des EDI zu kompensieren, lehnte das Plenum ab. Eine Mehrheit von SP, FDP, Grünen und GLP setzte sich durch - mit 105 zu 84 Stimmen bei 2 Enthaltungen.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) leisteten bereits ihren Beitrag an das Projekt, lautete der Tenor. Das ganze Programm kostet 623 Millionen Franken. Das Parlament hat über einen Kredit von 391,7 Millionen Franken zu entscheiden.
Zudem sind interne Arbeitskräfte nach Ansicht einer Mehrheit günstiger als externe Experten, die bei einer Kompensierung innerhalb des EDI beigezogen werden müssten. Es könnte - so die Angst - zu grossen Verzögerungen kommen.
(AWP)