Die Qiagen-Führung begründete ihre neuen Ziele mit der deutlich gesunkenen Nachfrage nach Covid-Tests. Der Rückgang sei stärker ausgefallen als erwartet. Von ähnlichen Problemen hatten bereits viele Wettbewerber hierzulande und auch in den USA berichtet. Der Einbruch sei auf die veränderte Haltung in China zu Covid-19 zurückzuführen; zudem habe sich die westliche Welt nahezu komplett aus den Testungen verabschiedet, sagte Finanzchef Roland Sackers zur Wochenmitte in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Zudem verwies Qiagen auf weniger Aufträge von sogenannten Erstausrüstern, die beim Unternehmen Inhaltsstoffe wie Enzyme für ihre eigenen Covid-Tests und andere Produkte bestellen. Hier schlage sich die schwierige gesamtwirtschaftliche Situation nieder und laste auf der Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Auch bauten vor allem grosse Anbieter ihre Lagerbestände ab, erläuterte der Finanzchef. Dies sei eine relativ neue Situation, die die komplette Branche der Labordienstleister betreffe. Auch Qiagen habe diese nicht erwartet.
Beim Dax-Konzern sei hiervon sowohl das Covid-Geschäft als auch der Rest beeinträchtigt. Der Manager geht zwar von einer Normalisierung der Lage bei den Erstausrüstern aus, aber wohl nicht mehr in diesem Jahr.
An der Börse gewann die Qiagen-Aktie am späten Vormittag 2,7 Prozent - allerdings hatte das Papier zuvor seit Ende Juli mehr als sechs Prozent verloren. Analyst John Sourbeer von der Schweizer Bank UBS sprach von starken Ergebnissen des Unternehmens. Allerdings liege das Umsatzziel für das dritte Quartal unter der Markterwartung. Es habe den Anschein, als seien die grossen Pharma- und Diagnostikkonzerne bei den Ausgaben etwas zurückhaltender geworden, so der Experte.
Die Geschäftsleitung sieht die grundsätzlichen Wachstumstrends bei Qiagen unterdessen intakt. "Unsere fünf Wachstumsfelder sind weiter gut unterwegs und wir sehen keinen Grund, unsere Mittelfristziele zu senken, erklärte Sackers. Der Konzern investiere derzeit vorrangig in seine Forschung und setzte auf vielversprechende Wachstumsbereiche wie die digitale PCR, eine biochemische Methode zur Sequenzierung von DNA-Sequenzen. Hier verspreche sich Qiagen mit der Zeit Umsatzbeiträge in dreistelliger Millionenhöhe. Schon jetzt sei das Unternehmen in diesem Segment die Nummer zwei am Markt.
Doch vorerst muss Qiagen tiefer stapeln: Wie der Konzern bereits am späten Dienstagabend mitteilte, erwartet das Management nun für das laufende Jahr nur noch einen Gesamtumsatz von 1,97 Milliarden US-Dollar. Zuvor hatte der Konzern noch mindestens 2,05 Milliarden für 2023 in Aussicht gestellt, nachdem er ein Jahr zuvor 2,14 Milliarden Dollar erlöst hatte. Auch die neue Prognose ist zu konstanten Wechselkursen gerechnet.
Qiagen unterstellt dabei laut Sackers, dass für den restlichen Jahresverlauf Covid-Einnahmen keinerlei Rolle mehr spielen; im Gesamtjahr dürften diese wechselkursbereinigt um 65 Prozent zurückgehen. Covid sei inzwischen "Historie", so der Finanzchef.
Zudem dämpfte die Geschäftsleitung auch ihre Ziele für den Umsatz mit Produkten ohne Covid-Bezug: Statt des zuvor angepeilten Wachstums in prozentual zweistelliger Höhe peilt sie nun ein Plus von mindestens acht Prozent an. Sämtliche Prognosen gelten dabei unter Ausklammerung von Währungseffekten.
Ebenfalls abseits der Wechselkurse soll der bereinigte verwässerte Gewinn je Aktie 2023 bei mindestens 2,07 Dollar herauskommen, hier standen zuvor 2,10 Dollar im Plan. Analysten hatten laut einer vom Unternehmen selbst in Auftrag gegebenen Umfrage zuletzt im Mittel 2,11 Dollar je Aktie und einen Umsatz von 2,05 Milliarden Dollar erwartet.
In den drei Monaten bis Juni setzte Qiagen den eigenen Angaben zufolge 495 Millionen Dollar um; das waren zu tatsächlichen und konstanten Wechselkursen vier Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Seinerzeit hatte Qiagen noch von hohen Umsätzen mit Covid-Produkten profitiert. Nach einem bereits schwachen Jahresstart brach der Umsatz in dieser Produktgruppe jedoch im vergangenen Quartal weiter ein und ging um 59 Prozent zurück. Der Erlös im restlichen Geschäft zog dagegen um acht Prozent an.
Qiagen verdiente auch deutlich weniger: Das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis sank um sieben Prozent auf 136 Millionen Dollar, Analysten hatten hier allerdings noch mit etwas schlechteren Resultaten gerechnet. Das Konzernergebnis ging um 16 Prozent auf 81 Millionen Dollar zurück.
Für das dritte Jahresviertel stellt sich der Konzern erneut auf einen Ergebnisrückgang ein. Als Umsatz erwartet die Geschäftsleitung mindestens 465 Millionen Dollar zu konstanten Wechselkursen. Ein Jahr zuvor waren es noch 500 Millionen Dollar gewesen./tav/he/stw/mis