Im stark wachsenden und vor allem von chinesischen Autobauern hart umkämpften Mittelklassesegment bei Elektroautos in der Volksrepublik will Mercedes mit den neuen Autos der C- und GLC-Reihe ab 2026 «attackieren», sagte Wilhelm. Bisher tun sich die Schwaben mit E-Autos in China schwer - auch weil sie im unteren und mittleren Bereich kaum etwas anzubieten haben. Im oberen Bereich gibt es zwar den EQS, das Elektro-Pendant zum Flaggschiff S-Klasse. Zum einen spielt der Elektroantrieb bei den teureren Segmenten in China aber noch keine grosse Rolle, zum anderen ist der EQS ein Ladenhüter.
Aufgeben will Wilhelm China keineswegs. Mittelfristig dürfte man dort auch trotz der aktuellen strukturellen Probleme wieder auf einen Wachstumspfad einschwenken, sagte der Manager: «Wir werden da kämpfen.»
Das Land war lange Zeit der Wachstumsgarant und Gewinnbringer im Konzern. Aktuell ist die Lage aber äusserst trüb: Mit der Wirtschaftsflaute in der Volksrepublik, insbesondere am Immobilienmarkt, erweisen sich die wohlhabenden Mercedes-Kunden als unerwartet sparsam. Die Resultate der Stuttgarter fielen noch einmal deutlich schwächer aus als von Experten nach der herben Gewinnwarnung im September ohnehin schon befürchtet.
Die Mercedes-Aktie sank am Mittag in einem mehrheitlich schwachen Branchenumfeld um rund ein Prozent auf 57,83 Euro. Der Kurs war mit der Prognosekappung im September deutlich eingeknickt, hatte sich aber auch vorher schon einige Monate lang schwach entwickelt. Im Jahresverlauf steht ein Minus von rund acht Prozent zu Buche. Seit dem Jahreshoch über 77 Euro im April beträgt der Kursverlust rund ein Viertel.
Mercedes erzielte im dritten Quartal im Kerngeschäft mit Pkw vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten nur 4,7 Prozent operative Gewinnmarge. Ein Jahr zuvor waren es noch 12,4 Prozent gewesen. Konzernchef Ola Källenius hatte die Experten für das zweite Halbjahr auf eine Marge von um die 6 Prozent eingestellt. Nach der Enttäuschung im dritten Quartal stellte Finanzchef Wilhelm in einer Telefonkonferenz mit Analysten für das vierte Quartal nun eine Marge von 6 bis 7 Prozent in Aussicht.
Analyst Philippe Houchois vom Investmenthaus Jefferies sprach von einem enttäuschenden Resultat in der Pkw-Sparte, verwies aber auch auf einen unerwartet starken Finanzmittelzufluss. Tom Narayan von der kanadischen Bank RBC äusserte sich ähnlich.
Mercedes gab im dritten Quartal insgesamt einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag aus, um unter anderem die Bestände an Elektroautos auf den Höfen der Autohändler über Rabatte zu senken und in China mit Zuschüssen den Vertrieb zu stützen, wie Wilhelm sagte. Im vierten Quartal dürften diese Sonderkosten geringer ausfallen.
In den drei Monaten Juli bis September sackte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern um fast die Hälfte auf 2,52 Milliarden Euro ab, wie der Dax-Konzern weiter mitteilte. Der Umsatz ging um 6,7 Prozent auf 34,5 Milliarden Euro zurück. Der Konzerngewinn fiel um über die Hälfte auf 1,72 Milliarden Euro.
Mercedes hatte im dritten Quartal 503.573 Pkw abgesetzt, das waren 1,4 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der Autobauer konnte nicht mehr so hohe Preise erzielen und verkaufte einen kleineren Anteil teurerer Autos, sodass die Gewinne abstürzten.
Die Prognosesenkung im September war bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass das Management die Gewinnerwartungen dämpfen musste. Vor dem Wochenende kappte Mercedes folgerichtig nun auch die Umsatzerwartung für den Gesamtkonzern und die Absatzerwartung für die Pkw-Sparte - beide sollen nun statt auf Vorjahresniveau leicht darunter liegen.
Bei den im September gesenkten Gewinnprognosen bleibt es derweil. Sowohl der freie Mittelzufluss (Free Cashflow) als auch das Ergebnis vor Zinsen und Steuern dürften im Gesamtjahr deutlich unter dem Vorjahreswert landen. Die bereinigte Marge im Pkw-Geschäft plant Wilhelm noch mit 7,5 bis 8,5 Prozent ein.
Besser als gemeinhin gedacht schnitt Mercedes beim Free Cashflow im Industriegeschäft ab - also ohne die Finanzdienstleistungen gerechnet. Dieser lag mit 2,39 Milliarden etwas über dem Wert von vor einem Jahr, insbesondere dank gesunkener Vorräte, welche Kapital binden. Die Kennzahl ist für Anleger wichtig, weil Mercedes zusätzlich zur regulären Dividende die darüber hinaus noch verfügbaren freien Mittel für Aktienrückkäufe einsetzen will. Diese sind bei vielen Profianlegern beliebt, weil sie rechnerisch den Gewinnanteil je Aktie erhöhen und daher den Kurs stützen können./men/nas/jha/
(AWP)