Die Schweiz habe eine Chance verpasst, sagte der Berner Mitte-Nationalrat Lorenz Hess am Sonntag in der Abstimmungssendung von Schweizer Fernsehen SRF. Die Leistungserbringer hätten Ängste vor einem Abbau geweckt. Dahinter stecke die Befürchtung, dass ihre Pfründe durchforstet würde.

Bevor Leistungen gekürzt worden wären, hätte erst das grosse Sparpotenzial ausgeschöpft werden müssen. Jetzt gehe das Thema in die Endlosschlaufe. Kämen Sparansätze auf den Tisch, werde es immer jemanden geben, der sage «so nicht, nicht jetzt».

Die Mitte-Partei schrieb, ihrer Initiative hätten 37 Prozent des Stimmvolks zugestimmt. Das sei deutlich mehr als ihre doppelte Wählerstärke. Das Signal sei deutlich, dass die Bevölkerung rasche Massnahmen erwarte. Die Akteure seien aufgefordert, die seit langem bekannten Massnahmen umzusetzen.

SP-Nationalrätin Barbara Gysi (SP/SG) erklärte namens des gegnerischen Komitees, die Bevölkerung halte am Zugang für alle ins Gesundheitssystem fest. Die Initiative hätte dazu geführt, dass in der Grundversicherung gewisse Leistungen gestrichen würden.

Die Gesundheitskosten nur an die Wirtschaftsentwicklung zu binden, greife zu kurz. Alterung und medizinischer Fortschritt müssten auch berücksichtigt werden.

Trügerisches Versprechen

Für die SVP trug die Initiative zwar den richtigen Titel, konnte aber die eigenen Versprechen nicht einhalten. Sie war nicht umsetzbar und hätte zu einer chaotischen Zweiklassen-Medizin geführt, wie die Partei am Sonntag schrieb. Eigenverantwortung und Selbstvorsorge müssten sich für die Bevölkerung lohnen.

Regine Sauter, Zürcher FDP-Nationalrätin und Mitglied der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N), begrüsste die deutliche Ablehnung. Sie zeige, dass die Bevölkerung hinter dem Gesundheitssystem stehe. Sie habe der Rationierung medizinischer Leistungen eine Absage erteilt. Die Kosten müsse man auf andere Art in den Griff kriegen. Gemäss der FDP war die Mitte-Initiative von Anfang an ein «reines Marketing-Instrument».

Die Grünen teilten mit, das Volksbegehren der Mitte hätte die Umsetzung der Pflegeinitiative verhindert.

Die Grünliberale Partei hielt die Initiative für ineffizient, wie Gesundheitspolitikerin und Nationalrätin Melanie Mettler (BE) sagte. Das Volk wolle effektive Lösungen und nicht leere Versprechen. Mit dem Gegenvorschlag des Parlament könne der Bundesrat alle vier Jahre Kosten- und Qualitätsziele festlegen und die Tarifstrukturen anpassen. Griffige Lösungen seien indessen unerlässlich.

Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Direktoren (GDK) schrieb, die Initiative hätte den Föderalismus ausgehebelt. Die Gesundheitsversorgung sei Kantonssache. Die Bevölkerung habe sich für ihre hohe Qualität und gegen Rationierungen ausgesprochen.

Keine Brechstange

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse begrüsste, dass die Gesundheitsversorgung nicht eingeschränkt und konjunkturabhängig wird. Die Initiative hätte die Versorgung mit grossem bürokratischem Aufwand eingeschränkt. Die Bevölkerung lege weiterhin grossen Wert auf hohe medizinische Qualität. Der Gegenvorschlag sei ein Schritt zu einer Kostendämpfung ohne Qualitätseinbusse.

Für den Schweizerischen Gewerbeverband ist unbestritten, dass das Kostenwachstum im Gesundheitswesen einzudämmen ist. Die Initiative wäre aber der falsche Ansatz gewesen. Der Gegenvorschlag sei besser ausgestaltet und werde den Anstieg ohne "Einsatz der Brechstange dämpfen.

Der Spitalverband H+ sieht Qualität und Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung gesichert. Die Koppelung der Gesundheitsausgaben an die Konjunktur hätte in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit zu Einschnitten in der medizinischen Versorgung geführt. Gerade in einer Krise wie der Coronavirus-Pandemie hätte das gravierende Auswirkungen.

Problematische Rolle der Kantone

Ospita, der Verband der Schweizer Gesundheitsunternehmen, forderte, das berechtigte Anliegen des wirtschaftlichen Einsatzes von Prämien und Steuern müsse die Politik ernst nehmen. Die Mehrfachrolle der Kantone als Verantwortliche der Spitalplanung, Tarifbehörde sowie Eignern von Kantonsspitälern sei umstritten. Verschiedene Ökonomen würden die Kantone für mitverantwortliche an überhöhten Tarifen halten.

Der Arbeitnehmerverband Travailsuisse verlangte rasch griffige und nachhaltige Massnahmen gegen das Kostenwachstum. Darunter dürften aber weder das Gesundheitspersonal noch die Versorgungsqualität leiden.

(AWP)