Unter dem Strich haben am Sonntag 55,5 Prozent der Stimmenden die Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämienentlastungs-Initiative)» abgelehnt. Die Stimmbeteiligung lag bei 45,4 Prozent.

Der Blick auf die Abstimmungskarte zeigte einen tiefen Sprachgraben. Alle Westschweizer Kantone und das Tessin befürworteten das Volksbegehren. Mit Ausnahme des Kantons Basel-Stadt sagten dagegen alle Deutschschweizer Kantone Nein.

«Keine Protestabstimmung»

Eine Begrenzung der Krankenkassenbeiträge war nicht mehrheitsfähig, obwohl hohe Versicherungskosten von der Schweizer Bevölkerung regelmässig als Sorgenthema Nummer eins empfunden werden. Während des Abstimmungskampfs zur Initiative schrumpfte die Zustimmung in Umfragen.

Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern erklärte dies damit, dass die Debatte in der Deutschschweiz zuletzt von der Finanzpolitik geprägt worden sei. Nach dem Ja zur 13. AHV-Rente im März sei der Bevölkerung bewusst geworden, dass das Volksbegehren grosse Kostenfolgen gehabt hätte.

Auch die erwartete durchschnittliche Stimmbeteiligung habe der Initiative nicht in die Karten gespielt, so Golder. «Es gab keine Protestabstimmung.»

Nicht finanzierbare Subventionen

Die Initiative forderte, dass alle Haushalte höchstens zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Prämien aufwenden müssen und dass sie für den Betrag darüber hinaus eine Prämienverbilligung erhalten. Gemäss Initiativtext sollte der Bund zwei Drittel der Gesamtausgaben übernehmen. Die Kantone sollten ein Drittel finanzieren.

Bundesrat, Parlament, Kantone und namhafte Wirtschaftsverbände lehnten die SP-Initiative ab. Es gebe schon Programme zur Unterstützung von Bedürftigen, gaben sie zu bedenken. Ein Ausbau der Prämienverbilligungen im Sinne der Initiative hätte die Steuerzahlenden im Jahr 3,5 bis 5 Milliarden Franken gekostet und wäre nur durch Steuererhöhungen finanzierbar gewesen, lautete das Kernargument der Gegnerschaft.

Mit der Initiative wäre das Problem der steigenden Gesundheitskosten zudem nur symptomatisch, nicht aber an der Wurzel bekämpft worden, machten bürgerliche Kräfte geltend. Die grossen Herausforderungen seien mit mehr Markt und Eigenverantwortung zu lösen statt mit zusätzlichen Subventionen.

Kantone müssen mehr machen

Die Gegner verwiesen im Abstimmungskampf auf den vom Parlament verabschiedeten indirekten Gegenvorschlag, der nach dem Nein in Kraft tritt. Die Kantone müssen demnach künftig einen Mindestbeitrag von 3,5 bis 7,5 Prozent der Kosten der obligatorischen Grundversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden.

«Alle Kantone müssen mitziehen», sagte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider. Den Verordnungsentwurf für die Umsetzung des Gegenvorschlags will Baume-Schneider noch dieses Jahr in die Vernehmlassung schicken und nächstes Jahr verabschieden. Ab 2026 sollen die Kantone verpflichtet werden, mehr zu tun.

Kantone mit hohen Gesundheitskosten werden künftig mehr Prämienverbilligungen zahlen müssen als Kantone mit niedrigen Kosten. Der Bundesanteil bleibt unverändert.

Alte Forderung wird neu lanciert

Anders als bei der Abstimmung für eine 13. AHV-Rente gelang es der Linken nicht, die Kostenfolgen der Initiative mit stärkeren Argumenten zu kompensieren. Als Konsequenz aus der Niederlage kündigte die SP eine Initiative für eine öffentlich-rechtliche Krankenkasse an. Diese soll Anfang 2025 lanciert werden.

Für die Grünen bleibt nach dem Nein nur noch ein Weg: Einkommens- und vermögensabhängige Prämien. Die unsozialen Kopfprämien müssten verschwinden. Das Parlament müsse endlich für eine gerechte Verteilung der Prämienlast sorgen. Für die Gewerkschaft Unia war klar, dass nun die Löhne steigen müssen.

Tatsächlich dürfte der Druck auf weitere Entlastungsmassnahmen auch nach dem Nein zur Prämienentlastungs-Initiative nicht abnehmen. Das Vergleichsportal Comparis prognostiziert für 2025 einen weiteren Anstieg der Grundversicherungsprämien um durchschnittlich sechs Prozent.

(AWP)