Unentschieden - so lautet zum Auftakt der US-Präsidentschaftswahl das erste Ergebnis des Duells zwischen Kamala Harris und Donald Trump, das am Dienstag kurz nach Mitternacht vorlag. Es stammt aus dem kleinen Dorf Dixville Notch im nordöstlichen Bundesstaat New Hampshire unweit der Grenze zu Kanada, das seit Jahrzehnten traditionell am Wahltag als erstes abstimmen lässt. Sechs Wähler beteiligten sich, nach wenigen Minuten lag die Auswertung vor: drei Stimmen für die Demokratin Harris, drei für den Republikaner Trump. Auch wenn das Resultat aufgrund der geringen Teilnehmerzahl keine grössere Aussagekraft hat, so deckt es sich doch mit den Umfragen, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwarten lassen.
Bis zuletzt versuchten Harris und Trump deshalb, Wahlberechtigte zu mobilisieren. Am Montag, dem letzten Wahlkampftag, konzentrierten sie sich bis in den späten Abend hinein auf die sogenannten Swing States. In diesen sieben besonders umkämpften Bundesstaaten ist völlig offen, wer am Ende die Nase vorn hat. Genau hier könnte sich aber entscheiden, wer nach dem scheidenden Präsidenten Joe Biden ins Weisse Haus einzieht.
Harris legte fünf Stopps in Pennsylvania ein, dem voraussichtlich wichtigsten Swing State. Sie beendete den Tag in Philadelphia, unterstützt von den Show-Grössen Lady Gaga und Oprah Winfrey. Das Rennen sei noch nicht vorbei, betonte die Vizepräsidentin. «Jede einzelne Stimme zählt», mahnte sie die Menge, gab sich aber zugleich siegesgewiss: «Das Momentum ist auf unserer Seite. Wir werden gewinnen.» Mit positiven Tönen entliess sie ihre Anhänger: «Heute Abend schliessen wir also so ab, wie wir begonnen haben: mit Optimismus, mit Energie, mit Freude.»
Ganz im Kontrast dazu nutzte Trump seine Auftritte einmal mehr, um ein düsteres Bild der USA nach vier Jahren unter Biden und Harris zu zeichnen. Er machte Stimmung gegen Einwanderer und kritisierte die Wirtschaftspolitik der Regierung. «Amerika, der 5. November 2024 wird der Tag der Befreiung sein», rief er seinem Publikum in Reading in Pennsylvania zu. Seine Abschluss-Wahlkampfrede hielt er wie schon 2020 und 2016 in Grand Rapids im Swing State Michigan. Wenn es gelinge, alle Anhänger zu mobilisieren, dann sei die Wahl gelaufen.
Angst vor Gewaltausbrüchen
Zu deutscher Zeit schliessen die letzten Wahllokale erst Mittwochfrüh. Doch bis ein verlässliches Endergebnis vorliegt, könnten aufgrund des erwarteten knappen Ausgangs noch Tage, wenn nicht gar Wochen vergehen. Trump hat bereits erklärt, dass er nicht noch einmal kandidieren werde. Ob der 78-Jährige sich jedoch damit abfinden sollte, falls er verliert, ist mehr als fraglich. Seit Wochen bereiten er und sein Mitstreiter den Boden für eine Anfechtung des Ergebnisses, sollte es nicht zu seinen Gunsten ausfallen. Auch seine Niederlage von vor vier Jahren hat Trump bis heute nicht anerkannt. Stattdessen behauptet er stets, der Sieg sei ihm gestohlen worden.
Solche Falschbehauptungen sowie die ständigen Beleidigungen und Drohungen gegen Andersdenkende haben dazu beigetragen, dass zahlreiche Behörden in den USA aus Angst vor gewaltsamen Zwischenfällen die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Wahl verschärft haben. In mehreren Bundesstaaten steht die Nationalgarde bereit. In Arizona hält die Polizei Drohnen und Scharfschützen bereit, falls es zu Gewaltausbrüchen kommen sollte. Einige Schulen und Kirchen, die zuvor als Wahllokale dienten, werden aus Sicherheitsgründen nicht mehr als solche genutzt. In Las Vegas umgibt ein Sicherheitszaun ein Gebäude, in dem Wahlzettel ausgezählt werden sollen. In Detroit sichern Polizisten eine Halle für die Auswertung von Briefwahl-Stimmen.
In Washington wurden ebenfalls Vorkehrungen getroffen. Im Januar 2021 stürmte in einem beispiellosen Vorgang ein wütender Mob von Trump-Anhängern das Kapitol, um die Bestätigung von Bidens Wahlsieg durch den Kongress zu verhindern. Fünf Menschen kamen ums Leben.
Auch diesmal ist die Stimmung im Kongress angespannt. Parallel zur Präsidentschaftswahl entscheiden die Amerikanerinnen und Amerikaner auch über die künftige Zusammensetzung des Parlaments. Etwa ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus stehen zur Wahl. Auch hier ist der Ausgang offen. Die Demokraten wollen ihre hauchdünne Mehrheit im Senat verteidigen, die Republikaner wiederum ihren knappen Vorsprung im Repräsentantenhaus.
(Reuters)