In Georgien gewann eine Regierungspartei, die von den meisten EU-Ländern als zunehmend moskaufreundlich angesehen wird. In der Republik Moldau sprach sich in einem Referendum in diesem Monat nur eine knappe Mehrheit der Wähler für die Verankerung des Ziels eines EU-Beitritts in der Verfassung aus. Die prowestliche Präsidentin Maia Sandu muss sich einer Stichwahl stellen. «Das war ein Weckruf für uns», sagt Reinhold Lopatka, ein österreichischer EU-Abgeordneter, der als Wahlbeobachter im Einsatz war, über die Abstimmungen in beiden Ländern. Er sehe immer noch gute Chancen, dass Moldau auf seinem Weg in die EU vorankomme. «Bei Georgien bin ich mir nicht sicher.»
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 bemüht sich die EU verstärkt um die Aufnahme neuer Mitglieder. Denn der Ausbruch des Krieges hat gezeigt, wie gefährlich «Grauzonen» ausserhalb des Blocks sind, die nicht fest zum Westen gehören. Bislang sind die baltischen Länder Litauen, Estland und Lettland die einzigen ehemaligen Sowjetrepubliken, die der EU beigetreten sind. Und Moskau hat heftigen Widerstand gegen den Beitritt weiterer ehemaliger Sowjetstaaten signalisiert.
EU-Erweiterung als geopolitisches Ziel
Die Erweiterung, vor allem nach Osteuropa, war ein grosses geopolitisches Ziel der EU nach dem Ende des Kalten Krieges. Für die potenziellen Mitglieder war der Beitritt zu dem wohlhabenden, demokratischen Block eine verlockende Perspektive. Im Jahr 2004 nahm die EU zehn neue Mitglieder auf, später noch drei weitere. Doch der Enthusiasmus in einigen westlichen Mitgliedstaaten wie Frankreich oder den Niederlanden liess nach, als Migrationsfragen zunehmend die Innenpolitik bestimmten und nationalistische Kräfte stärker wurden. Zudem werden demokratische Rückschritte in einigen der neuen Mitglieder wie Ungarn, lange Jahre aber auch Polen, kritisiert.
Russlands Überfall hat ein teilweises Umdenken bewirkt. So betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag, die EU zahle einen Preis in Form von «Krieg und Instabilität an unseren Grenzen», wenn sie sich nicht erweitern würde. Bundeskanzler Olaf Scholz hat den von seiner Vorgängerin gestarteten «Berliner Prozess» wieder aktiviert, der die sechs Westbalkan-Länder schneller in die EU führen soll. Mittlerweile haben sowohl die Ukraine, Moldau als auch Georgien eine klare Beitrittsperspektive bekommen. Nun bringen die Debatten in Moldau und Georgien einen Rückschlag.
David McAllister (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, fordert, dass die EU ihren Kurs beibehält, trotz der angespannten und polarisierten politischen Situation in beiden Ländern. «Die Europäische Union sollte bereit sein, ihre Unterstützung für die demokratischen Kräfte in beiden Ländern fortzusetzen, um ihre langfristige europäische Integration zu erleichtern», sagte er.
Problemfall Georgien - an Ostküste des Schwarzen Meeres
Die Ausgangslagen nach den Wahlen in der Republik Moldau und Georgien sind durchaus unterschiedlich: Im Falle Moldaus hängt viel davon ab, ob die Stichwahl am 3. November von Sandu oder dem Herausforderer Alexandr Stoianoglo gewonnen wird, der von einer traditionell pro-russischen Partei unterstützt wird. Das wird Auswirkungen auch auf die abtrünnige Region Transnistrien haben, in der immer noch russische Soldaten stationiert sind. Ungeklärte territoriale Konflikte gelten als Hemmschuh für einen EU-Beitritt - übrigens auch bei der Ukraine.
Im Falle Georgiens - von der EU auch geografisch durch das Schwarze Meer getrennt - gibt es innerhalb der EU Differenzen, wie man weiter vorgehen sollte: Litauen erklärte ebenso wie die grosse Mehrheit der EU-Staaten, dass die Berichte über Wahlunregelmässigkeiten die Ergebnisse der georgischen Wahlen ernsthaft infrage stellten. Im Gegensatz dazu gratulierte der ungarische Premierminister Viktor Orban der Regierungspartei Georgischer Traum noch bevor die offiziellen Ergebnisse bekannt gegeben wurden. «Anstatt nutzlose Vorträge zu halten, brauchen sie unsere Unterstützung auf ihrem europäischen Weg», sagte Orban am Montag in Tiflis. Er ist aber in der EU isoliert und gilt als der Kreml-freundlichste Regierungschef der Union.
Bisher haben die EU und auch die Bundesregierung eine klare Aussage vermieden, ob sie die Wahlen in Georgien für frei und fair genug hielten, um das Ergebnis zu akzeptieren. Nach einer Entscheidung stellt sich die Frage, ob der EU-Beitrittsprozess Georgiens ausgesetzt bleibt. Die EU hat ihn wegen einer umstrittenen Gesetzgebung eingefroren, nach der sich Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, als Agenten ausländischer Einflussnahme registrieren lassen müssen.
(Reuters)