Die Vereinigte Bundesversammlung wird am Mittwochmorgen die Nachfolge von Bundesrätin Viola Amherd bestimmen. Am Abend vor der Wahl scheint das Rennen offen. Nach den Anhörungen bei den fünf Bundeshausfraktionen von SVP, SP, FDP, Grünen und GLP gibt es keinen klaren Favoriten.
Von der SVP-Fraktion, die 74 Sitze im Parlament auf sich vereint, sind mehrheitlich Stimmen für Ritter zu erwarten. Der 57-jährige St. Galler Mitte-Nationalrat zeige den nötigen Führungswillen, um die Probleme im Verteidigungsdepartement anzugehen, schrieb die SVP in einer Mitteilung. Als langjähriger Parlamentarier kenne Ritter die Abläufe in Bundesbern. Er habe in wichtigen Dossiers gezeigt, dass er tragfähige Lösungen und Allianzen herbeiführen könne.
Linke unzufrieden mit der Auswahl
Die SP-Fraktion mit 50 Stimmen im Parlament teilte am Dienstagabend lediglich mit, dass sie sich ans offizielle Ticket halten werde. Am Point de Presse der Fraktionsspitze wurde dennoch ein Unbehagen am Wahlvorschlag der Mitte spürbar. Sie verwies explizit auf die Kritik in den vergangenen Wochen, dass die beiden Kandidaten politisch zu weit rechts stünden. Weiter kritisiert wurde der Umstand, dass die Mitte keine Frau zur Wahl vorschlägt.
Auch die Grünen-Fraktion mit 26 Parlamentsmitgliedern hat nach der Anhörung der beiden Mitte-Kandidaten noch nicht über eine Wahlempfehlung entschieden. Die Fraktionsspitze machte keinen Hehl daraus, dass die Grünen mit dem Ticket nicht zufrieden sind. In der Landesregierung seien die Themen Klima, Umwelt und Biodiversität «extrem untervertreten».
Zufriedener mit dem Ticket zeigte sich die FDP. Sie empfiehlt sowohl Ritter als auch Pfister zur Wahl. Die freisinnig-liberale Fraktion mit 38 Stimmen im Parlament werde sich an die Zweierauswahl halten, teilte sie bereits in der vergangenen Woche mit. Wer am Tag vor der Wahl bei der FDP im Vorteil ist, war nicht in Erfahrung zu bringen.
Pfister näher bei den Grünliberalen
Mehr Sympathien für Pfister hat derweil die GLP-Fraktion, die 12 Stimmen abgeben kann. Auch sie hat am Tag vor der Bundesratswahl keine Wahlempfehlung für einen der beiden Mitte-Kandidaten beschlossen, liess aber durchblicken, dass der 61-jährige Zuger Regierungsrat Pfister den grünliberalen Positionen näherstehe als Bauernverbandspräsident Ritter.
Keine Empfehlung für einen ihrer beiden Kandidaten abgeben dürfte schliesslich die Mitte-Fraktion. Mit ihren 46 Stimmen im Parlament könnte sie bei der Wahl wie so oft das Zünglein an der Waage sein. Jedoch dürfte - anders als bei Sachabstimmungen - auch diese Fraktion nicht geschlossen für den einen oder anderen Kandidaten votieren.
Gewählt wird sowieso geheim. Wer wem die Stimme gegeben hat, wird nicht bekannt. Angeblich werden die letzten Absprachen jeweils in der Nacht vor der Bundesratswahl im Hotel Bellevue getroffen. Politikerinnen und Politiker, Lokalprominenz, Medien und Zaungäste belagern dann Lobby und Bar des Berner Luxushotels.
Keiner will der Favorit sein
Pfister zeigte sich nach den Anhörungen bei den Bundeshausfraktionen zufrieden. Die Wahlchancen seien offen, aber: «Favorit bleibt Herr Ritter». Dieser sei im Parlament bekannter. Er habe aber alles getan, um gute Wahlchancen zu haben, sagte Pfister. Es sei am Parlament, zu entscheiden, welche Eigenschaften und Erfahrungen es höher gewichte.
Ritter selbst sah sich am Abend vor der Wahl nicht als Favorit. Insgesamt gab er sich aber optimistisch. «In den Gesichtern habe ich viel Zustimmung gesehen», sagte er nach seiner letzten Anhörung bei der SP-Fraktion.
Die Fraktionen von SP und Grünen werden sich am frühen Mittwochmorgen noch einmal versammeln und entscheiden, ob sie eine Wahlempfehlung abgeben oder nicht. Danach gilt es abzuwarten. Gröbere Störmanöver sind nicht zu erwarten. Gewählt ist, wer die Hürde des absoluten Mehrs nimmt, also die Hälfte aller gültigen Stimmen plus eine auf sich vereinen kann.
(AWP)