WIE IST DIE AUSGANGSLAGE?

«Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen andererseits an»: Das steht in der Bundesverfassung. Der Bundesrat hält fest, dass die Schweiz Fortschritte erzielt habe in verschiedenen Umweltbereichen. Die natürlichen Lebensgrundlagen seien aber nach wie vor stark belastet. Mit dem 2023 angenommenen Klimaschutz-Gesetz zum Beispiel hat die Schweiz Wegmarken zum Erreichen des Netto-Null-Ziels bis 2050 gesetzt. Vor Kurzem wurde zudem das CO2-Gesetz revidiert und die Kreislaufwirtschaft gestärkt. Zusätzliche Anstrengungen für mehr biologische Vielfalt wünschen die Stimmenden nicht; 2024 lehnten sie die Biodiversitätsinitiative ab.

WAS VERLANGT DIE INITIATIVE?

Ihr Ziel ist der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Für wirtschaftliche Tätigkeiten in der Schweiz sollen nur noch so viele Ressourcen genutzt werden dürfen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Das bedingt einen Wirtschaftswandel: Neu sollen das Wohl von Mensch und Umwelt im Zentrum stehen und nicht mehr Gewinne. Voraussetzungen für die Umstellung wären eine Ausbildungsoffensive, die Förderung von nachhaltigen Arbeitsstellen und Geld für ökologische Transportwege. Bund und Kantone müssen dafür sorgen, dass die Umweltbelastung durch Konsum die planetaren Grenzen entsprechend dem weltweiten Bevölkerungsanteil der Schweiz nicht mehr überschreitet. Dieses Ziel muss nach der Annahme der Initiative innerhalb von zehn Jahren erreicht sein.

WAS IST MIT PLANETAREN GRENZEN GEMEINT?

Die planetaren Grenzen legen den sicheren Handlungsraum fest, innerhalb dessen in bestimmten Bereichen die verbrauchten Ressourcen durch die Natur regeneriert werden können. Das 2009 von Wissenschaftlern präsentierte Konzept deckt mittlerweile neun Bereiche ab, etwa die Nutzung von Süsswasser, Funktion der Biosphäre, Klima und Aerosole in der Atmosphäre. Gemäss Studien sind in der Schweiz Bereiche wie etwa die Klimaveränderung, die Biodiversität und die Veränderungen des Süsswassers überschritten. Bei der Klimaveränderung wird die Grenze laut dem Initiativkomitee um das 19-Fache überschritten. Laut dem Bundesamt für Umwelt müsste der Treibhausgas-Fussabdruck gegenüber 2018 um mehr als 90 Prozent reduziert werden, um die Anforderungen der Initiative zu erfüllen.

SIND MASSNAHMEN UND VERBOTE ZU ERWARTEN?

Mit welchen Massnahmen und allenfalls Verboten oder Einschränkungen die Initiative umgesetzt werden soll, gibt der Text nicht vor. Verlangt wird indessen ein sozialverträgliches Vorgehen. Laut Initiativkomitee sollen in erster Linie «sehr reiche Menschen und Konzerne» Verantwortung wahrnehmen, Haushalte mit wenig Einkommen dagegen nicht zusätzlich belastet werden. Kleine und mittelgrosse Unternehmen sollen beim Wandel unterstützt werden. Der Bundesrat entgegnet, dass wegen der kurzen Umsetzungsfrist einschneidende Instrumente nötig sein dürften. Dass zahlreiche Produkte teurer würden, würde vor allem Menschen mit wenig Geld treffen.

WÄREN DIE FORDERUNGEN MIT HANDELSABKOMMEN VEREINBAR?

Das ist möglich. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die Schweiz wegen der durch die Initiative nötigen Regulierungen internationalen Abkommen widersprechen könnte. Dies könnte die Beziehungen mit wichtigen Handelspartnern belasten. Die Regierung plädiert deshalb für ein weltweit abgestimmtes Vorgehen für mehr Schutz von Umwelt und Klima.

WAS SAGEN DIE BEFÜRWORTER?

Die Befürworter und Befürworterinnen argumentieren mit der Klimakrise: Diese sei aktuell, und ein «Weiter so» sei keine Option. 2023 habe die Hitze zusätzliche Todesfälle verursacht. Bei den schweren Unwettern von 2024 seien mehrere Menschen umgekommen, und die Schäden seien gross. Grosskonzerne wollten so viel Profit wie möglich erwirtschaften, auf Kosten der Gesundheit und der Umwelt. Schädlich für die Umwelt sei auch übermässiger Konsum. «Angesichts der eskalierenden Umweltkrisen hatten wir als Jungpartei keine andere Wahl, als diese Initiative ins Leben zu rufen», sagte Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen. Die Schweiz als reiches Land müsse ihre Verantwortung gegenüber den Ländern im globalen Süden wahrnehmen. Diese trügen nur wenig zur Klimakrise bei, müssten die Folgen davon aber hauptsächlich tragen.

WER IST IM JA-LAGER?

Hinter der Initiative steht die Allianz für Umweltverantwortung. Unterstützt wird sie von SP, Grünen, EVP, Junge Grünen, den Jungsozialisten und der Jungen EVP. Gestützt wird die Initiative auch von Umweltorganisationen wie zum Beispiel Greenpeace, Pro Natura und Bird Life Schweiz sowie von der Klimastreik-Bewegung und der Kleinbauern-Vereinigung.

WAS SAGEN DIE GEGNER?

Die überparteiliche gegnerische Allianz spricht von einer «Verarmungs-Initiative». Die Umweltverantwortungsinitiative sei utopisch, unsinnig und unverantwortlich. Ein Ja würde Preise explodieren lassen und dem Wohlstand zusetzen. Mietkosten, Lebensmittelpreise und vor allem Mobilitätskosten würden in die Höhe schnellen. Auch dem Bundesrat und dem Parlament geht der geforderte Ansatz zu weit. Sie warnen vor einschneidenden Folgen: Bund und Kantone müssten den Konsum rasch mit weitreichenden Vorschriften, Verboten, Anreizen und anderen Massnahmen einschränken. Viele Unternehmen müssten ihre Produktion anpassen oder einstellen. Auch halten Bundesrat und Parlament die verlangte Umstellungsfrist von zehn Jahren für «realitätsfern».

WER IST IM NEIN-LAGER?

Dem Bundesrat und dem Parlament geht die Initiative zu weit; sie empfehlen den Stimmenden, ein Nein einzulegen. Die Nein-Parole ausgegeben haben auch SVP, Mitte-Partei und FDP, mehrere Wirtschaftsverbände und die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete.

WIE KOMMT DIE INITIATIVE AN?

In den im Dezember veröffentlichten Abstimmungsumfragen hatte die Initiative einen schlechten Start. In der Umfrage von «20 Minuten»/Tamedia sagten 63 Prozent Nein und 34 Prozent Ja. Und in der Umfrage im Auftrag der SRG wollte eine relative Mehrheit von 49 Prozent der Befragten bestimmt oder eher ein Nein in die Urne legen. Bei Frauen stiess die Initiative auf mehr Gehör als bei Männern.

WIE HOCH SIND DIE KAMPAGNENBUDGETS?

Für die Abstimmungskampagnen für und gegen die Initiative stehen vergleichsweise wenig Gelder zur Verfügung. Das Ja-Lager budgetiert rund 234'000 Franken, die Gegner investieren mit 450'000 Franken rund das Doppelte in den Abstimmungskampf. Das zeigen die von der Eidgenössischen Finanzkontrolle publizierten Zahlen. Zum Vergleich: Bei der Biodiversitätsinitiative im vergangenen Herbst flossen insgesamt 6,1 Millionen Franken in den Abstimmungskampf. Die Befürworter gaben bei dieser Vorlage doppelt so viel Geld für den Abstimmungskampf aus wie die Gegner - letztlich ohne Erfolg.

(AWP)