Es wäre der fünfte Schritt nach unten, seit die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde im Juni die Kurswende einleiteten. «Ein weiterer kleiner Lockerungsschritt erscheint im EZB-Rat weitestgehend ausgemachte Sache», meint DZ-Bank Analyst Christian Reicherter. Laut einer Reuters-Erhebung gehen alle 77 Volkswirte davon aus, dass die EZB den Einlagensatz - der richtungsweisende Zins für die Euro-Zone - am Donnerstag um einen viertel Prozentpunkt auf 2,75 Prozent nach unten setzt. Diesen Satz erhalten Geldhäuser, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken.
«Die Dezember-Sitzung hat eine klare Botschaft verbreitet, dass weitere Zinssenkungen die Basisannahme von hier aus sind», so Jens Eisenschmidt, Chefvolkswirt Europa, der US-Bank Morgan Stanley. Für eine Fortsetzung des bisherigen graduellen Vorgehens spreche die hohe Unsicherheit. Dazu zählen Experten unter anderem die künftige Zollpolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump. «Bei einer Verschärfung des Handelskonflikts mit den USA könnte Europa mit Gegenzöllen reagieren und so zu einer hartnäckigen Inflation im Euroraum beitragen», warnt DZ-Bank-Experte Reicherter. Andererseits berge eine Eskalation des Handelskonflikts Risiken für die Wirtschaft der Euro-Zone, was dann für einen geringeren Preisauftrieb spreche.
Die schwache Konjunktur im Euroraum stand zuletzt im Scheinwerferlicht der Notenbank. Doch die Lage ist nicht nur trübe. So gab es zu Jahresbeginn Umfrageergebnissen zufolge einige Hoffnungssignale. So schaffte die Wirtschaft im Währungsraum laut dem Einkaufsmanagerindex für Januar erstmals seit dem vergangenen Sommer wieder ein kleines Wachstum. Dabei sorgte insbesondere Deutschland für positive Impulse.
EZB-Präsidentin Lagarde hatte am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos dem Sender CNBC gesagt, die Richtung der Zinsentwicklung sei sehr klar. «Das Tempo, das wir sehen werden, hängt von den Daten ab, aber eine allmähliche Bewegung ist im Moment sicherlich etwas, was einem in den Sinn kommt.» In einer Diskussionsrunde auf dem Forum wies sie darauf hin, dass die Inflation im Euroraum zuletzt bei 2,4 Prozent lag. Und es gebe «starke Zuversicht, dass sie sinken statt steigen wird,». Die EZB erachtet 2,0 Prozent Teuerung als optimal für die Wirtschaft.
«Die zentrale Ansicht des EZB-Rats ist, dass die Inflation ab der ersten Hälfte dieses Jahres nachhaltig zwei Prozent erreichen wird, dass sich die Wirtschaft erholt, dies aber schleppend, und dass sich die Geldpolitik immer noch in einem restriktiven Bereich befindet», meinen die Experten Jan-Paul van de Kerke, Bill Diviney und Nick Kounis vom Bankhaus ABN Amro. Geldpolitik gilt als restriktiv, wenn sie eine Volkswirtschaft bremst. «Vor diesem Hintergrund herrscht grosse Einigkeit darüber, dass der Leitzins wieder auf ein neutrales Niveau gebracht werden muss», meinen die Experten. Ein neutraler Zins ist ein Satz, der eine Wirtschaft weder anheizt noch dämpft. Wo dieser exakt liegt, ist aber unter den Währungshütern umstritten. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau verortet den neutralen Zins bei einem Niveau um die 2,0 Prozent.
Die Experten der Deutschen Bank gehen davon aus, dass die EZB im ersten Halbjahr auf allen ihren vier Zinssitzungen die Schlüsselsätze um jeweils 0,25 Prozentpunkte senken wird. Damit würde der Einlagensatz zur Jahresmitte bei 2,00 Prozent liegen. Im zweiten Halbjahr erwarten sie noch zwei Zinssenkungen - und zwar im September und im Dezember. Zum Jahresende rechnen sie mit einem Einlagensatz von 1,50 Prozent. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) geht von fünf Zinssenkungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte in diesem Jahr aus. Sie erwartet den Einlagensatz zum Jahresende bei 1,75 Prozent.
(Reuters)
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