Der Preisanstieg von Deutschland bis Spanien hat sich im Dezember stärker abgeschwächt als von Ökonomen erwartet, nachdem die Erdgaspreise zurückgegangen und staatliche Hilfen in Kraft getreten sind.

Hinter diesen Rückgängen verbirgt sich jedoch ein zunehmender Aufwärtsdruck bei der Kerninflation, die Komponenten wie Energie und Lebensmittel unberücksichtigt lässt — also genau die Trendgrösse, die die Europäische Zentralbank beobachtet, um zu entscheiden, wie stark die Zinsen steigen sollen.

Ähnlich wie in den USA, wo die Federal Reserve trotz der seit fünf Monaten rückläufigen Inflation weiterhin eine restriktive Haltung einnimmt, macht dies eine Änderung der unmittelbaren geldpolitischen Pläne der EZB unwahrscheinlich.

Weitere Zinserhöhungen in der Pipeline

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat bereits eine weitere Zinserhöhung um einen halben Punkt im nächsten Monat in Aussicht gestellt - "und möglicherweise bei der übernächsten" -, nachdem sie seit Juli bereits um 250 Basispunkte erhöht hat.

Die letzten verfügbaren EZB-Projektionen zeigen, dass die Inflation das 2-Prozent-Ziel nicht vor Ende 2025 erreichen wird. Aktualisierte Prognosen werden erst im März verfügbar sein.

"Der Höhepunkt der Inflation liegt vielleicht schon hinter uns", aber "das Problem ist die Beständigkeit der zugrunde liegenden Inflation", sagte Piet Christiansen, Chefstratege der Danske Bank. "Daher ist die Entscheidung im Februar in Stein gemeisselt."

Nach einem ausgesprochen forschen Ton auf der Dezembersitzung der EZB haben die Ökonomen ihre Prognosen angehoben und rechnen weitgehend mit den beiden angekündigten 50-Basispunkte-Schritten. Händler setzen auf ein ähnliches Ergebnis, haben ihre Vorhersage für die Zinssätze nach den schwächer als erwartet ausgefallenen Inflationsdaten aus Spanien allerdings nach unten korrigiert.

Die Preise in der viertgrössten Volkswirtschaft der Eurozone stiegen im Dezember um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr - gegenüber 6,7 Prozent im Vormonat. Auch in Portugal, Deutschland und Frankreich gingen die Inflationsraten zurück. Die Daten für die Eurozone, die am 1. Januar Kroatien als 20. Mitglied aufgenommen hat, werden am Freitag erwartet. Analysten rechnen mit einem zweiten Rückgang in Folge auf 9,5 Prozent.

Inflations-Höhepunkt erreicht, Kerninflation steigt weiter

"Die Headline-Inflation hat ihren Höhepunkt erreicht. Der Weg von hier aus nach unten ist holprig, aber entschieden abwärts gerichtet — der Preisanstieg könnte im Januar 2024 bei 3 Prozent liegen. Die Kerninflation wird in nächster Zeit hartnäckiger sein. Die gestiegenen Kosten der Hersteller spiegeln sich noch nicht vollständig in den Verbraucherpreisen wider, und die Lohnerhöhungen werden die Dienstleistungsinflation in die Höhe treiben. Wir gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen mindestens bis ins erste Quartal 23 hinein erhöhen wird.", erklärt Maeva Cousin, Senior Euro-Area Economist bei Bloomberg Economics.

Die Unsicherheit in Bezug auf die Inflation bleibt hoch. Die höheren Grosshandels-Energiepreise nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sind noch nicht bei allen Haushalten im Euroraum angekommen, da viele Anpassungen erst zu Beginn des Jahres erfolgten.

Auch die Lebensmittelpreise werden wahrscheinlich weiter steigen, und es ist unklar, wie sich die Entlastungsmassnahmen in Ländern wie Deutschland, wo die Gas- und Strompreise gedeckelt wurden, auf die Gesamtinflationsraten auswirken werden.

"Die Inflationsdaten sind derzeit volatil", erklärte Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg, am Mittwoch gegenüber Bloomberg TV. "Die EZB ist entschlossen, die Inflation viel stärker zu senken."

Dies ist eine Botschaft, die Lagarde auch selbst schon verkündet hat, indem sie eine mögliche Verengung der Debatte auf die Haupt-Inflationszahl vorwegnahm.

"Wir dürfen nicht auf eine einzige Zahl fixiert sein", sagte sie und nannte "gute Gründe für die Annahme", dass die Inflation im Januar wieder anziehen wird.

"Wir müssen auf den Trend schauen, wir müssen auf die Inflationsaussichten schauen, wir müssen bedenken, was wir erreicht haben, und natürlich, wohin wir wollen", sagte Lagarde. "Wir haben noch einen langen Weg vor uns, und es wird eine lange Partie werden."

(Bloomberg)