An der Börse verschreckte der unsichere Geschäftsausblick am Mittwoch die Anleger. Der Aktienkurs brach zeitweise um mehr als ein Drittel auf den tiefsten Stand seit 2017 ein. Am Nachmittag waren die Papiere mit einem Minus von fast 33 Prozent auf 9,56 Euro abgeschlagenes Schlusslicht im Index der mittelgrossen Werte, dem MDax . 2024 steht nun ein Kursrückgang um gut 55 Prozent auf dem Zettel.
Evotec plant bisher nicht näher genannte Anpassungen in der Grösse und bei den Standorten. So will der Konzern künftig weniger Geld in die eigene Forschung stecken und sich stattdessen noch stärker auf Schlüsselkompetenzen wie etwa das Biologika-Geschäft konzentrieren.
Evotec sprach in seiner Mitteilung zur Wochenmitte von einem «herausfordernden Umfeld» und einer «sich verändernden Marktnachfrage». Dieses habe sich insbesondere im umsatzschwachen vierten Quartal gezeigt, sagte Finanzchefin Laetitia Rouxel in einer Online-Pressekonferenz. Damit werde auch Evotec von dem zunehmenden Kostenbewusstsein der Kunden und der allgemeinen Marktschwäche im Biotechnologiesektor getroffen, die sich laut dem Management noch einige Quartale hinziehen dürfte.
Das für die Geschäftsentwicklung zuständige Vorstandsmitglied Matthias Evers strich vor diesem Hintergrund die weiterhin grossen Marktchancen für Evotec heraus. Diese sollten durch die stärkere Fokussierung auf die Kernkompetenzen des Konzerns künftig gehoben werden. Es werde aber einige Monate dauern, um wieder zur alten Wachstumsdynamik zurückzukehren, betonte der Manager. Die Nachfrage insbesondere nach Evotecs wichtigsten Produkten sei aber weiterhin hoch.
In der jüngeren Vergangenheit hatte Evotec unter anderem mit hohen Kosten für den Aufbau zweier neuer Biologika-Anlagen der Tochter Just Evotec Biologics zu kämpfen. Zudem sorgte im Frühjahr 2023 ein Hackerangriff für erhebliche Probleme und liess die Geschäfte stocken, sodass das Management noch unter Lanthalers Führung im Sommer die Jahresziele kappen musste.
Letztlich kletterte in den zwölf Berichtsmonaten der Umsatz zwar um vier Prozent auf 781,4 Millionen Euro. Jedoch fiel ein Betriebsverlust von 47,5 Millionen Euro nach einem Plus von fast 21 Millionen Euro im Vorjahr an. Das um Einmaleffekte der Cyberattacke bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) sank ebenfalls deutlich und fiel noch schlechter aus als von Analysten befürchtet. Im Zusammenhang mit der Erholung von der Cyberattacke fielen Einmaleffekte von 15,9 Millionen Euro an.
Konkret soll die geplante Restrukturierung nun einen jährlichen Beitrag zum bereinigten Ebitda von mehr als 40 Millionen Euro bringen. Nach dem deutlichen Rückgang im vergangenen Jahr soll diese Kennziffer 2024 insgesamt wieder im zweistelligen Prozentbereich wachsen, im selben Mass soll auch der Umsatz in diesem Jahr zulegen. Die Ausgaben für hauseigene Forschungs- und Entwicklungsprojekte sollen dagegen 2024 im mittleren einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich sinken.
Damit dürften der Erlös und das operative Ergebnis in diesem Jahr allerdings deutlich unter den Markterwartungen landen, schrieb Analyst Charles Weston von der kanadischen Investmentbank RBC. Der Ausblick des Konzerns sei somit deutlich vorsichtiger geworden. Zudem stehe hinter dem mittelfristigen Ausblick ein Fragezeichen, denn Evotec kündigte zur Wochenmitte dessen Aktualisierung zur nächsten Halbjahresbilanz an.
Die Mittelfristziele sollen zusammen mit dem neuen Konzernchef Christian Wojczewski abgeklopft werden, der den Konzern wieder in ruhigeres Fahrwasser führen soll. Seinen Amtsantritt zum 1. Juli hatte Evotec erst am Vorabend verkündet. Bis dahin führt Mario Polywka die Geschäfte beim Konzern weiter interimistisch.
Der neue Vorstandschef sei ein positiver Aspekt, aber die Unsicherheit mit Blick auf die Gewinnentwicklung in den Jahren 2024 und 2025 überschatte dies, gab sich Analyst Benjamin Jackson vom Investmenthaus Jefferies zurückhaltend. Die Marktschätzungen seien bislang deutlich zu optimistisch gewesen.
Der Wechsel an der Unternehmensspitze war nötig geworden, nachdem der langjährige Konzernlenker Lanthaler Anfang 2024 überraschend das Handtuch geworfen hatte. Das hatte am Markt panikartige Aktienverkäufe ausgelöst, von denen sich das Papier bis zur Zahlenpräsentation nicht erholt hatte.
Lanthaler hatte offiziell seinen Schritt mit einem «extrem herausfordernden und sowohl körperlich als auch insgesamt erschöpfenden Jahr 2023» erklärt, doch am Markt wurden bald auch andere Gründe vermutet. So hatte der Manager Aktiengeschäfte aus den Jahren 2021 und 2022 erst mit erheblicher zeitlicher Verspätung nachgemeldet, was Presseberichten zufolge auch die Finanzmarktaufsicht Bafin wegen eines möglichen Verstosses gegen Meldepflichten auf den Plan rief. Zudem waren wohl einige der millionenschweren Geschäfte rund um wichtige Unternehmenstermine getätigt worden, was am Markt zu Spekulationen über möglichen Insiderhandel führte.
Ein Bafin-Sprecher wollte sich auf Anfrage von dpa-AFX am Dienstag nicht zu etwaigen Untersuchungen äussern. Er verwies in diesem Zusammenhang auf Verschwiegenheitspflichten der Behörde./tav/gl/he
(AWP)