Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock sagte in Luxemburg, es sei nach wie vor unklar, was derzeit in Russland geschehe. Die Grünen-Politikerin betonte dabei, dass sie die Ereignisse als noch nicht abgeschlossen bewertet. Ihren Angaben zufolge ist weiterhin kaum etwas über das Schicksal der unterschiedlichen Akteure bekannt. Die Ereignisse am Wochenende seien offensichtlich nur "ein Akt in diesem russischen Schauspiel" gewesen, sagte sie.

Ähnlich äusserten sich auch der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell und andere Ministerinnen und Minister. Borrell sagte, das "Monster", das Putin mit der Wagner-Gruppe geschaffen habe, beisse ihn jetzt und gehe gegen seinen Schöpfer vor. "Das politische System zeigt seine Zerbrechlichkeit und die Militärmacht bekommt Risse."

Der österreichische Aussenminister Alexander Schallenberg erklärte zu den Ereignissen des Wochenendes, man habe fast ungläubig zugeschaut, "wie ein grössenwahnsinniger Söldnerführer seine Truppen in Bewegung setzt und es bis auf 200 Kilometer nach Moskau schafft - immerhin die grösste Nuklearmacht und ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates". Es zeigten sich nun "Risse im russischen Gebälk" und es erweise sich als Illusion, dass Putin ohne Auswirkungen auf sein eigenes Machtgefüge und die Gesellschaft einen brutalen Angriffskrieg in der Nachbarschaft anzetteln könne. "Es ist ein bisschen sozusagen die Maske heruntergerissen worden."

Zugleich warnte Schallenberg vor möglichen weitreichenden Konsequenzen des Machtkampfes. Weil Russland eine grosse Nuklearmacht sei, könne es einem nicht egal sein, was dort geschehe. Zu der Frage, ob er sich über eine Schwächung Putins freue, sagte er, jede Schwächung Putins sei auch eine Gefährdung.

Könnten die Ereignisse vom Wochenende sogar der Anfang vom Ende für Putin sein? Die finnische Aussenministerin Elina Valtonen gab auf eine entsprechende Journalistenfrage am Montag eine deutliche Antwort. "In jedem autoritären Staat ist es natürlich so, dass alles sehr stabil scheint, bis eines Tages nichts mehr stabil ist. Ich gehe davon aus, dass es mit Russland auch so weitergehen wird", sagte sie.

Zur Rolle Deutschlands und der EU erklärte Baerbock, man mische sich nicht ein, analysiere die Lage aber genau, denn sie berge auch Risiken, die man derzeit noch nicht abschätzen könne. "Für uns Europäer geht es einzig und allein darum, die Ukraine dabei zu unterstützen, wieder in Frieden und in Freiheit leben zu können", ergänzte sie. Sie verwies dabei auch auf die am Montag getroffene EU-Entscheidung, die Finanzmittel für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Ukraine und andere Partnerländer um weitere 3,5 Milliarden Euro auf rund 12 Milliarden aufzustocken. Sie ist aus Sicht der EU ein klares politisches Signal, dass Putin nicht darauf setzen kann, dass der Ukraine irgendwann einmal die Unterstützung für den Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer wegbricht./aha/DP/nas