Der Bundesrat befürchtete im Februar 2022 nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, dass die Schweiz Ende 2022 und im Frühling 2023 nicht ausreichend elektrische Energie importieren könne. Aus diesem Grund beschloss der Bundesrat den Aufbau einer Winterreserve. Vorgesehen war unter anderem der Bau des temporären Reservekraftwerks in Birr AG.
Die Landesregierung stützte ihren Entscheid auf das Landesversorgungsgesetz. Es erlaubt ihr, bei einer schweren Mangellage zeitlich begrenzte wirtschaftliche Interventionsmassnahmen zu ergreifen. Ziel solcher Massnahmen ist es, die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen. Dies schreibt das Bundesverwaltungsgericht in einem am Freitag veröffentlichten Urteil.
Im Dezember 2022 erliess der Bundesrat die Verordnung über den Betrieb von Reservekraftwerken und Notstromgruppen bei einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden Mangellage. Gestützt auf diese Verordnung erteilte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) dem Reservekraftwerk Birr Ende Dezember 2022 die Betriebsbewilligung. Diese galt bis am 31. Mai 2023.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun die Beschwerde einer Anwohnerin gegen die Betriebsbewilligung gutgeheissen. Sie argumentierte damit, dass für den Winter 2022/2023 bei der Versorgung mit elektrischer Energie keine schwere Mangellage bestand.
Kein beliebiger Spielraum
Grundsätzlich ist der Bundesrat gemäss den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts berechtigt, wirtschaftliche Interventionsmassnahmen zu ergreifen, um die Versorgung sicherzustellen. Er sei in seiner Entscheidung jedoch nicht frei und müsse den ihm zustehenden erheblichen Spielraum pflichtgemäss ausüben. Interventionsmassnahmen müssten sich am Gesetzeszweck orientieren und die Grundprinzipien der Bundesverfassung beachten.
Das Bundesverwaltungsgericht verneint für den Winter 2022/2023 eine schwere Mangellage. Das Uvek habe nicht aufzeigen können, auf der Grundlage welcher Annahmen der Bundesrat eine schwere Mangellage angenommen habe. Die gesetzliche Voraussetzung für die Bereitstellung und den Betrieb des Reservekraftwerks Birr sei somit nicht gegeben gewesen.
Das Gericht führt weiter aus, dass wirtschaftliche Interventionen verhältnismässig sein müssten. Die von den Massnahmen berührten Interessen müssten deshalb gegeneinander abgewogen werden. Es sei nicht ersichtlich, welche anderen Möglichkeiten in Betracht gezogen worden seien - unter anderem mit Blick auf die Auswirkungen auf die Umwelt.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gutgeheissen und festgestellt, dass die Betriebsbewilligung für das Reservekraftwerk nicht gesetzeskonform war. Dieses Urteil ist abschliessend und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden. (Urteil A-1706/2023 vom 19.2.2024)
(AWP)