Am Freitag schickte die Landesregierung einen entsprechenden Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» in die Vernehmlassung. Die Initiative will in der Bundesverfassung unter anderem festhalten, dass alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung zulässig sind. Damit wäre auch der Bau von neuen AKW wieder möglich.

Der Bundesrat lehne die Volksinitiative ab, teilte er am Freitag mit. Das Hauptanliegen des Initiativkomitees soll nach dem Standpunkt des Bundesrats über eine Revision des Kernenergiegesetzes - und nicht über eine Revision der Bundesverfassung - erfüllt werden.

Konkret schlägt der Bundesrat vor, die beiden Bestimmungen zum Rahmenbewilligungsverbot für neue Kernkraftwerke und für Änderungen bestehender Kernkraftwerke aufzuheben. Die Vernehmlassung dauert bis zum 3. April 2025.

Priorität bleiben erneuerbare Energien

Ziel sei es, die schweizerische Energiepolitik unter Einbezug der Kernenergie technologieoffen auszugestalten, hiess es von der Regierung. Ein Ausbau der erneuerbaren Energien und die Nutzung der Effizienzpotenziale bei Gebäuden, Prozessen, Anlagen, Geräten und im Verkehr habe allerdings weiterhin erste Priorität. Die Aufhebung des Neubauverbots schaffe jedoch den Vorteil, dass die Schweiz künftig auf die Option Kernenergie zurückgreifen könne, falls die erneuerbare Produktion zur Deckung ihres Strombedarfs nicht ausreichen sollte.

Seit dem Volksentscheid zum Ausstieg aus der Kernenergie im Jahr 2017 hätten sich die Rahmenbedingungen in der Energieversorgung geändert, begründete der Bundesrat den Entscheid in der Vernehmlassung. Dies durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine, die gezeigt habe, dass die Abhängigkeit der Schweiz von Stromimporten im Winter ein Risiko darstelle.

Vier Kernkraftwerke in Betrieb

In der Schweiz sind derzeit vier Kernkraftwerke in Betrieb - drei im Kanton Aargau und eines im Kanton Solothurn: Die zwei Reaktoren Beznau stehen in Döttingen AG. Je einen Atommeiler gibt es in Leibstadt AG und in Däniken SO.

Die Schweizer Atomkraftwerke gehören zu 82 Prozent der öffentlichen Hand. Die älteste Anlage ist seit 1969 kommerziell in Beznau in Betrieb. Ein fünftes Kernkraftwerk in Mühleberg BE wurde 2019 nach 47 Jahren abgeschaltet. Anfang Dezember hatte der Strombetreiber Axpo die Abschaltung der Atomkraftwerke Beznau 1 und 2 auf 2033 und 2032 angekündigt.

Aktuell bestehen keine Projekte bezüglich Neubauten von konkreten Kernkraftwerken, wie der Bundesrat am Freitag betonte. Deshalb stellen sich zu diesem Zeitpunkt keine projektspezifischen Fragestellungen, wie diejenige der Finanzierung oder der Realisierungsdauer.

Die Energiebranche zeigte sich jüngst skeptisch gegenüber einem Bau neuer Atomkraftwerke. Die Stromkonzerne befürworten aber Technologieoffenheit.

«Sollte das Parlament die Aufhebung des Neubauverbots mit einer Anpassung des Kernenergiegesetzes wieder diskutieren wollen, würde die Axpo dies im Sinne der Technologieoffenheit begrüssen», sagt etwa der grösste Schweizer Energiekonzern der Nachrichtenagentur AWP im Dezember. «Je mehr Optionen wir für die Zukunft haben, desto mehr Handlungsspielraum für unsere Versorgungssicherheit», sagte auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE).

Die Frage eines Neubaus stellte sich für die Unternehmen aber zuletzt nicht. «Selbst eine Aufhebung des Neubauverbots bedeutet nicht, dass neue Kernkraftwerke zwangsläufig gebaut werden», hiess es von der Axpo. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wären die finanziellen, regulatorischen und politischen Risiken Stand heute demnach zu hoch.

Widerstand bereits angekündigt

Die Grünen haben einem möglichen Neubau von Atomkraftwerken in der Schweiz bereits Mitte August an ihrer Parteiversammlung den Kampf angesagt. «Atomkraft hat keine Zukunft, unsere Zukunft sind erneuerbare Energien», sagte Parteipräsidentin Lisa Mazzone. «Wir sind bereit für einen weiteren Abstimmungstermin, Herr Rösti, um neue AKW in der Schweiz zu bekämpfen», sagte sie. «Wir sind bereit für das Referendum. Und wir werden es gewinnen.»

Auch die Sozialdemokraten äusserten sich bereits gegen die Aufhebung. Diese Politik schütze weder die Bevölkerung noch die Umwelt und leiste auch keinen sicheren, erneuerbaren Beitrag zur Energieversorgung, hiess es von der SP am Freitag.

Die Aufhebung des Neubauverbots dürfte also vors Volk kommen.

(AWP)