Die Initiative verlangt namentlich, den Netto-Selbstversorgungsgrad der Landwirtschaft in zehn Jahren auf 70 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig fordert sie eine umweltfreundlichere Landwirtschaft. Das sei nur mit massiven Eingriffen in Produktion und Konsum möglich, sagte Parmelin am Mittwoch in Bern vor den Medien.

«Tierbestände würden verkleinert»

«Ohne radikale Änderungen in der Landwirtschaft und für uns alle kann das nicht erreicht werden», gab er zu bedenken. Die Ernährung müsste pflanzlicher werden.

«Die Tierbestände müssten um fast die Hälfte verkleinert werden», führte Parmelin aus. Betroffen wären vor allem Schweine und Geflügel. Umgekehrt würde die Brotgetreide-Produktion massiv ausgebaut. «Das hätte Auswirkungen auf die Wertschöpfung in der ganzen Landwirtschaft, und auch wir Konsumenten wären betroffen.»

Die Menschen müssten ihre Ernährungsgewohnheiten auf staatliche Anordnung hin radikal umstellen, führte Parmelin dazu aus. Nach Ansicht des Bundesrates sollten die Konsumentinnen und Konsumenten aber weiterhin die Wahl haben, was sie essen wollten.

Er sei einverstanden mit ambitionierten gesetzlichen Zielen für die Landwirtschaft, versicherte Parmelin. Aber es müssten realistische Ziele sein. Was die Initiative wolle, sei nicht mehr ambitioniert, sondern schlicht unrealistisch.

Verfassungsgrundlagen genügen

Einen Gegenvorschlag will der Bundesrat deshalb nicht zur Initiative, weder auf Verfassungs- noch auf Gesetzesstufe. Die heutigen Verfassungsgrundlagen für eine Entwicklung der Agrarpolitik in die verlangte Richtung genügten bereits.

Anliegen der Initiative, namentlich die Stärkung der Ernährungssicherheit und die Reduktion des ökologischen Fussabdrucks der Land- und Ernährungswirtschaft, seien zentrale Themen für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2030 (AP30+). Die Vernehmlassung dazu soll im zweiten Halbjahr 2026 stattfinden.

Das Parlament verlangte laut dem Bundesrat einen ganzheitlichen Ansatz für die AP30+. Nicht nur die Arbeit und die Erzeugnisse der Landwirtinnen und Landwirte soll diese Vorlage erfassen, sondern das ganze Ernährungssystem. Für nötige Umstellungen werde der Bundesrat einen realistischen Zeitrahmen vorschlagen, sagte Parmelin.

Eingereicht wurde die Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung - durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser (Ernährungsinitiative)» im vergangenen August.

Netto-Selbstversorgungsgrad von 70 Prozent

Hinter der Initiative stehen Franziska Herren vom Verein «Sauberes Wasser für alle» und sechs weitere Personen. Herren war bereits die treibende Kraft der im Juni 2021 an der Urne nach einem zuweilen gehässigen Abstimmungskampf abgelehnten Trinkwasserinitiative.

Die Ernährungsinitiative verlangt einen Netto-Selbstversorgungsgrad von 70 Prozent. Der Wert lag zuletzt bei 46 Prozent. Beim Selbstversorgungsgrad netto wird berücksichtigt, dass ein Teil der einheimischen Produktion auf importierten Futtermitteln beruht, wie es im neusten Agrarbericht heisst.

Dass die Schweiz heute zu fünfzig Prozent von Importen aus dem Ausland abhängig sei, liege an der hoch subventionierten Produktion tierischer Lebensmittel im Inland, schrieb das Initiativkomitee im August bei der Einreichung der Unterschriften. Nicht zu wenig Landwirtschaftsland sei der Grund dafür.

Das Begehren verlangt weiter die Sicherstellung lebenswichtiger landwirtschaftlicher Produktionsgrundlagen: Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit. Der vernachlässigte Gewässerschutz, wegen Nitrat und Pestiziden stillgelegte Trinkwasserfassungen und vermehrt auftretende Trockenheit gefährdeten zunehmend die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, macht das Komitee ausserdem geltend.

(AWP)