Die inländischen Instanzen waren zum Schluss gelangt, dass die absolute Verjährung eingetreten sei und damit kein Anspruch auf Entschädigung bestehe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hiess die Beschwerde der Witwe des Verstorbenen und dessen Sohn im Februar 2024 gut.

Der EGMR kritisierte die Anwendung der absoluten Verjährungsfrist, insbesondere den Zeitpunkt, ab welchem die Frist zu laufen beginnt. Die Witwe und der Sohn haben vor Bundesgericht ein Revisionsgesuch gestellt, das in einem am Montag publizierten Urteil gutgeheissen wurde.

Marcel Jann verstarb 2006 and den Folgen einer Brustfellkrebserkrankung, die angeblich durch eine Asbestexposition aus den 1960er und 1970er Jahren verursacht worden war. Damals wohnte Jann in unmittelbarer Nähe eines der asbestverarbeitenden Betriebe von Eternit.

Kurz vor seinem Tod leitete Jann ein Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung in die Wege. 2009 reichten seine Angehörigen eine Schadenersatzklage gegen Eternit, die beiden Söhne des ehemaligen Firmenbesitzers Max Schmidheiny und die SBB ein.

Genugtuung offen

Das Begehren, direkt über eine Genugtuung von 110'000 Franken zu entscheiden, hat das Bundesgericht abgewiesen, weil der Anspruch innerstaatlich bisher nicht geprüft worden sei. Vielmehr habe man sich auf die absolute Verjährung beschränkt.

Man hat demnach die Frage beantwortet, ob seit der letzten schädigenden Einwirkung bis zur Geltendmachung der Ansprüche die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren vergangen ist. Im vorliegenden Fall gingen die Gerichte davon aus, dass 1972 die letzte Asbest-Exposition stattfand, womit die absolute Verjährungsfrist 1982 abgelaufen war.

Der Brustfellkrebs wurde beim betroffenen Mann jedoch erst 2004 festgestellt. Zwei Jahre später verstarb er infolge der Krankheit. Noch zu Lebzeiten gelangte der Mann an die Gerichte. Seine Ehefrau und sein Sohn führten seinen Fall fort.

Beginn der Frist entscheidend

Das Glarner Obergericht muss sich nun mit der relativen Verjährungsfrist befassen. Laut Bundesgericht kann es den Fall auch an die erste Instanz zurückweisen. Die relative Verjährungsfrist ist subjektiv bestimmt. Dabei stellt sich also die Frage, wann wurde die Krankheit festgestellt und wie viel Zeit verging, bis Ansprüche gerichtlich geltend gemacht wurden.

Nach altem Recht betrug diese relative Verjährungsfrist ein Jahr, nach neuem Recht haben Betroffene drei Jahre Zeit. Auch die absolute Verjährungsfrist wurde angepasst. Bei so genannten Personenschäden dauert sie neu 20 Jahre, ansonsten weiterhin zehn Jahre.

Das neue Recht kann somit dazu führen, dass Asbest-Opfer nicht rechtzeitig ans Gericht gelangen können, wie es der EGMR verlangt. In seinem Urteil zum vorliegenden Fall kritisierte der Gerichtshof insbesondere den Beginn des Fristenlaufs, ab Zeitpunkt der letzten schädigenden Einwirkung. Dies wird in der Schweiz nun zu lösen sein. (Urteil 4F_22/2024 vom 9.2.2025)

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(AWP)