Die schwach gestarteten Aktien drehten am Nachmittag ins Plus und stiegen zuletzt um ein Prozent auf 52,90 Euro. Für 2023 steht ein Plus von etwa zehn Prozent auf dem Kurszettel. Vor der ersten Niederlage in einem Glyphosat-Verfahren im August 2018 hatte die Papiere gut 93 Euro gekostet.
Von dem ausgewiesenen Pharmaexperten Anderson erhoffen sich Anleger frischen Schwung, nicht nur im Tagesgeschäft. Schon länger fordern einige Investoren eine Aufspaltung des Konzerns, da sie die US-Rechtsprobleme rund um Glyphosat als Belastung für Cropscience sehen und die Bayer-Einzelteile für wertvoller halten als den Konzern als Ganzes.
Allerdings hält Anderson sich bisher bedeckt, arbeitet sich weiter ein. Ein Strategie-Update wird gemeinhin erst gegen Ende des Jahres oder früh im Jahr 2024 erwartet. Am Dienstag betonte er lediglich, dass die Prüfung ergebnisoffen laufe. "Wir müssen tun, was richtig ist fürs Unternehme." Alle Optionen würden geprüft. Falls die Führung zu dem Schluss komme, die Konzernstruktur ändern zu müssen, dann werde das auch getan.
Die Senkung des Ausblicks war die erste grössere Massnahme des erst seit Juni amtierenden Anderson. Investoren hoffen, dass er damit erst einmal reinen Tisch gemacht hat. Der Manager folgte auf Werner Baumann, der die mehr als 60 Milliarden US-Dollar teure Übernahme des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto zum Missfallen vieler Investoren durchgeboxt und Bayer damit auch den US-Glyphosatrechtsstreit um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters sowie Spätfolgen der seit Jahrzehnten verbotenen Chemikalie PCB eingebrockt hatte.
Während es mit Blick auf die Glyphosatstreitigkeiten ein ruhiges Quartal gewesen sei, habe es mit Blick auf PCB einige eher negative Entwicklungen gegeben, merkte Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research am Dienstag in einer ersten Reaktion an und verwies dabei auf neue Klagen im US-Bundesstaat Vermont.
Mit Blick auf das Tagesgeschäft erwartet Bayer 2023 nun für das Agrarchemie- und Saatgutgeschäft Cropscience einen um Wechselkursveränderungen bereinigten etwa fünf Prozent geringeren Umsatz als im Vorjahr, statt eines Plus von drei Prozent, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Nach dem ersten Halbjahr steht hier ein Minus von fast zehn Prozent, vor allem weil das Geschäft mit Unkrautvernichtern um mehr ein Drittel rückläufig war.
Auf der Pharmasparte lasteten in den vergangenen Monaten vor allem Umsatzeinbussen beim Blutgerinnungshemmer Xarelto. Für das weiterhin umsatzstärkste Medikament nimmt der Konkurrenzdruck zu, da in verschiedenen Teilen der Erde nach und nach die Patente auslaufen. Zudem schwächelte das Wachstum mit dem zweitwichtigsten Medikament, dem Augenmittel Eylea, auch wegen Preisdrucks. Weiterhin rasant wachsen die Erlöse mit den noch recht neuen Medikamenten Nubeqa, einem Krebsmittel, und Kerendia zur Behandlung der chronischen Nierenerkrankung bei Typ-2-Diabetes.
Für das Pharma-Geschäft insgesamt erwartet Bayer für 2023 nun kein Wachstum mehr, nachdem bislang ein kleines Plus von einem Prozent in Aussicht gestellt worden war. Und auch für das, was als bereinigter Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) übrig bleiben soll, wurde Bayer vorsichtiger.
In der Pharmasparte plant die Unternehmensführung 2023 ohne Währungseffekte mit einer bereinigten operativen Ergebnismarge von etwa 28 Prozent und bei Cropscience von etwa 21 Prozent. Bislang hatten die Leverkusener operative Gewinnmargen von leicht über 29 Prozent beziehungsweise 25 bis 26 Prozent avisiert. Den Jahresausblick für die kleinste Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente bestätigte das Unternehmen.
Für den Gesamtkonzern kalkuliert Bayer für 2023 - wie seit Juli bekannt - um Wechselkursveränderungen bereinigt und damit auf Basis der Durchschnittskurse im Vorjahr mit einem Umsatz von 48,5 bis 49,5 Milliarden Euro, statt mit 51 bis 52 Milliarden. Der Konzern gibt die Prognosen wechselkursbereinigt an, um die zugrundeliegende Geschäftsentwicklung besser vergleichbar zu machen.
Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll ohne Währungseffekte im laufenden Jahr 11,3 bis 11,8 Milliarden Euro erreichen. Hier hatten die Leverkusener bis Juli 12,5 bis 13 Milliarden in Aussicht gestellt.
Am deutlichsten sank der Ausblick für den freien Finanzmittelfluss. Hier peilt Bayer für das Gesamtjahr etwa null Euro, nach einem bisher avisierten Free Cashflow von etwa drei Milliarden Euro. So wies Bayer im ersten Halbjahr einen Abfluss von gut viereinhalb Milliarden Euro aus. Gründe waren vor allem die rückläufige Geschäftsentwicklung im Agrargeschäft sowie in Summe höhere Auszahlungen zur Beilegung von Verfahren rund um Glyphosat, PCB und anderen US-Rechtsproblemen.
Die Eckdaten für das zweite Quartal bestätigte der Konzern am Dienstag ebenfalls. Demnach sank der Umsatz um knapp 14 Prozent auf gut 11,0 Milliarden Euro. Negative Währungseffekte ausgeklammert ergibt sich ein Minus von noch gut 8 Prozent. Der bereinigte operative Gewinn brach um rund ein Viertel auf rund 2,5 Milliarden Euro ein.
Unter dem Strich stand ein Verlust von 1,9 Milliarden Euro, auch weil das trägere Glyphosat-Geschäft eine Firmenwert-Abschreibung in Milliardenhöhe notwendig machte. Das ist nicht die erste deutliche Wertberichtigung, die Bayer auf Monsanto verbuchte./mis/ngu/he