Die drei baltischen Staaten hatten bereits vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Stromimporte aus Russland eingestellt. Weiterhin waren sie aber Teil eines aus Sowjetzeiten stammenden gemeinsamen, synchrongeschalteten Netzes mit Russland und Belarus. Das galt in Tallinn, Riga und Vilnius inzwischen als Sicherheitsrisiko. Nach dem Netzwechsel können die Baltenstaaten die grundlegenden und bislang von Moskau geregelten Parameter des Stromsystems wie etwa Frequenz und Spannung selbst kontrollieren.

«Historischer Moment»

«Das ist ein historischer Moment», sagte litauische Präsident Gitanas Nauseda in Vilnius nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und seinen Amtskollegen aus Estland, Lettland und Polen. «Von nun an haben wir völlige Energieunabhängigkeit erreicht. Die Zeit des politischen Drucks und der Erpressung ist endlich vorbei.» Von der Leyen sagte: «Das ist Freiheit. Freiheit von Drohungen, Freiheit von Erpressungen.»

Die drei Baltenstaaten hatten sich zuvor am Samstag vom gemeinsamen Stromnetz mit Russland und Belarus abgekoppelt, mit dem sie aus historischen Gründen seit Sowjetzeiten verbunden waren. Zunächst hatte Litauen seine Verbindungen getrennt, dann folgten Lettland und Estland. Danach operierten die Stromnetze für einige Betriebstests einen Tag lang allein in einer Art Inselmodus. Nun sind sie Teil des europäischen Verbundsystems, das mehr als 400 Millionen Verbraucher in 26 Ländern versorgt.

Polens Präsident Andrzej Duda sprach von einem «bedeutenden Schritt nach vorne, um die Region sicherer und widerstandsfähiger zu machen». «Es ist der letzte Schritt zur Emanzipation aus der postsowjetischen Abhängigkeitssphäre - in diesem Fall im Energiesektor.»

Kritik aus Moskau

Moskau kritisierte die Abkopplung der baltischen Staaten vom einheitlichen Stromsystem mit Russland und Belarus. Aussenamtsspecherin Maria Sacharowa sah darin eine «logische Fortsetzung der Zerstörung von Ländern und Völkern, die einst alle Voraussetzungen für Wohlstand und Unabhängigkeit hatten».

Schnellere Umsetzung wegen Russlands Krieg

Estland, Lettland und Litauen waren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur wiedererlangten Unabhängigkeit 1991 gezwungenermassen Teil der Sowjetunion. Die drei Länder hatten 2009 mit den Vorbereitungen für den Anschluss an das europäische Energiesystem begonnen. Der ursprüngliche Plan sah eine Synchronisierung Anfang 2026 vor.

Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 beschleunigte das Vorhaben, das finanziell überwiegend von der EU getragen wurde. Die Kosten für den Aufbau der nötigen Infrastruktur betrugen insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro.

Die Ukraine hatte sich - wie auch Moldau - bereits kurz nach Kriegsbeginn aus dem russischen Stromnetz gelöst und mit dem europäischen System verbunden./awe/DP/mis

(AWP)