Es ist zumindest verhältnisblöd: Die Doha-Freihandelsrunde in Nairobi hat der Schweiz das Schoggigesetz verboten. Danach wurden den Schokoladerstellern die Differenzen zwischen dem Preis der verwendeten Schweizer Milch und dem der billigeren ausländischen zurückerstattet. Das macht pro Tafel etwa einen mit maximal 1,5 Rappen aus oder etwa ein halbes Prozent des Endpreises. Insgesamt geht es um weniger als 100 Millionen Franken.
Eine andere Exportsubvention ist indessen weiterhin unbestritten. Dabei geht es um 19% des Warenpreises und allein im Falle von Deutschland um jährlich rund 250 Milliarden Euro. Praktiziert wird diese Subvention ganz offen und ungeniert. Zum Beispiel in den Läden von Konstanz am Bodensee. Dort gibt es (faktisch) immer zwei Preisschilder: Einheimische zahlen z.B. 123, Ausländer hingegen nur 100 Euro. Die Differenz von 19 Prozent entspricht der Mehrwertsteuer, welche der deutsche Staat zum Zweck der Exportförderung den Kunden aus dem Ausland erlässt. Er stellt sogar gratis das Personal zur Verfügung, das beim Grenzübergang zwischen In- und Ausländern unterscheidet und die dazu nötigen Papiere kontrolliert.
Ich habe das immer als extrem unfreundlichen Akt gegen das Schweizer Gewerbe und den Detailhandel ennet der Grenze empfunden. Entsprechende trist sieht es hüben in Kreuzlingen oder in Laufenburg auch aus. Rein rechtlich wir diese merkantilistische Steuer damit gerechtfertigt, dass der Zweck der Mehrwertsteuer eben darin bestehe, den einheimischen Endkonsumenten zu belasten. Das schliesse den Export aus – logisch.
Faktisch ist aber eine Steuer, die nur auf dem Binnenkonsum erhoben wird, eine Exportsubvention. Und die Folge davon sind Dumpingpreise. Wer etwas produziert und verkauft, beansprucht staatliche Infrastruktur und Dienstleistungen und zahlt dafür entsprechende Abgaben, die in den Endpreis einfliessen und logischerweise vom Endkonsumenten mitbezahlt werden sollten. Werden Steuern beim Export zurückerstattet, dann werden die entsprechenden Waren und Dienstleistungen unter den Gestehungskosten verkauft. Und wenn dieses Preisdumping eine gesetzliche Grundlage hat, macht das die Sache nicht besser, sondern schlechter: Dann müssen wir nämlich von systematischem Staatsdumping oder Exortdoping reden. Und auch hier haben wir eine Doping-Agentur, die nichts tut – die WTO.
Gleicher Mehrwertsteuersatz
Die Mehrwertsteuer ist nur dann faktisch keine Exportsubvention, wenn alle Länder denselben Steuersatz erheben. In diesem Fall machen sich die Staaten bloss gegenseitig Steuergeschenke: Bitte nach Dir, kassiere Du zuerst. Im konkreten Fall von Konstanz, Waldshut, Lörrach etc. ist es aber so, dass die Mehrwertsteuer in der Schweiz nur 8 Prozent beträgt – und aus praktischen Gründen gar nicht erhoben wird. Die Freigrenze beträgt 300 Franken pro Tag und Person, also 1200 Franken für eine 4-köpfige Familie. Zudem lässt sich das nur schwer kontrollieren. Das effektive Preisdumping beträgt also volle 19%.
Diese Woche bin ich auf flassbeck-economics.de auf einen interessanten Gastbeitrag gestossen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, ihre Exportindustrie künftig nicht mehr (durch die Erstattung der Mehrwertsteuer) zu dopen. Der Autor schätzt, dass die deutschen Export dadurch um einen Fünftel sinken, die Steuereinnahmen aber dennoch um gut 200 Milliarden steigen würden. Da Deutschlands Handelspartner mehr exportieren könnten, würde dort die Arbeitslosigkeit sinken, während sie in Deutschland stiege. Das könnte aber locker kompensiert werden, wenn Deutschland nur schon die Hälfte des Mehrertrages beispielsweise für Infrastruktur oder Umweltschutz ausgibt. So weit die Überlegungen bei flassbeck-economics.
Auch die Schweiz müsste das Thema aufgreifen und in Nairobi Schokoloden-Diplomatie walten lassen: Wenn ihr weiterhin auf Steuerrückerstattungen beim Export beharrt, geben wir das Schoggi-Gesetz nicht her. Oder wir sollten ihm Rahmen der bilateralen Verhandlungen zumindest mal auf einer gemeinsamen Mehrwertsteuer-Clearingstelle beharren. Sie müsste sicherstellen, dass Deutschland seine 19, Frankreich und Österreich ihre 20 und Italien seine 22 Prozent nur zurückerstatten, wenn die Schweiz gleichzeitig wenigstens ihre 8 Prozent einkassieren kann. Notfalls muss man halt staatliches Exportdumping mit bürokratischer Abschreckung bekämpfen.
Mehr von Vontobel unter www.werner-vontobel.ch