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Irren ist menschlich. An der Börse kann das allerdings schnell einmal ins Geld gehen. Dasselbe kann passieren, wenn man sich blind auf eine Kaufempfehlung eines Analysten verlässt - erst recht, wenn ihr ein abenteuerlich hohes Kursziel zugrunde liegt.

So geschehen bei den Aktien von Leonteq. Bis vor wenigen Monaten ein gefeierter Überflieger, ist der Anbieter von strukturierten Produkten an der Börse nur noch ein Schatten seiner selbst.

Mittendrin: der für die MainFirst Bank tätige Bankenanalyst. Nur wenige Wochen nach dem Börsengang des Unternehmens nahm dieser die Abdeckung der bis dahin noch unscheinbaren Valoren mit einer Kaufempfehlung auf. Und diese sollte sich ausbezahlt machen: Vom Zeitpunkt der Empfehlung bis Anfang August vergangenen Jahres verzehnfachte sich der Börsenwert von Leonteq im Zuge der allgemeinen Fintech-Euphorie. Immer hartnäckig mit an Bord: der Experte und seine Anlagekundschaft.

Noch wenige Wochen bevor sich das Blatt zu wenden begann, nahm der Analyst Ende Juli eine aufsehenerregende Erhöhung des Kursziels auf 280 (190) Franken vor. Aufsehenerregend deshalb, weil dieses zum damaligen Zeitpunkt ein Aufwärtspotenzial von knapp 45 Prozent suggerierte.

Doch es sollte alles anders kommen: Im Zuge einer Abfolge negativer Ereignisse sind die Aktien seither um nicht weniger als 70 Prozent eingebrochen. Vor wenigen Tagen tauchten sie vorübergehend sogar auf 50 Franken. Wäre die Börse eine Partie Monopoly, hiesse es für den Experten der MainFirst Bank und seine Anlagekundschaft wohl: zurück auf Start.

Dieser denkt allerdings nicht im Traum daran, das Handtuch zu werfen. In einer in diesen Tagen veröffentlichten Unternehmensstudie nimmt der Autor zwar seine Gewinnschätzungen um durchschnittlich 20 Prozent zurück und streicht gleichzeitig das Kursziel auf 105 Franken zusammen. Dennoch hält er an seiner "Outperform" lautenden Kaufempfehlung fest. Auf dem Höhepunkt des Pessimismus dränge sich ein Einstieg geradezu auf, so lässt er den Leser wissen.

Auf Basis des optimistischsten Szenarios traut man den Valoren von Leonteq bei der MainFirst Bank noch immer ein Aufwärtspotenzial bis auf 300 Franken zu. Das entspräche aus heutiger Sicht einer Verfünffachung des Aktienkurses.

Noch vor wenigen Jahren hätten solche Prognosen an der Börse ein Kursfeuerwerk gezündet. Allerdings glaubt man beim Anbieter von strukturierten Produkten nach dem Verlust des Schlüsselpartners DWS in Asien wohl selber nicht daran, an alte Erfolge anknüpfen zu können. Nur so lässt sich erklären, weshalb sich ein Geschäftsleitungsmitglied erst Ende April von knapp 9000 Aktien getrennt hat (siehe Kolumne vom 28. April).

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Die Schweizer Börse ist fest in der Hand mächtiger ausländischer Marktakteure. Britische Hedgefonds, amerikanische Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter – für sie alle sind selbst die grössten unter den hiesigen Pensionskassen bloss Manövriermasse. Wenn es sein muss, werden diese von Goldman Sachs und Co. gnadenlos an die Wand gespielt.

Anders als an der Börse in New York müssen Grossinvestoren hierzulande nicht quartalsweise "die Hosen runterlassen". Nur die Offenlegungsmeldungen an die Schweizer Börse SIX bei einem Über- oder Unterschreiten der Stimmrechtsschwellenwerte lassen im Ansatz erahnen, was hinter der Kulisse läuft. Und es läuft mehr, als dass die schon seit Monaten seitwärts tendierende Börse oder die Ertragsflaute in den Handelsabteilungen unserer Banken einem Glauben machen wollen.

Alleine in den letzten Tagen räumte BlackRock, mit einem geschätzten Vermögen von 4,6 Billionen Dollar der weltgrösste Vermögensverwalter, ein, sich um die Monatsmitte herum bei Logitech, Lonza, Clariant und AMS von Aktien getrennt zu haben. Da gleichzeitig nur gerade bei Forbo Zukäufe zu verzeichnen waren, liegt die Vermutung nahe, dass BlackRock im hiesigen Börsenpoker grundsätzlich Geld vom Tisch genommen hat.

Nicht zum ersten Mal würden Offenlegungsmeldungen an die SIX einen Stimmungsumschwung ankündigen. Denn selten zuvor gingen in der Schweiz so viele Meldungen ein wie im Dezember. Dabei überwogen die Verkaufstransaktionen (siehe cash-Artikel vom 8. Januar) - als hätten die ausländischen Grossanleger die ab Januar um den Globus rollende Ausverkaufswelle damals schon erahnt.

Mitte Februar war dann genau das Gegenteil der Fall: Findige Investoren aus dem Ausland langten hierzulande wieder beherzt zu. Dass der Swiss Performance Index (SPI) nur wenige Tage zuvor die Talsohle durchschritten hatte, dürfte mehr als bloss ein Zufall sein. Nicht selten verstreichen nämlich von der Entstehung der Meldepflicht bis zur Veröffentlichung der Meldung mehrere Tage.

Die Grossanleger werden gerne auch als "Smart Money" bezeichnet, was ins Deutsche übersetzt so viel wie "schlaues Geld" heisst. Schon seit Monaten machen diese mächtigen Marktakteure ihrem Namen alle Ehre, scheint es doch, als seien sie allen anderen jeweils einen entscheidenden Schritt voraus. Werden der SIX in den nächsten Tagen weitere Verkaufstransaktionen gemeldet, wäre daher wohl Vorsicht in Bezug auf die Börsenentwicklung der nächsten paar Wochen angebracht.
 

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