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Mit einer Gesamtlänge von 21200 Kilometern gilt die Chinesische Mauer bis heute als das grösste je von Menschenhand errichtete Bauwerk. Ursprünglich als Schutz für die untereinander befehdeten Chinesen gedacht, diente sie später als Bollwerk gegen die blutrünstigen Mongolen.
"Chinesische Mauern" findet man auch bei den Banken. Bei diesen steht der Begriff für eine strikte Trennung der Aktienanalyse vom Firmenkundengeschäft, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Eine eben gerade von der "Times" durchgeführte Studie bestätigt, was schon seit längerem vermutet wurde: Bei vielen Banken wird dieser von Gesetzes wegen vorgeschriebenen Trennung nicht nachgelebt. Noch schlimmer: Bei einigen ist sie nichts weiter als ein reines Lippenbekenntnis.
Von den 21 unter die Lupe genommenen Banken - darunter so prominente Vertreter wie Goldman Sachs oder Citigroup - neigen nicht weniger als 19 dazu, die Aktien von Firmenkunden eher zum Kauf zu empfehlen. Mit Ausnahme von BNP Paribas sprechen die Banken zudem weniger häufig Verkaufsempfehlungen für Aktien von Unternehmen aus, zu welchen Geschäftsbeziehungen bestehen.
Goldman Sachs rät Anlegern beispielsweise 22 Prozent häufiger zum Kauf einer Aktie eines Firmenkunden als zu der eines Nichtkunden. Wer nun an eine zufällige Häufung solcher Kaufempfehlung denkt, der irrt. Denn ähnlich verhält es sich bei den Verkaufsempfehlungen: Aktien von Nichtkunden haben bei der mächtigen amerikanischen Grossbank eine um 26 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, zum Verkauf empfohlen zu werden als die von Firmenkunden. Ähnlich verhält es sich den Studienverfassern zufolge bei Barclays Capital.
Auf die Spitze treibt es die britische Investmentbank Liberum. Sie empfiehlt die Aktien von Unternehmen, zu welchen sie eine Geschäftsbeziehung unterhält, in 99 von 100 Fällen zum Kauf. Zum Verkauf rät sie bei keinem einzigen der börsenkotierten Firmenkunden, so legt die Studie offen.
Keine konkreten Aussagen macht die "Times" zu unseren Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse. Das wiederum lässt die Vermutung zu, dass die strikte Trennung der Aktienanalyse vom Firmenkundengeschäft bei beiden Banken weitestgehend funktioniert.
Dennoch sind die Studienergebnisse dem Ruf der Aktienanalysten alles andere als förderlich. Schon seit Jahren steht die Berufsgilde in der öffentlichen Kritik. Analysten seien Herdentiere und würden wenn, dann nur sehr reaktiv handeln, so wird der Gilde vorgeworfen.
Was die "Times" ausgegraben hat, zeigt einmal mehr, dass sich Anleger nicht blindlings auf Kauf- oder Verkaufsempfehlungen abstützen sollten. Oft liegt der Teufel im Detail - sprich in der Begründung des Analysten - oder eben, ob sein Arbeitgeber eine Geschäftsbeziehung zum jeweiligen Unternehmen unterhält. Eigentlich müssten die Studienergebnisse auch die Regulatoren hellhörig werden lassen.
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Seit dem Rücktritt von Martin Senn ist es ruhig um die Zurich Insurance Group geworden. Seit wenigen Tagen ist nun Mario Greco, seines Zeichens Chef beim italienischen Versicherungskonzern Generali, als Nachfolger im Gespräch. So weit, so gut. Doch scheint dessen Arbeitgeber mit allen Mitteln eine Abwanderung zur Zurich Insurance Group verhindern zu wollen.
Das erstaunt nicht, kann sich der Leistungsausweis von Greco doch sehen lassen. Seit seinem Amtsantritt im August 2012 haben sich die Aktien von Generali nahezu im Kurs verdoppelt.
Interessantes entnehme ich einem Kommentar aus dem Hause J.P. Morgan. Der als Koryphäe auf seinem Gebiet geltende Verfasser würde einen Wechsel von Mario Greco an die Spitze der Zurich Insurance Group sehr begrüssen. Als neuer starker Mann würde er sich den Problemen im amerikanischen Firmenkundengeschäft annehmen und der traditionsreichen Versicherungsgruppe eine neue Strategie verpassen, so ist sich der Experte sicher. Dennoch stuft er die Aktien bis auf weiteres nur mit "Neutral" und einem Kursziel von 278 Franken ein.
Unklar bleibt, ob ein Nachfolger von Martin Senn die überaus grosszügige Dividende kappen wird. In Anbetracht des milliardenschweren Überschusskapitals besteht eigentlich keine Notwendigkeit dazu. Allerdings kann es auch nicht sein, dass die Zurich Insurance Group für die reguläre Ausschüttung auf Dauer vom Überschusskapital zehren muss.
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