Nestlé dürfte laut Analysten das organische Wachstum im dritten Quartal gegenüber dem ersten Halbjahr (+8,1 Prozent) noch weiter beschleunigt haben. Dies zum einen aufgrund einer weniger starken Vergleichsbasis als noch im ersten Halbjahr, zum anderen vor allem aber auch dank fortschreitenden Preiserhöhungen. Einige Analysten halten sogar ein Pricing von um die 10 Prozent für möglich.

Vor diesem Hintergrund interessiert die Experten besonders auch die Entwicklung des Mengenwachstums RIG, das von der Teuerung gebremst werden könnte. Dabei gehen die Meinungen darüber auseinander, ob das RIG robust bleiben wird oder bereits in den negativen Bereich rutscht. Für eine positive Entwicklung sprechen solide Mengenentwicklungen in den Schwellenländern und die starken Marken von Nestlé. Für Rückgänge könnten dagegen die höheren Preiserhöhungen, die abnehmende Kaufkraft in Europa sowie noch nicht abgeklungene Lieferkettenschwierigkeiten sorgen. Im ersten Halbjahr hatte Nestlé gruppenweit die Volumen zwar noch um 1,7 Prozent gesteigert, in Nordamerika gingen sie allerdings bereits um 0,2 Prozent zurück.

Verbesserungen werden im dritten Quartal in China erwartet, wo sich die Umsätze etwas von den Lockdowns erholen sollten. Analysten erwarten zudem, dass sich der positive Trend fortsetzt, der sich bei der chinesischen Säuglingsnahrung im zweiten Quartal eingestellt hatte. Nestlé-Chef Mark Schneider hatte auf einer Konferenz Ende September bereits durchblicken lassen, dass er sehr zuversichtlich für das bisherige Sorgenkind ist.

Im Fokus stehen dürften bei den Quartalszahlen darüber hinaus Aussagen zur Margenentwicklung. Konkrete Gewinnzahlen gibt Nestlé in den ungeraden Quartalen aber keine bekannt. Für das Gesamtjahr muss laut dem Management mit einer Margensenkung auf rund 17 Prozent von 17,4 Prozent 2021 gerechnet werden. Grund dafür ist die verzögerte Weitergabe der erhöhten Inputkosten.

Höheres organisches Umsatzwachstum angepeilt

Nestlé hat zum Halbjahr seine Prognosen für das organische Umsatzwachstum erhöht: So rechnet der Konzern im Gesamtjahr mit einem organischen Umsatzwachstum von 7 bis 8 Prozent statt wie bisher mit "rund 5 Prozent". Bei der Marge dagegen ist das Management vorsichtiger geworden und stellt noch einen Wert von rund 17 Prozent in Aussicht. Zuvor war noch eine Betriebsgewinnmarge von 17,0 bis 17,5 Prozent erwartet worden.

Gewisse Hinweise zur Entwicklung der Marge lieferte Nestlé-Chef Mark Schneider Anfang Oktober in einem Interview mit "The Market": Als Gradmesser für die Weitergabe der Teuerung verwies er auf die Bruttomarge: Diese sei zwischen dem Geschäftsjahr 2020 und dem ersten Halbjahr 2022 um fast drei Prozentpunkte gesunken, sagte der Nestlé-Chef.

Analysten erwarten nun grundsätzlich eine Bestätigung der Margenguidance. Die Wahrscheinlichkeit sei allerdings gestiegen, dass die Konsenserwartungen zumindest leicht zu tief seien, heisst es etwa bei der ZKB. Dies angesichts des stärkeren Preiswachstums im zweiten Halbjahr und der Stabilisierung der Rohstoffkosten auf hohem Niveau in den vergangenen Monaten. Beim organischen Wachstum spekulieren einige Experten derweil auf eine Erhöhung, beziehungsweise auf eine Präzisierung am oberen Ende der Bandbreite von aktuell 7 bis 8 Prozent.  

Weitere Akquisen geplant

Künftig will der Börsenriese wieder stärker auf Akquisen setzen, wie Konzernchef Mark Schneider Anfang Oktober zu "The Market" sagte. "In jedem Geschäftsbereich sind wir zu Zukäufen bereit, auch wenn sie nicht zu den aufgezählten Kategorien zählen", so Schneider. Obwohl das Unternehmen grössere Akquisitionen nicht ausschliesst, sieht der CEO die grössten Chancen im Bereich kleiner und mittelgrosser Zukäufe. Im September kamen Gerüchte auf, dass Nestlé sich an dem indischen Startup Yoga Bar beteiligen wolle.

Nestlé hat Lisa Gibby per Anfang 2023 zur Kommunikationschefin und Stellvertretenden Generaldirektorin sowie zum Mitglied der Konzernleitung befördert. Die 53-jährige Amerikanerin leite künftig die Unternehmenskommunikation bei Nestlé, einschliesslich Media Relations, Public Affairs, Corporate Digital and Content sowie Employee Engagement, teilte der Nahrungsmittelkonzern im September mit.

E.coli-Bakterien beschäftigen Nestlé

Der Fall der mit E.coli-Bakterien verseuchten Buitoni-Pizzen beschäftigt Nestlé weiterhin stark. Im September gab ein französischer Anwalt bekannt, Nestlé Frankreich auf 250 Millionen Euro Schadenersatz zu verklagen. Er vertritt 55 Opfer. Anfangs April hatten Behörden die Herstellung von Pizzen in der Buitoni-Fabrik in Caudry verboten, nachdem es mehrere Fälle von Nierenversagen bei Kindern zu gab, die mit einer Kontamination mit E. coli-Bakterien von Tiefkühlpizzen in Verbindung gebracht werden.

Gemäss einer Stellungnahme vom 21. September hat der Konzern noch keine gerichtliche Vorladung erhalten. Die französische Nestlé-Tochter habe das Bakterium trotz Kontrollen nicht entdeckt, erklärte der Konzern damals auf Anfrage von AWP. Unmittelbar nachdem die Behörden Alarm geschlagen hätten, habe man allerdings reagiert und die notwendigen Massnahmen ergriffen. Im November soll eine der beiden Produktionslinie in Caudry den Betrieb wieder aufnehmen, sofern Nestlé von den Behörden grünes Licht dazu erhält.

Weiter sieht sich der Konzern in dem Fall auch heftiger Kritik der Gewerkschaft Force Ouvrière ausgesetzt, nachdem er eine Verringerung der Beschäftigtenzahl in der Pizzafabrik Buitoni im nordfranzösischen Caudry angekündigt hat.   - PRODUKTE & NEWS: Ein grosses Thema in den Medien war zuletzt auch Fleisch aus dem Labor. Auch Nestlé setzt auf diese Technologie und testet derzeit in seinen Laboren die Milchproteine der Firma Perfect Day, wie das Unternehmen Mitte September bekannt gab. An einer von Bernstein organisierten Konferenz sagte Nestlé-Chef Mark Schneider, er glaube fest an das Potenzial solcher Technologien. Momentan seien diese Produkte aber noch in den Kinderschuhen. "Sie kosten noch sehr viel und auch der Energieverbrauch für die Entwicklung ist sehr hoch", sagte er. "Ich glaube nicht, dass sich zellbasierte Produkte komplett durchsetzen werden." Aber mindestens als Ergänzung, zum Beispiel um pflanzliche Produkte schmackhafter zu machen, dürften sie sich laut Schneider behaupten.

Nestlé-Aktien kein «Fels in der Brandung»

Der Nahrungsmittelmulti hat Anfang Jahr ein neues Aktienrückkaufprogramm lanciert, in dessen Rahmen er bis Ende 2024 Aktien von bis zu 20 Milliarden Franken zurückkaufen will. Per 11. Oktober wurden Titel im Wert von rund 9 Milliarden Franken zurückgekauft, womit Nestlé bereits 45 Prozent des angestrebten Ziels erreicht hat.

Die Nestlé-Aktien gelten zwar in Krisenzeiten als "Fels in der Brandung", doch auch sie konnten sich zuletzt dem Abwärtssog des SMI (-20 Prozent seit Anfang Jahr) nicht entziehen. Seit Jahresbeginn haben sie rund 17 Prozent an Wert verloren. Letzte Woche markierten sie sogar ein neues Jahrestief bei 103,42 Franken.

(AWP)