"Das Zinsgespenst geht wieder um", kommentierte ein Händler das Börsengeschehen. Immer weniger Anleger glaubten daran, dass der US-Notenbank Fed im Kampf gegen die Inflation eine weiche Landung der US-Wirtschaft gelingt. Fed-Chef Jerome Powell versprach, die Zinsen so lange wie nötig und gegebenenfalls aggressiver zu erhöhen, bis die Inflation rückläufig sei. Nun preise der Markt eine weitere Straffung der Geldpolitik ein, was vor allem risikoreichere Anlagen belaste, hiess es.
Der SMI büsste am Ende 2,33 Prozent ein und schloss den Tag auf 11'309,49 Punkten ab. Während des Handels war der Index gar bis in den Bereich von 11'230 Zähler und damit auf den tiefsten Stand seit Anfang März eingebrochen. Damals hatte der Kriegsausbruch in der Ukraine die Börse fest im Griff. Am Berichtstag waren es aber vor allem Zinssorgen die auch den SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, um 2,17 Prozent auf 1759,01 Stellen absacken liessen. Der breite SPI verlor derweil 2,37 Prozent auf 14'507,66 Zähler. Am Ende standen im SLI nur drei Titel im Plus und der Rest gab nach.
Besonders schwer wogen die Abgaben von Nestlé (-5,0%). Ein negativer Kommentar der Bank Bernstein zu den Aussichten des Nahrungsmittelkonzerns sowie die schwachen Daten von Walmart und Target hatten den Kurseinbruch eingeläutet. Die anhaltend hohe Inflation und Engpässe in den Lieferketten dürften auch an Nestlé nicht spurlos vorbeigehen, befürchteten Marktteilnehmer.
Die rote Laterne trug bei den Blue Chips bis zum Schluss allerdings Julius Bär (-5,9%). Die Privatbank hat in den ersten vier Monaten des Jahres die garstige Marktlage zu spüren bekommen und musste Abflüsse von Kundengeldern hinnehmen. In den nächsten Jahren will Konzernchef Philipp Rickenbacher die Kosten deutlich senken und so die Margen sichern.
Auch andere Finanzinstitute, allen voran Versicherungen, gerieten an der Börse in den Abwärtssog: Zurich Insurance fielen um 4,1 Prozent, Swiss Life und Swiss Re gingen um je 3,5 Prozent zurück. Die Grossbanken Credit Suisse und UBS schlossen den Handel mit -1,7 beziehungsweise -1,4 Prozent ab.
Mit dem Vakuumspezialisten VAT (Aktie: -3,1%), dem Logistiker Kühne+Nagel (-4,1%) und dem Personalvermittler Adecco (-3,4%) zählten einmal mehr auch Wachstumswerte zu den grössten Verlierern. Bereits am Vortag hatten einige Zykliker auf den Verkaufszetteln der Börsianer gestanden.
Dagegen hielten die Pharmaschwergewichte Novartis (-1,5%) und Roche (-1,4%) die Abgaben in Grenzen. Und Titel wie jene des Bankensoftwareherstellers Temenos (+2,4%) oder des Hörgerätespezialisten Sonova (+1,3%) beendeten den Handel gar klar im Plus. Bei Temenos vermuteten Händler weitere Aufträge und allenfalls eine bevorstehende Rating-Hochstufung als kurstreibend.
Am breiten Markt büssten Sulzer 5,4 Prozent ein. Der Industriekonzern schliesst mit Blick auf die Sanktionen der polnischen Regierung die beiden Werke in Polen. Grund für die Sanktionen ist die Beziehung von Sulzer mit dem russischen Investor Viktor Vekselberg.
Klar tiefer gingen auch die Aktien des Reisdetailhändlers Dufry (-5,8%) aus dem Handel. Zwar hat sich das Geschäft in den Duty-Free-Läden weiter von den Folgen der Coronakrise erholt. Mit Blick in die Zukunft äusserte sich das Dufry-Management angesichts der Lockdowns in China und des Ukraine-Kriegs aber vorsichtig.
Clariant ging nach der Vorlage definitiver Jahreszahlen 2021 mit einem Minus von 1,3 Prozent aus dem Handel, während SoftwareOne (+5,2%) mit Quartalzahlen die Anleger überzeugen konnte. Und das Biotech-Unternehmen Evolva (+11%) behauptete sich mit einem positiven Geschäftsupdate noch deutlicher gegen den allgemeinen Trend.
mk/jb
(AWP)