"Nicht alle Triebwerksbauer haben früh genug mit dem Hochfahren der Produktion begonnen, obwohl wir es ihnen gesagt haben", sagte der Chef des weltgrössten Flugzeugherstellers Airbus, Guillaume Faury, der "Financial Times" auf der Luftfahrtmesse in Farnborough bei London. Der Manager schätzt, dass die Engpässe in den Lieferketten noch etwa ein Jahr andauern.

"Es ist überall schlecht", sagte Faury. Die weltweiten Lieferketten hätten echte Schwierigkeiten, normal zu funktionieren. "Und das ist nicht nur ein Problem der Luft- und Raumfahrt." Hinzu kämen der branchenweite Mangel an Arbeitskräften, die höhere Inflation und die gestiegenen Energiekosten.

Derzeit stünden bei Airbus 26 sogenannte Gleiter herum. So nennt man augenzwinkernd fast fertige neue Flugzeuge, denen nur noch die Antriebe unter den Tragflächen fehlen. Derzeit fertigt der Hersteller monatlich etwa 50 Exemplare seiner Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo, nachdem er die Produktion zu Beginn der Corona-Pandemie von etwa 60 auf 40 Stück gedrosselt hatte.

Bis kommenden Sommer will Faury den Ausstoss auf 65 Maschinen pro Monat hochfahren - schon das wäre ein Rekord. Bis 2025 soll die Produktion sogar auf monatlich 75 Stück wachsen - so prall sind die Auftragsbücher des Konzerns gefüllt. Doch die Triebwerksbauer hinkten dem schnellen Produktionsausbau zuletzt hinterher.

Dabei haben die Kunden der zweistrahligen A320neo-Jets die Wahl zwischen dem Leap-Triebwerk von CFM und dem Getriebefan-Antrieb von Pratt & Whitney. Auf beide Anbieter entfällt rund die Hälfte der Nachfrage. CFM gehört zu dem französischen Hersteller Safran und dem US-Konzern General Electric . An dem Antrieb der Raytheon-Technologies-Tochter P&W arbeitet auch der Münchner Triebwerksbauer MTU mit. Sowohl CFM als auch P&W hätten nach dem jüngsten Rückstand versichert, sie seien wieder auf Kurs, sagte Faury.

Das Airbus-Ziel von 75 monatlich Flugzeugen im Jahr 2025 droht allerdings zu wackeln. Pratt & Whitney werde die dafür nötige Zahl an Antrieben erst ab dem Jahr 2026 liefern können, sagte der zuständige Spartenchef von Pratt & Whitney, Rick Deurloo, am Dienstag in Farnborough.

Der Airbus-Rivale Boeing aus den USA hat bei seinem Mittelstreckenjet 737 Max nur mit CFM und dessen Leap-Triebwerk zu ringen. Denn das amerikanisch-französische Unternehmen liefert exklusiv alle Antriebe für den Flugzeugtyp, der in den Jahren 2019 und 2020 nach zwei tödlichen Abstürzen 20 Monate lang weltweit nicht abheben durfte. Inzwischen baut Boeing pro Monat wieder 31 Maschinen der Reihe, liegt damit aber noch weit unter dem Niveau aus der Zeit vor dem Flugverbot.

In Farnborough holte der Hersteller seit Montag neue Bestellungen herein, darunter ein Grossauftrag der US-Fluglinie Delta über 100 Exemplare. Dass Boeing die Produktion nicht stärker hochfährt, erklärte der Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal, am Sonntag ebenfalls mit dem Mangel an Triebwerken. Der Konzern richte seine Produktion an der Zahl der verfügbaren Antriebe aus.

(AWP)