Der Bitcoin notiert am Dienstag bei 65'740 Dollar und damit auf dem tiefsten Stand seit über einem Monat. Die nach Marktkapitalisierung grösste Digitalwährung erreichte Mitte März einen Rekordwert von fast 74'000 Dollar, als das Interesse an den neuen, börsengehandelten Bitcoin-ETFs ihren Höhepunkt erreichte. 

Nebst dem nachlassenden Interesse an den Bitcoin-ETFs ist die jüngste Kurskorrektur drei weiteren Faktoren geschuldet. Erstens wurden Kryptowährungen durch die relativ hohen Renditen für US-Staatsanleihen ausgebremst, da der Markt die Erwartungen auf Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed zurück schraubte. Als zweiter Umstand wird von Marktkommentatoren angeführt, die Impulse aus der anstehenden Zulassung von neuen Ethereum-ETF seien gering. Letzte Woche hatte die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) die Formulare für die Zulassung von mehreren Emittenten für Spot-Ethereum-ETF genehmigt.

Diese Genehmigung stellt einen bedeutenden Fortschritt zur Notierung von Ethereum-ETF-Produkten an den US-Börsen dar - analog wie dies bei den Bitcoin-ETF Mitte Januar der Fall war. Damit können auch Institutionelle Investoren wie Pensionskassen in diese ETF investieren. Bis die Ethereum-ETF allerdings zugelassen werden, dürften noch einige Wochen - wenn nicht Monate - vergehen. 

In die Betrachtung einzubeziehen ist als dritter Punkt die Outperformance der Kryptowährungen seit Jahresbeginn. Bitcoin und Ethereum überzeugen mit Kursgewinnen von 55 respektive 52 Prozent. Es scheint zunehmend unwahrscheinlich, dass diese Pace aufrechterhalten werden kann. Ein Blick auf die kleineren Coins wie Solana, Cardano oder XRP zeigt bereits eine deutliche Abkühlung der Stimmung. Von Januar bis März sind die Kurse dieser Tokens zum Teil um mehr als 100 Prozent in die Höhe geschossen. Seither hat sich aber Ernüchterung breit gemacht und im Vergleich zum Jahresbeginn stehen Cardano 34 Prozent, Polkadot 29 Prozent und XRP 20 Prozent tiefer.

Konsolidierung hält an

Die auf Kryptowährungen spezialisierte Amina Bank in Zug erwartet vorerst eine Fortsetzung der Konsolidierungsphase. Obwohl die Anleger ihre Akkumulationsmuster wieder aufnehmen, dürfte dies mit einer gewissen Volatilität vor der nächsten bedeutenden Bewegung einhergehen. Immerhin starten die stärkeren Kursschwankungen auf einem vergleichsweise tiefen Niveau. Die US-Investmentbank JPMorgan taxiert die annualisierte Preisvolatilität von Bitcoin in der ersten Monatshälfte im Juni auf 29 Prozent verglichen mit 51 Prozent im Mai.

Von den anderen Anlageklasse kommt vorerst auch keine weitere Unterstützung, da Aktien und Anleihen im zweiten Quartal 2024 bessere Renditen erzielten als Bitcoin. Dies ist eine Trendwende gegenüber dem ersten Quartal, als digitale Vermögenswerte die traditionellen Märkte deutlich übertrafen. «Kryptowährungen sind zunehmend makroökonomischen Auslösern ausgesetzt», sagte Caroline Bowler, Chief Executive Officer von BTC Markets gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Sie bleibt aber hinsichtlich der längerfristigen Aussichten optimistisch.

Der US-Vermögensverwalter Bernstein sieht den Wert von Bitcoin bis 2029 auf 500'000 Dollar steigen, da die hohe Nachfrage nach Bitcoin-ETF auf ein begrenztes Angebot trifft - cash.ch berichtete hier. Die Krypto- und Tech-freundliche Investorin Cathie Woods hält derweil an ihrem Kursziel von 3,8 Millionen Dollar pro Bitcoin im Jahr 2030 fest. Bis Ende Jahr sehen verschiedene Marktteilnehmer 100'000 Dollar als realistischeres Kursziel. 

Wählerisch sein ist das Gebot der Stunde

Diese spektakulären Bitcoin-Kursziele täuschen über die veränderten Marktbedingungen hinweg. Der aktuelle Marktzyklus unterscheidet sich von früheren, in denen ein Bitcoin-Preisanstieg auch die meisten Altcoins nach oben trieb. Derzeit werden weitaus mehr Projekte auf dem Markt gehandelt und es besteht nicht genug Nachfrage, damit die Preise aller nach einem Anstieg des Bitcoin-Preises gemeinsam nach oben gehen, schreibt die Amina Bank. Im Gegensatz zu früheren Bullenmärkten, in denen alle Kryptowährungen gemeinsam stiegen, funktioniert diesmal ein einfaches Halten als Bullenmarkt-Strategie möglicherweise nicht.

Die Fundamentalanalyse wird auf dem Kryptowährungsmarkt nicht allzu häufig verwendet, da viele Anleger spekulativ unterwegs sind und die kurzfristige Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Statt auf langfristige Trends zu setzen, reagieren Spekulantinnen und Spekulanten vielfach nur auf Marktstimmungen. Aber die Kryptoszene entwickelt sich und dies erfordert zunehmend ausgefeiltere Anlagestrategien inklusive Risikomanagement.

Entscheidend ist die selektive Auswahl. Eine Due Diligence und Expertenrat wird immer wichtiger, um sich in diesem Universum zurechtzufinden. Die Amina Bank hat dazu eine klare Meinung: «Da in immer mehr Sektoren und Projekten mit Token gehandelt wird, ist es für Anleger zunehmend wichtiger, bei der Kapitalallokation wählerisch zu sein.»

Thomas Daniel Marti
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