cash.ch: Herr Demuth, Bitcoin steigt seit der Wahl von Donald Trump von Rekord zu Rekord. Überrascht?
Eric Demuth: Es ist ein klares Zeichen für die anhaltende Veränderung und Weiterentwicklung innerhalb der Finanzwirtschaft. Der Preis wird von einer sich beschleunigten Adoption von Kryptowährungen - und insbesondere Bitcoin - sowohl im Retail als auch im institutionellen Bereich getrieben. Durch zunehmende Regulierung und Nachfrage nach Kryptowährungen fliesst vermehrt Kapital von den etablierten Kapitalmärkten in diese Anlageklasse. Natürlich hat der Ausgang der US-Wahl einen erheblichen Einfluss auf das Erreichen des Allzeithochs gehabt. Mit Donald Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten werden wir einen stärkeren regulatorischen Rahmen für den Kryptomarkt sehen, was ein positiver Schritt ist. Die kommende republikanische Regierung wird wahrscheinlich einen offeneren und liberaleren Regulierungsansatz umsetzen als der Rahmen, den eine demokratische Regierung möglicherweise geschaffen hätte.
Wann haben Sie jetzt zum letzten Mal Bitcoin oder andere Kryptowährungen gehandelt?
Eric Demuth: Ich mache immer etwas ab und zu, aber ich bin ja schon sehr, sehr lange in Kryptowährungen investiert. Daher muss ich nicht etwas noch zu Ewigkeiten nachkaufen. Ich bin auch nicht der Typ, der auf eine günstige Gelegenheit zum Verkauf wartet. Wir haben unsere Debitkarte, welche direkt mit dem Kryptoguthaben verbunden ist. Ich nutze damit das bestehende Visa-Netzwerk, das heisst: Der Händler erhält seine Euros und kriegt gar nicht mit, womit ich zahle. Ich kann mir auch jederzeit aussuchen, womit ich zahle. Ich kann mit Aktien zahlen, mit Dollar oder mit Bitcoin oder Ether, es ist völlig egal womit. Ich nutze Kryptos im ganz normalen Alltag.
Sie haben einmal gesagt, Bitcoin sei für Sie digitales Gold. Ist es nun Wertaufbewahrungsmittel für Sie oder Zahlungsmittel?
Es ist weiterhin so etwas wie Aktien oder Gold, also eher Assetklasse oder Wertspeicher. Aber dennoch etwas, das man jederzeit versenden und ausgeben kann. Im digitalen Zeitalter sollte man jedes Asset, das einen Wert hat und handelbar ist, auch ausgeben können. Entsprechend macht das für mich keinen Unterschied.
Es gibt immer wieder horrende Schätzungen von Bitcoin-Preisen. Was halten Sie davon?
Ich sage es ja ungern, aber die Antwort kennt niemand wirklich. Ich versuche, das immer rational zu sehen. Wenn ich Aktien kaufe, dann habe ich einen Anlagehorizont von mehreren Jahren, das heisst mindestens fünf, eher zehn oder 20, vielleicht 40 oder 50 Jahre. Bei Krypto ist das ähnlich. Ich schaue mir an, wie die Vorzeichen sind. Durch neue Regulierung, welche die EU eingeführt hat, ist die Nachfrage nicht weggebrochen. Im Gegenteil, es kommen ja immer mehr Leute dazu, die in Krypto investieren wollen. Dadurch kommen nun auch Banken und sagen: «Hey, das wollen wir unseren Kunden auch anbieten». Oder sie wollen ihre Produkte digitalisieren oder tokenisieren. Es gibt also mehr Interesse und Ströme, sei es die Infrastruktur oder das Trading. Entsprechend deute ich die Vorzeichen sehr positiv für die Zukunft.
Bitcoin-Abstürze von 70 Prozent wie 2022: Ist das noch immer möglich?
Ich halte das für sehr unwahrscheinlich, gerade auch weil viel institutionelles Geld in den letzten Jahren hereingekommen und weil der ganze Markt einfach erwachsener geworden ist. Wenn wir uns vor zehn Jahren unterhalten hätten, dann hätte ich eher gesagt: Doch, das kann auch morgen passieren. Mit jedem Jahr nehmen die starken Schwankungen in dem Masse ab, je grösser der Markt wird. Wir erhalten im nächsten Jahr auch eine Regulierung in den USA, die zusätzliche Sicherheit bietet. Unser Infrastrukturprodukt BTS (Bitpanda Technology Solutions, Anm. der Red.), welches wir den Banken zur Verfügung stellen, wird in den nächsten Jahren auch in den USA mehr und mehr nachgefragt werden. Denn durch die neue Präsidentschaft wird es dort im nächsten Jahr mehr Regulierung geben, die einen Aufschwung begünstigt.
Ihre berufliche Karriere ist ziemlich bemerkenswert: Zuerst waren Sie Hochsee-Schiffsmechaniker und wollten Kapitän werden, dann haben Sie BWL studiert und sind dann via Pokerspiel zu den Kryptowährungen gekommen...
(unterbricht) Ganz so simpel ist es jetzt nicht. Ich komme eigentlich aus dem Online- oder Gaming-Bereich, also eSports. Damals musste ich mit dem Röhrenmonitor durch das ganze Land fahren, um auf Turnieren spielen zu können. Dann hat man mal vielleicht einen Computer oder so etwas gewonnen. Heute ist das eine Milliardenindustrie. Aber ich habe meine ganze Jugend im Prinzip vor dem Computer verbracht. Zwischendurch ein bisschen Tennis. Ich musste zum Glück nicht viel lernen.
Und dann?
Viele Leute, die extrem gut in Strategie-Computerspielen waren, sind Online-Poker-Profis geworden, als es ab 2006 einen Boom gab. Denn in beiden Bereichen ist sehr gutes mathematisches Verständnis gefragt. Zwei meiner besten Freunde waren sehr gute Profi-Poker-Spieler - so bin ich da reingerutscht. Die Kombination von Computer, Internet, meiner Affinität für Zahlen und für die Börse seit der Jugendzeit und schliesslich das Aufkommen des Bitcoins führte mich dann hierher. Das Poker ist eigentlich eine lustige Beigeschichte.
Dann haben sie 2014 Bitpanda gegründet, zuerst als Handelsplattform für Kryptowährungen. Im Laufe der Zeit kamen andere Angebote dazu: Edelmetalle, Wertschriftenhandel, eine Debitkarte. Mittlerweile kann man via Steelcoin auch Stahlhandel betreiben. Wird Bitpanda zu einer Bank?
Nein. Aber wir haben uns tatsächlich zwei Banken angeschaut, die wir kaufen wollten. Wir haben uns auch überlegt, ob wir selber eine bauen sollten. Schliesslich entschieden wir uns dagegen, weil es uns massiv verlangsamt und verschlechtert hätte. Eine Bank ist ein grosses Gewicht, das wir nicht mit uns herumtragen wollen. In unserem Metier stehen Flexibilität, Agilität und das Bauen von neuen, innovativen Produkten im Mittelpunkt. Partnerschaften ermöglichen den Zugang zu den Features von Banken. Wir haben gesagt: Jede Anlageklasse, die es gibt, soll bei uns einfach handelbar sein.
Wollen Sie sich mit der Strategie weniger abhängig machen von der Volatilität des Kryptomarktes?
Nein. Wir wollen einfach, dass man alles auf einer Plattform kaufen oder verkaufen kann, von Aktien bis Kryptowährungen.
Sie haben das Infrastukturprodukt BTS von Bitpanda erwähnt, dort sind mehr als 300 Programmierer beschäftigt. Ist oder wird das nicht das eigentliche Geschäft von Bitpanda anstelle des Broker-Geschäfts?
Die Zahlen sagen heute etwas anderes. Aber es kann sein, dass das in fünf Jahren drehen wird, weil es auch ein Skalierungs-Game ist. Amazon Web Services ist auch so gestartet. Wir haben die ganze Infrastruktur für uns selbst gebaut. Nun ist unsere App und unsere Web-App eigentlich so etwas der grösste Kunde von unserer eigenen Infrastruktur. Es liegt auf der Hand, dass wir die Infrastruktur anderen Leuten und anderen Banken anbieten können. Was auch gelingt. Ich glaube, dass wir in fünf Jahren eine ganz andere Balance haben punkto Revenue-Stream.
Sie hatten 2019 eine Million Kunden gehabt, dann vier 4 Millionen 2023 und zuletzt ungefähr fünf Millionen. Woher kommt das Wachstum?
Im Prinzip holen wir den Mainstream-User ab. Wir haben in Österreich mehr Menschen mit einem Bitpanda-Account als Menschen, die überhaupt Aktien besitzen. Dabei würde ich jetzt mal behaupten, dass Kryptos ein bisschen schwieriger nachzuvollziehen sind als Aktien. Aber wenn man das Produkt so gestaltet, dass es intuitiv ist, kann man sich zehnmal einfacher und ohne Erklärung durchnavigieren.
Sie machen extrem viel Werbung im Sport: Eishockey-WM, Kooperationen mit Bayern München und AC Milan, Davis Cup, Stan Wawrinka und Dominic Thiem als Aushängeschild im Tennis und so weiter. Zahlt sich das aus?
Ja, denn wenn das nicht so wäre, würden wir das nicht machen. Unsere Werbung muss sehr effizient sein. Wenn wir das Ganze vor fünf Jahren gemacht hätten, wäre es wohl sinnlos gewesen. Heute sind wir viel mehr am Massenmarkt angekommen, und dann ist die Zeit eben reif dafür.
Sie sehen den Hauptwachstumsbereich schon in Europa?
Absolut. Man muss dabei eine Kontinuität und Beständigkeit aufweisen. Man muss gute Bankpartner an Bord haben, die einem vertrauen. Wir sind nun in 15 verschiedenen Ländern reguliert. Wir haben die meisten Lizenzen in ganz Europa. Die ersten Schritte, die wir nun in Dubai unternommen haben, waren ganz und gar B2B-Geschäfte – und dies innerhalb nur sehr kurzer Zeit.
Haben Sie auch Pläne in der Schweiz?
Ja, zwar nicht operativ aus der Schweiz heraus. Aber in der Schweiz haben wir einige Kunden, und was das Wachstum anbelangt, läuft es wirklich sehr gut hier.
Die Schweiz war zum Beispiel mit dem Crypto Valley sehr innovativ...
War, stimmt...
Das ist demnach nicht mehr so.
Am Anfang haben einige Firmen viel unternommen, um eine konstante Gesetzgebung zu erhalten. In dieser Beziehung wurde dann auch ein bisschen etwas gemacht, worauf Stiftungen wie Ethereum gegründet wurden. Danach kam nicht mehr viel. Ich kenne kaum neue Stiftungen oder grosse Foundations in irgendeiner Form, die in den letzten drei bis fünf Jahren aus der Schweiz gekommen sind. Da passiert aktuell zu wenig. Entweder zogen die Leute ins europäische Ausland oder nach Dubai oder Singapur.
Bitpanda hatte letztes Jahr 150 Millionen Euro Umsatz und einen Gewinn vor Steuern von knapp 14 Millionen. Sie haben vor einigen Monaten gesagt, 2024 werde ein Rekordjahr. Können Sie genauer werden?
Es gab nicht viele Firmen im Fintech-Bereich, die überhaupt profitabel waren im letzten Jahr. Bei uns war es das Resultat der Arbeit von 2022, als wir wirklich einen «harten Cut» gemacht und uns reformiert haben. 2024 werden wir mehrere hundert Millionen Euro Umsatz machen. Auch der Gewinn vor Steuern wird deutlich höher sein als letztes Jahr.
Der Marktwert von Bitpanda lag bei rund 4 Milliarden Euro vor drei Jahren. Heute?
Das ist wirklich schwer zu sagen. Wenn Sie die Frage vor einem Jahr oder vor eineinhalb Jahren gestellt hätten, dann wäre die Antwort wahrscheinlich nicht so gut gewesen. Aus heutiger Sicht, wo wir auch regulatorisch wirklich extrem gut aufgestellt sind und der Markt wieder zurückgekommen ist, halte ich es für nicht unrealistisch, dass wir wieder in den Regionen von 4 Milliarden Euro sind.
Dann würde es sich ja decken mit der Meldung von Bloomberg von letzter Woche, die besagte, dass es vier Milliarden sind - und dass ein Börsengang in Frankfurt bevorsteht. Stimmt letzteres?
Nein, warum soll ich in Frankfurt an die Börse gehen? Also, nee. Was stimmt: Wir haben seit zwei oder drei Jahren ein IPO-Readiness-Programm. Wir sollten diesen Prozess auch jederzeit starten können. Wir haben uns das immer näher angeschaut, und es ist ja auch nicht verwerflich, dass man sich dafür bereit macht.
Also Sie stehen jetzt nicht unmittelbar vor dem IPO?
Das ist ein kontinuierlicher Prozess über Jahre. Wir schauen uns das an und wir beschäftigen uns in diesem Jahr intensiver damit. Aber ob man es letztendlich macht und schliesslich auf den Knopf drückt, ist wieder ein anderes Thema. Es ist noch alles offen.
Einen Börsenplatz Schweiz für Bitpanda, können Sie sich das vorstellen?
Das kann ich mir auch vorstellen. Es kommt auch auf die Liquidität an. Und die Investmentbanken müssen abwägen, wo die richtigen Investoren für das Produkt sind.
Sie haben ja in der Schweiz die Bitpanda Group gegründet, also eine Holding-Gesellschaft. Welchen Zweck hat sie?
Wir kommen ursprünglich aus Österreich, einem Bürokraten-Paradies. Wenn man ausländische Investoren hat und wegen jedem Detail zum Notar rennen muss, dann ist das irgendwann sehr anstrengend. Und wenn man eine gewisse Reife erlangt und professionelle Investoren hat, muss man sich ebenso professionell aufstellen. Deutschland und Österreich sind in Sachen Gesetzgebung nicht so gut aufgestellt für internationale Investoren. Entsprechend haben wir die Bitpanda Group in der Schweiz aufgesetzt.
Der Wagnisfinanzierer Valar Ventures rund um Tech-Milliardär Peter Thiel gehört zu den Investoren von Bitpanda. Können Sie weitere Details zu den Besitzverhältnissen machen?
Wir Gründer besitzen noch immer mehr als 50 Prozent. Das ist extrem selten. Wir holten erst sehr spät externe Investoren herein. Das hat sich ausgezahlt, es lässt sich relativ gut und entspannt arbeiten. Und die Leute, die im Board sitzen, kommen auch gut damit klar.
Was beschäftigt Sie derzeit rund ums Geschäft?
Ich frage mich, wie hart die Regulatoren in Europa wirklich gegen die ganzen unregulierten ausländischen Börsen vorgehen, welche hier trotzdem ihre Kunden haben und sich einfach Payment-Gateways in Europa suchen. Die Regulatoren haben 2021 einfach alle machen lassen, weil sich niemand zuständig gefühlt hatte. Ich bin sehr gespannt, wie dies im neuen Jahr mit MiCa (Markets in Crypto-Assets Regulation, sie soll einen einheitlichen Regulierungsrahmen für den Kryptosektor innerhalb der EU schaffen, Anm. er Red.) ausschaut. Und ob man sich da wieder auf der Nase herumtanzen lässt.
Eric Demuth (37) stammt aus einer ländlichen Gegend nördlich von Hamburg. Nach einer Ausbildung zum Schiffsmechaniker auf Containerschiffen von Hapag-Lloyd studierte er an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der London School of Economics. 2014 gründete er gemeinsam mit Paul Klanschek und Christian Trummer in Wien die digitale Kryptobörse Bitpanda. Sie wurde Österreichs erstes "Unicorn", also ein nicht-börsenkotiertes Start-up-Unternehmen, das eine Bewertung von über einer Milliarde Dollar oder Euro aufweist.