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Auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt stand das Geschehen in den letzten Tagen ganz im Zeichen von Nvidia. Der amerikanische Chipgigant richtete Mittwochnacht erwartungsgemäss mit der ganz grossen Kelle an.

Der Umsatz stieg gegenüber dem ersten Quartal um fast 90 Prozent auf 13,5 Milliarden Dollar. Analysten waren durchschnittlich bloss von 11 Milliarden Dollar ausgegangen. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 2,70 Dollar je Aktie beim Unternehmen hängen, was ebenfalls weit über den erwarteten 2,07 Dollar je Aktie liegt.

Nicht eben weniger eindrucksvoll lesen sich die firmeneigenen Vorgaben fürs laufende Quartal. Nvidia stellt im Vergleich zum letzten Quartal nochmals ein kräftiges Umsatzplus von knapp 20 Prozent auf 16 Milliarden Dollar in Aussicht. Von den Aussagen zur Bruttomarge lässt sich auf einen Gewinn von 3,33 Dollar je Aktie schliessen. Dem stehen Analystenschätzungen von 12,5 Milliarden Dollar respektive 2,38 Dollar je Aktie gegenüber.

Ganz unbestritten: Der ganze Hype rund um die jüngsten Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz sorgt für randvolle Auftragsbücher. Man muss den Firmenlenkern bei Nvidia aber ein Kränzchen winden. Denn der Chipgigant kann die bestellten Chips auch liefern – und das in rauen Mengen.

Kursentwicklung des Überfliegers Nvidia in den letzten vier Wochen (Quelle: www.cash.ch)

Alle diese Neuigkeiten dürften nicht nur die langjährigen Aktionäre des Chipgiganten verzücken. Wie Erhebungen der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs zeigen, kauften Marktakteure im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung unter dem Strich für 30 Milliarden Dollar Nvidia-Aktien zu. Auch die Nachfrage nach Call-Optionen war riesig, den Spekulationen auf ein starkes zweites Quartal sei Dank. Hedgefonds und Kleinanleger hätten gleichermassen beherzt zugelangt, wie mir berichtet wird. Man könnte folglich schon fast von einer Ergebnisüberraschung mit Ansage sprechen.

Und so kam es, wie es kommen musste: Wurden bei den Aktien von Nvidia gestern Donnerstag vorbörslich in der Spitze Kurse von 500 Dollar und mehr bezahlt, gaben sie die Gewinne im weiteren Handelsverlauf weitestgehend wieder ab. Auch an der Börse gilt anscheinend: Zu viele Köche – oder aber zu viele Spekulanten - verderben den Brei.

Meine Vermutung ist übrigens, dass es sich bei den vielen Aufträgen, die seit Monaten bei Nvidia eingehen, um Panik bei den Abnehmern handelt und die jetzt eintreffenden Aufträge ab dem vierten Quartal dieses Jahres irgendwann fehlen könnten. Mehr Umsätze heute bedeuten möglicherweise weniger Umsätze morgen. Es wäre daher töricht, die hohen Wachstumsraten der letzten Monate linear in die Zukunft zu extrapolieren.

Im Windschatten von Nvidia wurden auch die Valoren von hiesigen Sensorenherstellern wie AMS Osram, U-blox oder Sensirion oder jene der drei Halbleiterausrüster Comet, Inficon und VAT Group gekauft. Die Rechnung für letztere drei ist denkbar einfach: Müssen führende Chiphersteller wie Nvidia in neue Produktionskapazitäten investieren, klingelt auch bei ihnen die Kasse.

Die Euphorie unter den Marktakteuren hielt sich allerdings in Grenzen. So richtig Kauflaune wollte nicht aufkommen. Grössere vorbörsliche Umsätze in Call-Warrants wie AMZHJB auf AMS Osram, CFRXJB auf Richemont oder PGYKJB auf Partners Group – allesamt sogenannte "High-Beta-Aktien" - ebbten ziemlich schnell wieder ab.

Sowieso scheint der ganze KI-Hype in New York anderen Börsen rund um den Globus das Wasser abzugraben – auch dem Schweizer Aktienmarkt. Dass der SMI auf einen Wochengewinn von immerhin einem Prozent zusteuert, ist nicht zuletzt den beiden Schwergewichten UBS und Roche zu verdanken.

Am Mittwoch gehörte Roche mal eben für gefühlte fünf Minuten die mediale Bühne. Die Pharma- und Diagnostikgruppe musste einräumen, dass eine Zwischenanalyse der Tiragolumab-Studie durchgesickert sei. Und obwohl führende Pharmaanalysten eher unterkühlt auf den Inhalt der Zwischenanalyse reagierten und vor zu viel Euphorie warnten, notierten die Genussscheine von Roche am Mittwoch zeitweise mit mehr als fünf Prozent im Plus.

Für Analystin Emily Fields von Barclays bewegt sich die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten nur in etwa im Rahmen der Erwartungen. Ihres Erachtens sind die Informationen zu bruchstückhaft, um verlässliche Rückschlüsse auf die endgültigen Studienergebnisse ziehen zu können. Diese sollten dann erst im ersten Quartal nächsten Jahres vorliegen. Bis dahin stuft die Pharmaanalystin die Genussscheine mit "Equal Weight" und einem Kursziel von 270 Franken ein.

Kursentwicklung der Bons von Roche seit Januar (Quelle: www.cash.ch)

Ihr Berufskollege Michael Leuchten bei der UBS begegnet der Krebstherapie Tiragolumab sogar mit Skepsis. Für ihn steht weiterhin die Frage im Raum, was Roche vorhat, um der eigenen Forschungs- und Entwicklungspipeline nach den mehreren Rückschlägen endlich neuen Schwung verleihen zu können. Die Genussscheine werden bei der Grossbank mit "Neutral" und einem 12-Monats-Kursziel von 280 Franken eingestuft.

Noch ist unklar, ob die Basler aufgrund des Datenlecks mit Konsequenzen rechnen müssen. Für ein Pharma-Urgestein vom Schlag von Roche ist ein ungetrübtes Verhältnis zu den Zulassungsbehörden jedenfalls einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren überhaupt.

Das kurze aber heftige Kursfeuerwerk zeigt, wie unterinvestiert ausländische Grossinvestoren bei hiesigen Schwergewichten wie Nestlé, Roche oder Novartis eigentlich sein müssen.

Auf Kaufinteresse aus dem Ausland stossen momentan eigentlich nur die Aktien der UBS. Mit 22 Franken kosten die Valoren der grössten Schweizer Bank so viel wie letztmals vor gut acht Jahren. Im Hinblick auf die Quartalsergebnisveröffentlichung vom kommenden Donnerstag laufen die Spekulationen regelrecht aus dem Ruder. Diese ranken sich insbesondere um die Zukunft des Schweizer Geschäfts der übernommenen Credit Suisse. Laut Medienberichten steht eine Ausgliederung und (Teil-)Abspaltung nicht länger zur Diskussion.

Im Hinblick auf den nahenden Wahlherbst dürfte die heikle Aufgabe für Firmenchef Sergio Ermotti vor allem darin liegen, der Öffentlichkeit diesen Entscheid möglichst gut zu verkaufen. Sowieso gehe ich davon aus, dass er und seine Geschäftsleitungskollegen den Ball absichtlich flach halten werden. Ich rechne daher eher mit einem sogenannten "Kitchen-Sinking" – sprich: dass die UBS milliardenschwere Rückstellungen bildet und wo nur möglich Abschreibungen vornimmt. Die Wiederaufnahme des pausierten Aktienrückkaufprogramms dürfte dann erst nach dem Wahlherbst kommen, vermutlich mit der Veröffentlichung des Jahresergebnisses im nächsten Frühjahr.

Wie die Kursentwicklung der letzten Tage verrät, wird sich die Börse aber schon jetzt zunehmend bewusst, was für ein Schnäppchen die UBS mit der Credit-Suisse-Übernahme machen konnte und was für einen Quantensprung diese für die grösste Schweizer Bank eigentlich bedeutet.

Kommen wir an dieser Stelle noch kurz auf GAM zu sprechen. Kurz vor Ablauf der Angebotsfrist zeichnet sich eine Schlappe für die britische Liontrust ab. Angeblich wurde ihr bloss etwas mehr als ein Drittel des ausgegebenen Aktienkapitals und der Stimmrechte angedient. Das liegt meilenweit unter der angestrebten Zweidrittelmehrheit.

Es scheint, als sei die oppositionelle Aktionärsgruppe um den französischen Telekom-Milliardär Xavier Niel in den letzten Tagen endlich zu den anderen Mitaktionären durchgedrungen. Doch nun müssen auf Worte auch Taten folgen, drängt die Zeit doch. Das Geld bei GAM wird knapp. Es muss rasch neues her, wie es die besagte Aktionärsgruppe kürzlich zumindest schon mal in Aussicht gestellt hatte. Das ist auch in ihrem eigenen Interesse, hält sie doch selber rund 10 Prozent am Unternehmen.

Dass sich die Aktionärinnen und Aktionäre von GAM der britischen Liontrust gegenüber verweigert haben, ist mutig. Bleibt zu hoffen, dass dieser Mut belohnt und nicht bestraft wird. Es geht beim Vermögensverwalter bekanntlich um nichts Geringeres als ums nackte Überleben.

Vermutlich verkommen die GAM-Aktien jetzt erst recht zum Spielball von Spekulanten. Wer beim Vermögensverwalter nicht schon seit Jahren an Bord und auf den seinerzeitigen Einstandskurs bezogen "weit unter Wasser" ist, dem dürften in den nächsten Tagen und Wochen Nerven wie Drahtseile abverlangt werden.

Harren wir der Dinge, die da kommen. Eventuell mehr dazu nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

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