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Notenbank-Chef Ben Bernanke hat mit seiner Rede an den Finanzmärkten für sehr viel Unruhe gesorgt. Sind nun die Tage der expansiven Zins- und Geldpolitik in Übersee gezählt?

Schon seit Monaten schwört die US-Notenbank die Finanzmärkte auf ein Ende des billigen Geldes ein. So deutliche Worte wie in seiner jüngsten Rede fand Notenbank-Präsident Ben Bernanke allerdings noch nie: Erstmals wurden der Öffentlichkeit konkret wirtschaftliche Zielgrössen genannt, bei welchen die Währungshüter ihr Rückkaufprogramm für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken zurückfahren oder gar abschliessen wollen. Vermutlich will die US-Notenbank die Finanzmärkte auf diesen Tag vorbereiten. Noch steht ein zins- und geldpolitischer Kurswechsel nicht unmittelbar bevor.

Was spricht gegen einen baldigen Kurswechsel?

Schon seit Wochen fallen die Meldungen aus Übersee mehrheitlich besser als erwartet aus. Dies allerdings nur auf den ersten Blick. Der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Darf man einigen Unterindikatoren Glauben schenken, dann hat sich die amerikanische Wirtschaft zuletzt sogar eher wieder verlangsamt. Das reale Wachstum bleibt in den USA vorerst bescheiden und die Situation verletzlich. Die US-Notenbank wird sich davor hüten, die Wirtschaftsstimuli zu früh zurück zu fahren.

Welche Gründe bewegte Notenbank-Chef Ben Bernanke zu seinen jüngsten Aussagen, wenn nicht die zuletzt besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen?

Im Gremium des Offenmarktausschusses regt sich schon seit Monaten Widerstand gegen eine ungebremste Fortsetzung des Rückkaufprogramms für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken. Einige Notenbank-Gouverneure gingen in den letzten Wochen an die Öffentlichkeit und warnten vor Übertreibungen. Die Vertreter der US-Notenbank werden sich der Gefahr spekulativer Blasen zunehmend bewusst. Denn diese stellen die finanzielle Stabilität der USA in Frage.

Gegen Ende letzter Woche versuchten einige Notenbank-Gouverneure die Aussagen ihres Präsidenten zu relativieren. Wieso dieses Verwirrspiel?

Nicht zum ersten Mal treffen aus dem Inneren der US-Notenbank widersprüchliche Signale ein. Dies zeigt, wie gespalten der Offenmarktausschuss ist. Ich gehe allerdings sogar noch einen Schritt weiter, und vermute, dass das Verwirrspiel Absicht ist. Mit den widersprüchlichen Signalen sollen die Finanzmärkte auf ein zukünftiges Ende des billigen Geldes vorbereitet werden. Wie nervös die Märkte geworden sind, zeigt die Reaktion auf die Rede von Notenbank-Chef Ben Bernanke.

Angeblich sucht das Weisse Haus nach einem Nachfolger von Notenbank-Chef Ben Bernanke. Was wird sich bei der US-Notenbank unter einem Nachfolger ändern?

Mit einem Kurswechsel bei der Zins- und Geldpolitik der US-Notenbank ist aus heutiger Sicht nicht zu rechnen. Dem Offenmarktausschuss gehören mehrheitlich Vertreter an, die sich zu einer expansiven Geldpolitik bekennen. Auch der bisherige Notenbank-Chef Ben Bernanke machte nie ein Geheimnis daraus, diesem Lager anzugehören. Es darf angenommen werden, dass sein Nachfolger sehr ähnlich ticken wird.

Tritt die US-Notenbank bei der bisherigen Zins- und Geldpolitik überhaupt irgendwann auf die Bremse?

Früher oder später wird sie dies tun müssen. Denn die Folgen der expansiven Zins- und Geldpolitik der US-Notenbank beschränken sich nicht auf den Heimmarkt. Die spekulativen Blasen häufen sich weltweit. So wie bisher wird es nicht weitergehen können. Gerade der Einbruch an den Edelmetallmärkten lässt vermuten, dass es der US-Notenbank ernst ist. Noch bis vor wenigen Wochen traten beim Gold zahlreiche Zentralbanken als Käufer in Erscheinung. Und obschon das Edelmetall seither noch einmal deutlich im Preis zurückgefallen ist, sind diese Käufe nicht mehr sondern weniger geworden.

Was sagt uns das?

Die Zentralbanken der führenden Wirtschaftsnationen sind heutzutage gut vernetzt. Man spricht regelmässig miteinander. Manchmal formell, manchmal informell. Es darf vermutet werden, dass einige Zentralbanken beim Verwirrspiel der US-Notenbank der letzten Wochen besser durchblicken als wir Normalsterblichen. Dasselbe ist möglicherweise auch am Hauptsitz von Goldman Sachs der Fall. Ich bin zwar kein Verschwörungstheoretiker. Aber es ist kein Zufall, dass in nahezu allen wichtigen Wirtschaftsgremien ehemalige Mitarbeiter der mächtigen Investment Bank zu finden sind. Immerhin warnte Goldman Sachs als eine der ersten Banken vor einem Kollaps an den Edelmetallmärkten. Und obschon der Einbruch beim Gold und Silber auf kurze Sicht übertriebene Formen angenommen hat, so ist seine Signalwirkung unmissverständlich: Irgendwann ist trotzdem Schluss mit dem billigen Geld.

Und was heisst das für die Anleger?

Am besten, dass sie sich heute schon auf eine weniger expansive Zins- und Geldpolitik der führenden Zentralbanken einstellen. Auch wenn eine solche noch auf sich warten lässt. Ich kann mir vor diesem Hintergrund nicht vorstellen, dass die Finanzmärkte in den kommenden Wochen und Monaten einfach so zum «Courant normal» zurückfinden werden. Gerade die Aktienmärkte werden irgendwann von einer liquiditäts- in eine gewinngetriebene Hausse übergehen müssen. Und für gewöhnlich gelingt dieser Übergang den Märkten nicht ganz so reibungslos. Anleger sollten sich deshalb auf nervöse und von Stimmungsschwankungen geprägte Monate einstellen.