Ich muss zugeben, die Überschrift meiner heutigen Kolumne ist ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Als mir gestern Nachmittag ein Kommentar der Espirito Santo Investment Bank zur UBS zugetragen wurde, konnte ich der Versuchung jedoch nicht widerstehen. Denn Espirito Santo bedeutet auf Portugiesisch so viel wie heiliger Geist.

Interessant ist der Kommentar deshalb, weil die Verfasser die mit einem neu 20,60 (20,40) Franken zum Kauf empfohlenen Papiere der Schweizer Grossbank darin vehement verteidigen. In den letzten Wochen habe der Markt eine überraschend gedämpfte Erwartungshaltung entwickelt. Dieser Umstand habe sich durch eine farblose Kursentwicklung bemerkbar gemacht, so die Experten weiter.

Die Hoffnungen der Espirito Santo Investment Bank beruhen auf der geplanten Reduktion von risikogewichteten Aktiven. Alleine im laufenden Jahr werde die UBS diese Aktiven von 258 auf 219 Milliarden Franken senken und damit Eigenkapital freisetzen. Das Restrukturierungspotenzial der Schweizer Grossbank sei aussergewöhnlich und die Aussichten auf eine Kapitalrückführung an die Aktionäre ausserordentlich gut. Im Zusammenhang mit dem strategischen Kurswechsel weg vom Investment Banking und der geplanten Reduktion von risikogewichteten Aktiven sehen die Experten bei den Aktien der UBS ein Aufwärtspotenzial von rund 45 Prozent.

Mit ihren Prognosen für die risikogewichteten Aktiven von Ende Jahr von 219 Milliarden Franken gehen die Experten der Espirito Santo Investment Bank deutlich weiter als ihre Berufskollegen, die mit einem Abbau auf 237 Milliarden Franken rechnen. Dies macht sich insbesondere in höheren Dividendenschätzungen bemerkbar. Für das kommende Jahr prognostizieren die Experten eine Dividende von knapp einem Franken je Aktie, was deutlich über den Konsensschätzungen von 0,57 Franken pro Titel liegt.

Mit dem vor zwei Jahren bekannt gegebenen Rückzug aus dem Investment Banking geht die UBS ihren eigenen Weg. Vor dem Hintergrund eines freundlicheren Marktumfelds musste die Schweizer Grossbank in den letzten Wochen sogar Kritik für diesen Entscheid einstecken. Wie rasch die Aktien der UBS in den Genuss einer weiteren Neubeurteilung und -bewertung durch den Markt kommen, hängt vor allem von den Fortschritten auf der Kostenseite und bei den risikogewichteten Aktiven ab. Ob die Firmenverantwortlichen Wort halten können, darüber erhoffe ich mir anlässlich der Quartalsergebnispräsentation von heute in einer Woche erste konkrete Anhaltspunkte.

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Bei den Namenaktien von Clariant wird mir seit Dienstagvormittag von grösseren aus dem Ausland eintreffenden Kaufaufträgen berichtet. Vermutlich stehen letztere im Zusammenhang mit einem Kommentar aus dem Hause Kepler Capital Markets. Darin sagt der viel beachtete Verfasser dem Basler Spezialitätenchemiehersteller ein solides Quartalsergebnis vorher. Auf Stufe Reingewinn liegt der Experte mit seinen Schätzungen denn auch um 10 Prozent über den jeweiligen Konsensschätzungen.

Für Aufsehen sorgt der Verfasser des Kommentars aber vor allem mit der Aussage, dass Clariant spätestens nach den geplanten Bereichsverkäufen zum Übernahmekandidat werde. Der Experte begründet diese Haltung mit dem nach dem Transformationsprozess interessanten Firmenportfolio und der dank den Verkaufserlösen soliden Bilanz.
Obschon mir der Experte schon bei seinem früheren Arbeitgeber UniCredit positiv auffiel, teile ich seine Meinung zu
Clariant nicht. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Ende Monat zur Veröffentlichung anstehenden Quartalszahlen eher enttäuschen werden. Ausserdem spricht der nahezu abgeschlossene Transformationsprozess nicht für, sondern eher gegen eine Übernahme durch einen Mitbewerber.

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Im Herbst 2009 schrieb der Verwaltungsrat von Sonova mit dem Eintritt in den Markt für Hörimplantate Firmengeschichte. Dazu übernahm der in Stäfa niedergelassene Hörgerätehersteller nur wenige Wochen später für umgerechnet 500 Millionen Franken den bis dahin unbekannten amerikanischen Anbieter Advanced Bionics.

Vermutlich waren sich die Verantwortlichen schon damals nicht nur der Chancen sondern auch der Risiken im Geschäft mit Hörimplantaten bewusst. Dennoch entschieden sie sich für das Spiel mit dem Feuer. Und die Schlagzeilen von vergangener Woche lassen vermuten, dass sich die Firmenverantwortlichen dabei gehörig die Finger verbrannt haben.

Zwar dürfte Sonova in den USA nach der Verurteilung zu einer Schadenersatzzahlung von 7,25 Millionen Dollar in Berufung gehen. Dass die optisch hohe Zahlung für einen Patienten mit einem mit Problemen behafteten Hörimplantat von Advanced Bionics nachträglich reduziert wird, gilt als wahrscheinlich. Man muss allerdings kein Mathematik-Genie sein, um das finanzielle Ausmass der gemäss Medienberichten mindestens 69 vergleichbaren Fälle zu begreifen – vom Reputationsschaden gar nicht erst zu sprechen.

Es war von Anfang an klar, dass sich Sonova den Eintritt in den Markt für Hörimplantate mit zukünftig höheren Risiken erkauft. Doch auch wenn die dem Unternehmen drohenden Rechtskosten in der Presse mit bis zu 700 Millionen Dollar wohl zu hoch geschätzt werden, rechnet sich die Übernahme von Advanced Bionics von Ende 2009 aus Aktionärssicht immer weniger. Mit einer Kurserholung ist bei den Aktien von Sonova möglicherweise erst dann zu rechnen, wenn das Unternehmen die überarbeiteten firmeneigenen Jahresprognosen kommuniziert. Bis dahin lassen die Probleme in den USA Raum für allerlei Spekulationen.