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Die Verwerfungen an den Aktienmärkten versetzten in den letzten Tagen selbst die hartgesottensten unter den Börsenveteranen in Schnappatmung. Da will ich mir nicht vorstellen, wie sich Anleger gefühlt haben müssen, die noch nicht ganz so lange an der Börse aktiv sind.

Die Woche startete auch für die hiesigen Marktakteure mit einer kalten Dusche. Wer die leise Hoffnung hegte, dass der Swiss Market Index (SMI) nach den schmerzhaften Verlusten vom Freitag wieder etwas an Boden gutmachen würde, wurde eines Besseren belehrt. Das Börsenbarometer ging um 1,5 Prozent tiefer bei 11'135 Punkten in den Handel und knickte dann innerhalb nur weniger Minuten bis auf 10'871 Punkte ein.

Bei disen SMI-Firmen winken auch 2022 wieder steuerbefreite Ausschüttungen

Zu diesem Zeitpunkt hatten nicht eben wenige Zykliker und Finanzwerte hohe einstellige, wenn nicht gar zweistellige Kursverluste zu beklagen. Die (Börsen-)Welt schien unterzugehen. Allerdings konnte der SMI die Verluste im Tagesverlauf weitestgehend wieder wettmachen. Am Mittwoch dann zündete die Hoffnung auf eine baldige Waffenruhe in der Ukraine ein regelrechtes Kursfeuerwerk.

Tags darauf brachte ein Treffen der Aussenminister Russlands und der Ukraine dann aber nicht den erhofften Durchbruch. Mit schwindender Hoffnung auf eine schnelle Einigung zwischen den beiden Konfliktparteien könnten auch die Aktienkurse wieder die Erdanziehungskraft zu spüren bekommen.

Achterbahnfahrt des SMI seit Anfang März (Quelle: www.cash.ch)

Dass die Europäische Zentralbank (EZB) nun plötzlich bei den Wertpapierkäufen zuerst vom Gas- und dann aufs Bremspedal treten will, dürfte am Donnerstag wohl den einen oder anderen Marktakteur überrascht haben. Wurde der Druck auf EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihre Entscheidungsträger nun also doch zu gross, endlich etwas gegen den Teuerungsschub zu tun. Nur: es ist zu spät - und zu wenig!

Ich bleibe dabei: Diese Frau gehört schlichtweg nicht an die Spitze der EZB. Ich warnte schon Anfang Dezember von der Gefahr einer Stagflation und hielt damals folgendes fest:

...und...

Die Eskalation im Ukraine-Konflikt hat alles noch viel schlimmer gemacht – wobei sich all das Elend, welches die ukrainische Bevölkerung durchleben muss, selbstverständlich nicht mit Franken und Rappen aufwiegen lässt.

Nicht weniger Sorgen mache ich mir um einige Drittweltländer. Denn schliesslich ist die Ukraine eine der führenden Getreideherstellerinnen der Welt. Die Liste der wichtigsten Exportpartner liest sich wie das Wer-ist-Wer der schon heute von Hunger und Armut geplagten Länder dieser Welt. Man muss kein Experte sein, um erahnen zu können, dass hier gleich die nächste humanitäre Katastrophe anrollt. Wie schon bei der Covid-19-Pandemie trifft der Ukraine-Konflikt und seine Folgen einmal mehr die Ärmsten und Schwächsten. Das darf so nicht sein...

Ich wende mich nun wieder den Börsenereignissen der letzten Tage zu – wenn auch einem unguten Gefühl im Bauch und mit grosser Demut.

Wie unberechenbar das Handelsgeschehen geworden ist, zeigt sich an den Aktien von Aryzta, U-blox und Ascom. Als der Backwarenhersteller Aryzta am frühen Dienstagmorgen den Zahlenkranz für die erste Jahreshälfte vorlegte, reagierte die Börse erst etwas unterkühlt und liess den Aktienkurs in die Nähe von 80 Rappen zurückfallen. Im weiteren Tagesverlauf setzte sich dann aber die Meinung durch, dass die zuletzt gestiegenen Agrarrohstoffpreise den Turnaround nicht in Frage stellen. Kurz vor Handelsende wurden in der Spitze dann sogar Kurse von fast 95 Rappen bezahlt. Wüsste ich es nicht besser, so würde ich bei Aryzta grössere Käufe aus dem Grossaktionariat hinter der flotten Kurserholung vermuten. Mal schauen, ob bei der Schweizer Börse SIX in den nächsten Tagen entsprechende Offenlegungsmeldungen eingehen.

Tagesschwankungen von fast 20 Prozent: Die Aktien von Aryzta rund um die Zahlenveröffentlichung herum (Quelle: www.cash.ch)

Wilde Bocksprünge vollzogen am Tag zuvor schon die Valoren von Ascom. Ein höher als erwartet ausgefallener Jahresgewinn verschaffte letzteren einen kräftigen Kursschub – oder war es doch eher die Wiederaufnahme der Dividendenzahlung? Der Spezialist für Spitalkommunikation will den Aktionärinnen und Aktionären für das vergangene Jahr nämlich eine Ausschüttung von 20 Rappen je Aktie entrichten. Nicht eben wenige Analysten hatten mit einem erneuten Dividendenverzicht gerechnet. In der Folge schossen die Kursnotierungen von 9 auf 11 Franken hoch. Aus dem Handel gingen die Papiere an diesem Tag dann bloss bei 9,75 Franken.

Heute Freitag kommen nun auch die Aktien von U-blox in den Genuss eines geradezu beeindruckenden Kursfeuerwerks. Der einzige Schweizer Vertreter des Internets-der-Dinge blickt auf eine erfreuliche zweite Jahreshälfte zurück. Beim Umsatz und Gewinn übertrifft er selbst die kühnsten Analystenschätzungen.

Der eigentliche Lichtblick – so ist man sich in Expertenkreisen einig – sind jedoch die Wachstums- und Margenvorgaben für das laufende Jahr. Darauf abgestützt müssen die Analysten erstmals seit Jahren unter positiven Vorzeichen über ihre Bücher. Das dürfte den Leerverkäufern so gar nicht schmecken. Wie mir berichtet wird, wurden namhafte Vertreter dieser Spezies vom Kursfeuerwerk überrascht und auf dem falschen Fuss erwischt.

Eine weitere Abstufung hatten diese Woche die Aktien von Clariant zu verkraften. Nachdem Jefferies-Analyst Chris Counihan bereits drei Wochen zuvor das Handtuch geworfen hatte, scheint angesichts der Buchführungsprobleme auch seiner Berufskollegin Sibylle Bischofberger bei Vontobel nicht mehr ganz wohl bei der Sache zu sein. Sie zieht die Reissleine und geht von "Buy" auf "Hold". Aufgrund der erhöhten Geschäftsrisiken und einer tieferen ESG-Bewertung lautet das Kursziel neuerdings nur noch 17 (zuvor 24,50) Franken. Die Analystin empfiehlt Anlegern an die Seitenlinie zu treten, bis sich das Ausmass des Betrugsfalls besser abschätzen lässt.

Der Druck auf andere noch immer optimistische Analysten nimmt unaufhörlich zu – ich denke da etwa an Christian Faitz bei Kepler Cheuvreux oder an Philipp Gamper bei der Zürcher Kantonalbank. Bleibt zu hoffen, dass sich der Spezialitätenchemiehersteller aus dem Baselbiet möglichst bald zu Wort meldet und klare Verhältnisse schafft.

Ich kommentierte die Herunterstufung durch Jefferies wie folgt:

Vielleicht lichtet sich der Nebel bis nächsten Freitag ja, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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