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Den Anfang machten vor wenigen Wochen die beiden Schweizer Grossbanken: Sowohl die Strategen der UBS als auch ihre für die Credit Suisse tätigen Berufskollegen legten den Ausblick für das kommende Börsenjahr vor.
Seither treffen nahezu täglich weitere solche Werke von anderen Banken ein, oftmals in einem für den Leser kaum zu bewältigenden Umfang von 100 oder mehr Seiten.
Ich habe mir in den letzten Tagen Zeit genommen, um mich durch die mir zugespielten Ausblicke durchzuarbeiten. Nachstehend nun nicht nur eine Zusammenfassung, sondern auch eine Würdigung der Erwartungen und Prognosen. So viel sei schon mal vorweggenommen: Nahezu alle Banken und ihre Aktienstrategen rechnen bis weit ins nächste Jahr hinein noch einmal mit steigenden Aktienkursen.
Allen voran die bei der UBS auf der Lohnliste der Investmentbank stehenden Experten. Ihre Präferenzen liegen ganz klar auf den europäischen Aktienmärkten, denen sie im kommenden Jahr so einiges zutrauen. Für den breit gefassten Stoxx-600-Index lässt sich vom Jahresendziel von 380 Punkten ein Aufwärtspotenzial von gut 10 Prozent ableiten. Unter gewissen Umständen sagen die Strategen dem Börsenbarometer sogar einen Anstieg um 30 Prozent auf 235 Zähler vorher.
Zuversichtlich zeigt man sich im Ausblick auch für den amerikanischen Aktienmarkt. Die Verfasser sehen den breit gefassten S&P-500-Index bis Ende des nächsten Jahres auf 2225 Punkte klettern. Im besten Fall sei mit einem Anstieg bis auf 2400 Zähler zu rechnen. Ihre Zuversicht begründen die Experten mit den soliden Bilanzen und den davon ausgehenden Übernahmefantasien sowie mit den guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Die für die Credit Suisse tätigen Berufskollegen sehen den S&P-500-Index bis Mitte nächsten Jahres bis auf 2200 Punkte klettern. Im Zuge einer restriktiveren Zinspolitik der US-Notenbank werde das amerikanische Börsenbarometer im weiteren Jahresverlauf auf 2100 Zähler zurückfallen.
Was das Börsenumfeld anbetrifft, so verströmen die Experten der kleineren der beiden Schweizer Grossbanken weiterhin Zuversicht: Die Risikoprämie für Aktien bleibe attraktiv hoch, die Geldpolitik der meisten führenden Zentralbanken ultralocker, die Überschussliquidität weltweit noch immer expansiv und das Momentum bei den Unternehmensgewinnen gut.
Das Jahresendziel der Credit Suisse von 2100 Punkten für den S&P-500-Index deckt sich mit jenem von Barclays Capital. Auch die Briten trauen der amerikanischen Leitbörse in ihrem Ausblick nur noch einen geringen Anstieg zu. Die Verfasser geben deshalb ganz klar den europäischen Aktienmärkten den Vorzug. Und das nicht ohne Grund, trauen sie diesen im Laufe des nächsten Jahres unter Aufrechnung der Dividendenabgänge doch ein Aufwärtspotenzial von 18 Prozent zu.
Da die Experten die Qualitätsaktien für überteuert halten, schneidet der Schweizer Aktienmarkt im europäischen Vergleich nicht sonderlich gut ab. Unter die 60 im "Global Recommended Portfolio" berücksichtigten Schlüsselempfehlungen schaffen es nur gerade die Papiere von Adecco. Damit ist eigentlich auch schon alles gesagt.
Noch bis vor wenigen Wochen sorgten die Strategen von BNP Paribas mit ihrer negativen Haltung zu den Märkten für Schlagzeilen. Davon ist im Ausblick der Franzosen für das kommende Jahr nicht mehr viel zu spüren. In Erwartung eines durchschnittlichen Wachstums von gut 8 Prozent bei den Unternehmensgewinnen trauen sie den europäischen Aktienmärkten im Verlauf ein Plus von 9 Prozent zu. In der Erwartung, dass die Kursnotierungen vorübergehend über ihren rechnerischen fairen Wert klettern, raten die Verfasser des Ausblicks der eigenen Anlagekundschaft neuerdings sogar zum Auf- bzw. Ausbau von Aktienengagements.
Bei Julius Bär hält man hingegen an Altbewährtem fest. Die für die Zürcher Bank tätigen Strategen setzen weiterhin auf die amerikanische Leitbörse und sagen ihr eine Fortsetzung des Höhenflugs vorher - und stellen sich damit gegen die Meinung der meisten anderen Banken. Das Wirtschaftswachstum in Übersee sei weiterhin robust, die konjunkturellen Frühindikatoren ansteigend und die Unternehmen würden ihre Versprechen in Bezug auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung einhalten, so begründen die Experten ihren Optimismus.
Geht es nach den Strategen von Julius Bär, dann werden die europäischen Aktienmärkte frühestens in der zweiten Jahreshälfte ihre Muskeln spielen lassen. Ab dann sollte der Effekt des schwächeren Euro und der nachlassenden Deflationsängste einsetzen, so schreiben sie.
Was mir bei allen mir vorliegenden Ausblicken ins Auge sticht ist, dass alle Banken von ähnlichen wenn nicht gar denselben wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgehen. Wäre ich ein Klassenlehrer beim Korrigieren von Klausuren, so würde bei mir der Verdacht aufkommen, die Schüler hätten einander abgeschrieben.
Vielleicht liegt es an den historisch tiefen Zinsen und der ultralockeren Geldpolitik der Zentralbanken führender Wirtschaftsnationen, vielleicht handelt es sich aber auch nur um allgemeinen Zweckoptimismus. Schliesslich müssen die Anlagekunden bei Laune gehalten werden. Niemand überbringt gerne negative Nachrichten, auch wenn heutzutage anders als im Mittelalter keine Köpfe mehr rollen.
Vermutlich wollen sich die Banken und ihre Aktienstrategen mit ihrer Meinung auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Denn wenn man sich im Rahmen der allgemein gängigen Erwartungen und Prognosen bewegt, läuft man auch nicht Gefahr, in Erklärungsnot zu geraten. Den Anlagekundinnen und -kunden ist damit meines Erachtens nur bedingt geholfen.