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Anders als der amerikanische Aktienmarkt nahmen in den vergangenen Handelstagen nur wenige europäische Aktienindizes ihre Rekordjagd wieder auf.

Nach einer Geschäftsreise nach Übersee meldet sich der bei Kepler Cheuvreux für das Cross Asset Research tätige Stratege mit einem von Frustration geprägten Kommentar bei seiner Anlagekundschaft zurück.

Es gebe zwar gute Neuigkeiten. So hätten sich die Aktienmärkte im April als sehr widerstandsfähig erwiesen. Allerdings sei eine einschneidende Verkaufswelle über amerikanische Wachstumsaktien hereingebrochen. Und auch an den europäischen Aktienmärkten seien grössere Umschichtungen in Qualitätsaktien zu beobachten gewesen.

Die politische Destabilisierung der Ukraine habe in den letzten Wochen zu einer vorsichtigeren Haltung der Anleger geführt. Davon hätten jüngst vor allem von der Konjunktur unabhängige Aktien und Sektoren profitiert. Anders als bei den Hedgefonds gebe es keine konkreten Anhaltspunkte für Aktienverkäufe anderer Investorenlager. Gerade in Übersee sei das Risiko eines Rückschlags deshalb geringer als noch während des ersten Quartals.

Es gebe jedoch auch schlechte Neuigkeiten, so der Stratege. Immerhin sei die seit November beobachtete Phase der Ungewissheit noch immer nicht ausgestanden und mittlerweile wieder einen Monat reicher. Bei den stolz bewerteten amerikanischen Wachstumsaktien sei noch immer Abgabebereitschaft auszumachen. Erst wenn letztere nachlasse, sei an den Aktienmärkten eine weitere Aufwärtsbewegung möglich.

Dennoch zeigt sich der Experte zuversichtlich, dass die Übergangsphase bis Ende des zweiten Quartals ausgestanden sei und die Marktentwicklung danach jener vom vergangenen Jahr ähneln werde. Mit einem Ende der Aktienhausse sei erst dann zu rechnen, wenn die Fremdkapitalkosten steigen. Soweit ist es dem Strategen zufolge aber noch nicht.

In Erwartung einer Fortsetzung der Korrektur bei den hoch bewerteten Wachstumsaktien stuft er den europäischen Technologiesektor von «Overweight» auf «Neutral» zurück. Im Gegenzug wird der Energiesektor von «Underweight» auf «Neutral» hochgestuft. Die Barmittelquote wird weiterhin mit 3 Prozent angegeben.

In einem Punkt muss ich dem Experten von Kepler Cheuvreux widersprechen: Ich stand in den vergangenen Wochen gleich mit mehreren heimischen Grossinvestoren in Kontakt. Gleich mehrere dieser Investoren gaben mir gegenüber im Gespräch zu verstehen, dass sie ihre Aktienengagements kontinuierlich zurückfahren werden. Allerdings weiss ich nicht, wie repräsentativ diese Aussagen sind.

Ich bleibe bei meiner bisherigen Einschätzung der Situation: Nicht nur der amerikanische Aktienmarkt, auch die meisten europäischen Märkte haben sich über die letzten zwei bis drei Jahre substanziell von der seitwärts gerichteten Entwicklung der Unternehmensgewinne nach oben gelöst. Nach der durchzogenen Unternehmensberichterstattung für das zurückliegende erste Quartal ist klar: Auch hierzulande werden die Nerven der Aktionäre weiter strapaziert.

Konnte ich vor wenigen Monaten auf Anhieb ein gutes Dutzend günstig bewertete und aussichtsreiche Schweizer Aktien aufzählen, sind es mittlerweile nur noch wenige.

Die seit wenigen Wochen anziehenden Übernahme- und Fusionsaktivitäten liefern den Aktienmärkten zwar frische Impulse. Die Grösse der Firmentransaktionen legt das Dilemma vieler Unternehmen jedoch schonungslos offen: Nach Jahren rigoroser Kosteneinsparungen und Reorganisationsmassnahmen sehen sie sich noch immer mit einem verhaltenen und von einem immer intensiveren Wettbewerb geprägten Umfeld konfrontiert. Weiteres Verbesserungspotenzial lässt sich auf die Schnelle wohl nur noch mittels grosser Firmenübernahmen oder -zusammenschlüsse realisieren. Und ob die Wettbewerbsbehörden da mitspielen, muss bezweifelt werden.

Die zuletzt stark rückläufigen Baisseengagements, der Rekordstand bei den kreditfinanzierten Aktientransaktionen und der gewaltige Risikoappetit der Anleger deuten darauf hin, dass sich die mittlerweile seit fünf Jahren zu beobachtende Hausse an den Aktienmärkten in einer weit fortgeschrittenen Phase befindet. Und je höher die Märkte jetzt noch steigen, desto einschneidender wird eines Tages der Rückschlag.

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Es ist immer interessant zu lesen, zu was Aktienstrategen ihrer Anlagekundschaft raten. Noch interessanter ist allerdings, ob letztere den Empfehlungen auch wirklich Folge leistet.

In einem Kommentar gewähren die für Merrill Lynch tätigen Verfasser Einblicke ins Verhalten der eigenen Anlagekunden. Während amerikanische Hedgefonds am Heimmarkt schon seit Monaten Nettoverkäufer seien, stosse nun auch das Lager institutioneller Investoren dazu. Im Gegenzug nehme die Nachfrage der Privatanleger seit Mai letzten Jahres kontinuierlich zu.

Das Interesse gelte derzeit vor allem den grosskapitalisierten Standardwerten. Von den Aktien mittelgrosser Unternehmen würde sich die eigene Anlagekundschaft zusehends verabschieden, so heisst es weiter. Im Industrie- sowie im Telekommunikationssektor sei Kaufinteresse und im nicht-zyklischen Konsumsektor seien Abgaben zu beobachten.

Ob diese Angaben repräsentativ sind, ist nur schwer abschätzbar. Nicht zuletzt deshalb, weil andere Banken deutlich restriktiver mit solchen Informationen sind. Ich bleibe jedenfalls auf der Suche nach weiteren Anhaltspunkten.