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Hierzulande dürfte das Jerome Levy Forecasting Center nur den wenigsten ein Begriff sein. Ganz anders in Übersee: Schon 1929 warnte der Gründer und Namensgeber dieses amerikanischen Wirtschaftsinstituts rechtzeitig vor einem Börsencrash – und er sollte damals recht bekommen.

Es sollte 80 Jahre dauern, bis auch seine Nachkommen die Gelegenheit bekamen, Geschichte zu schreiben. Im Februar 2007 warnte die inzwischen gewachsene Belegschaft rund um den Enkelsohn David vor der Immobilienblase sowie vor Schockwellen für die Konjunktur und das ganze Finanzsystem, sollte diese eines Tages platzen. Nur wenige Monate später zwang die Finanzkrise die heimische Wirtschaft in die Knie.

Nicht zuletzt aufgrund dieses sehr beeindruckenden Leistungsausweises erachte ich es geradezu als meine Pflicht, meine Leserinnen und Leser an dieser Stelle über die aktuelle Situationsanalyse des Jerome Levy Forecasting Centers zu informieren. Im aktuellen Bericht sagt das Institut eine weltweite Rezession vorher, die gegen Ende des nächsten Jahres auch die amerikanische Wirtschaft erreichen werde. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios wird auf nicht weniger als 65 Prozent geschätzt.

In vielen Weltregionen trenne die von einer sehr geringen Teuerung begleitete Konjunkturentwicklung nicht viel vor einer Deflation, so die Verfasser des Berichts. Anders als in der Vergangenheit seien der Politik und den Zentralbanken die Hände gebunden, um wirkungsvoll dagegen vorzugehen. In diesem Zusammenhang warnen die Experten auch von der noch immer hohen Verschuldung führender Wirtschaftsnationen und vor der Verletzbarkeit ihres Finanzsystems.

Ich mag mit meiner vorsichtigen, wenn mittlerweile nicht sogar negativen Haltung für die Aktienmärkte etwas gar festgefahren erscheinen. Die Sorglosigkeit der Marktakteure gibt mir dennoch zu denken. Dasselbe gilt für die mit einigen wenigen Ausnahmen optimistisch gestimmten Banken und ihre Aktienstrategen.

In den Tagen hat dieses Lager mit Julius Bär ("Charttechnische Parallelen zur zweiten Hälfte der Neunzigerjahre mit einem starken amerikanischen Aktienmarkt") und der UBS ("Europäische Aktien bis Ende nächsten Jahres um 13 Prozent höher gesehen und mit einem substanziellen Aufholpotenzial gegenüber dem amerikanischen Aktienmarkt") Zuwachs erhalten. Zuvor meldeten sich schon die Citigroup ("Jetzt Mut beweisen, denn er wird belohnt"), Barclays Capital ("Der jüngste Ausverkauf ist übertrieben"), J. Safra Sarasin ("Jetzige Korrektur könnte zu attraktiver Einstiegsgelegenheit führen"), der Credit Suisse ("Breiter Pessimismus, kurzfristig Raum für eine Gegenbewegung von 10 Prozent"), Morgan Stanley ("Übertrieben scharfe Korrektur zum Zukauf nutzen"), Nomura ("Wenn das mal keine Kapitulation ist") und RBC Capital Markets ("Europäische Politik hat die richtigen Schritte eingeleitet, um die Wachstumsschwäche zu bekämpfen") zu Wort.

Zumindest in Übersee sind sich die Marktakteure ihrer Sache zu sicher geworden. Nur so lässt sich die jüngste Erhebung des Anlegervertrauens durch die American Association of Individual Investors, kurz AAII, erklären. Auf Basis dieser Erhebung signalisierten 52,6 Prozent der Befragten Zuversicht, was die weitere Entwicklung am amerikanischen Aktienmarkt anbetrifft. Letztmals lag dieser Umfragewert vergangenen Dezember auf einem vergleichbar hohen Stand. Beunruhigend ist allerdings, dass sich mit 15,1 Prozent so wenige der Befragten wie seit neun Jahren nicht mehr negativ über den Heimmarkt ausliessen. Für gewöhnlich gelten extreme Umfragewerte als zuverlässiger Gegenindikator – im vorliegenden Fall als ein solcher mit negativen Vorzeichen.

Übertreibungen orte ich denn auch mehr jenseits und nicht diesseits des Atlantiks. Doch langjährige Börsenfüchse wie ich wissen ganz genau: Wenn sich die amerikanische Leitbörse eine Erkältung einfängt, verschlägt es die europäischen Aktienmärkte mit einer Grippe ins Bett.

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In einer Sektorenstudie finden die für Jefferies International tätigen Verfasser weder positive Worte für die europäischen Investitionsgüterindustrie, noch für ABB. Die Namenaktien des in Zürich beheimateten Industriekonzerns werden in der Studie im Rahmen einer Erstabdeckung mit "Underperform" und einem Kursziel von 17,90 Franken zum Verkauf empfohlen.

Über die letzten Jahre sei ABB zwar überdurchschnittlich stark gewachsen, so die Experten. Die dafür verantwortlichen Faktoren gehörten mittlerweile jedoch der Vergangenheit an. Denn die Entwicklung in den Schwellenländern sei negativ und die USA trage als einziger Lichtblick unterdurchschnittlich zum Umsatz bei. Um der Wachstumsflaute entgegenzuwirken, sei das Unternehmen auf Firmenübernahmen angewiesen. Solche seien nicht gerade hilfreich, wenn es darum gehe, Margenverbesserungen zu erzielen.

Obschon die verhaltene Sektorenstudie aus dem Hause Jefferies International den Aktien von ABB bislang kaum zusetzt, sind die darin zur Sprache gebrachten Vorbehalte durchaus ernst zu nehmen. Auch wenn sich CEO Ulrich Spiesshofer den Experten der UBS gegenüber anlässlich eines Gesprächs überraschend zuversichtlich zeigte. Insbesondere die Risiken im Öl- und Gasgeschäft habe Spiesshofer heruntergespielt, so heisst es seitens der Grossbank.

Ohne strategischen Befreiungsschlag verkommen die Papiere des einstigen Börsenlieblings immer mehr zu einem Geduldsspiel für die in den letzten Jahren nicht sonderlich erfolgsverwöhnten Aktionäre.