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In den Büroetagen der Commerzbank in Frankfurt hat man sich auf die Schweizerische Nationalbank (SNB) eingeschossen. Alle paar Wochen hagelt es seitens von Ulrich Leuchtmann Kritik für die Schweizer Währungshüter. Manchmal adressierte er diese an das gesamte Direktorium, manchmal allerdings auch nur an ihren Vorsitzenden, Thomas Jordan.

Mit Esther Reichelt stärkt dem viel beachteten Währungsstrategen nun eine Arbeitskollegin aus den eigenen Reihen den Rücken. Seit der Aufgabe des Mindestkurses gegenüber dem Euro von Mitte Januar sei die SNB mehrfach zu Interventionen gezwungen gewesen, so schreibt die Autorin in einem mir zugespielten Kommentar. Für sie steht mittlerweile fest: "Die SNB verfolgt keine nachhaltige Strategie."

Die Währungsstrategin begründet dies zum einen mit der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und deren Druck auf den Euro, zum anderen aber auch mit der Funktion des Frankens als sicherer Währungshafen. Diese werde seit der Aufgabe des Mindestkurses nicht mehr länger eingeschränkt, weshalb sich der Franken in Zeiten erhöhter Unsicherheit wieder aufwerte. Mit ihrer Entscheidung, sich von der ultralockeren Geldpolitik der EZB loszusagen, habe die SNB den Status des Frankens als sicheren Währungshafen eher noch gestärkt.

Selbst am Negativzins für Einlagen der Geschäftsbanken lässt die Autorin im Kommentar kein gutes Wort. Dass die deutlich negativen Zinsen eine Aufwertung des Frankens nachhaltig abwehren können, hält sie für unwahrscheinlich. Gerade in Zeiten erhöhter Unsicherheit werde die seit der Aufgabe des Mindestkurses wieder mögliche Aufwertung des Frankens die Kosten negativer Zinsen mehr als wettmachen. Zudem habe die SNB zuletzt selber klargestellt, dass die Zinsen wohl nicht mehr weiter gesenkt werden können, da Negativzinsen unter den derzeitigen Niveaus von 0,75 Prozent die Bargeldhaltung anfeuern würden.

Die SNB werde diesem Aufwertungsdruck mittels Interventionen kaum standhalten können. Schliesslich habe sie den Mindestkurs Mitte Januar dieses Jahres nur aufgegeben, um nicht mehr im grossen Stil intervenieren zu müssen. Interventionen seien auf Dauer schlicht und ergreifend nicht glaubwürdig, so die Währungsstrategin.

Es überrascht deshalb nicht, dass man bei der Commerzbank auf lange Sicht von einem gegenüber dem Franken fallenden Euro ausgeht. Bis Ende Jahr prognostiziert die deutsche Grossbank einen Rückgang der europäischen Einheitswährung auf einen Franken, bis Ende September nächsten Jahres sogar mit einem bis auf 0,95 Franken.

Gegenüber dem Dollar rechnen die Währungsstrategen eigenen Aussagen zufolge hingegen mit einem "sich abwertenden Franken". Der Greenback werde in den nächsten Monaten von der sich abzeichnenden Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik profitieren. Allerdings lassen sich diese Aussagen nicht mit den bankeigenen Prognosen unterstreichen: Bis Ende September geht man bei der Commerzbank von einem Kurs für den Dollar von 0,97 Franken, bis Ende September nächsten Jahres von einem Kurs von 0,95 Franken aus. Schon heute steht der Greenback bei 0,96 Franken.

Welche Ziele die Commerzbank mit ihrer harschen Kritik an der SNB und ihrer Geldpolitik verfolgt, darüber lässt sich nur spekulieren. Ich schliesse nicht aus, dass die deutsche Grossbank und ihre Kunden Mitte Januar von der überraschenden Aufgabe des Mindestkurses auf dem falschen Fuss erwischt worden sind und die Währungsstrategen deshalb schlecht auf unsere Währungshüter zu sprechen sind. Vermutlich ist es aber bloss ein Versuch, den Franken stärker zu reden, damit sich die bankeigenen Prognosen eines Tages bewahrheiten. Ob die Commerzbank über die damit verbundene Marktmacht verfügt, ist eher unwahrscheinlich.

An dieser Stelle muss ich die SNB und ihre Entscheidungsträger einmal mehr in Schutz nehmen, auch wenn ich mir damit keine Freunde mache. Die Aufgabe des Mindestkurses gegenüber dem Euro von Mitte Januar wird gerne als Kapitulation belächelt. Zur Verteidigung unserer Währungshüter ist zu sagen, dass die EZB nur wenige Tage später das Rückkaufprogramm für verbriefte Schuldforderungen auf Staatsanleihen ausweitete und substanziell aufstockte.

Wir befinden uns in einem Währungskrieg unter den führenden Zentralbanken, auch wenn alle Beteiligten dies stets in Abrede stellen. Eine Ausnahme ist die amerikanische Notenbank, die den geldpolitischen Kurswechsel schon vor Monaten eingeleitet hat und sich nun auch den Leitzinsen annehmen will. Es liegt geradezu auf der Hand, dass sich die kleine Schweiz auf Dauer nicht gegen die führenden Zentralbanken stemmen kann. Stummer Zeuge ist die aufgeblähte Bilanz unserer SNB.

Etwas Gutes hat die Aufgabe des Mindestkurses von Mitte Januar jedenfalls: Unsere Währungshüter sind für ausländische Devisenmarktakteure und Spekulanten nicht mehr länger berechenbar, was auf längere Sicht von Vorteil sein dürfte.

 

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