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Die Stimmung unter den Aktienmarktakteuren ist ziemlich ausgelassen. Auch bei den Banken gibt man sich zuversichtlich – wobei bei diesen bekanntlich auch immer etwas Zweckoptimismus mitschwingt.

In diese Ausgelassenheit platzt nun die Bank of America mit einem Strategiepapier. Darin gehen die Autoren um Chefdenker Sebastian Rädler der Frage nach, ob die Situation an den Aktienmärkten denn nun am ehesten jener von 1995, 2000 oder 2007 ähnelt.

1995 gelang den führenden Zentralbanken eine nahezu bilderbuchmässige sanfte Landung der Wirtschaft, was den Aktienmärkten satte Kursgewinne bescherte. Auch jetzt ist der amerikanisch geprägte Begriff des "Soft-Landing" wieder in aller Munde. Gewisse Parallelen zu damals sind deshalb wohl nicht von der Hand zu weisen.

Gleichzeitig weckt der Höhenflug der amerikanischen Technologieaktien böse Erinnerungen an die Monate unmittelbar vor dem Platzen der Dotcom-Blase von 2000/01. Damals wie heute liess die Hoffnung auf ein Produktivitätswunder die Aktienkurse kräftig steigen und die Risikoprämie ins unermessliche fallen. Eine schmerzhafte Korrektur holte die Marktakteure dann allerdings wieder auf den harten Boden der Realität zurück.

Entwicklung des Stoxx Europe 600 Index über die letzten drei Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Will man Rädler und seinen Mitautoren Glauben schenken, dann trifft die Situation von 2007 die momentane bei Aktien aber am besten. Sie spielen damit auf die bereits stark gefallene Risikoprämie trotz konjunktureller Risiken an. In Erwartung einer Wachstumsverlangsamung gehen die Strategen sowohl von tieferen Unternehmensgewinnen als auch von einer steigenden Risikoprämie für Aktien aus.

Lange Rede, kurzer Sinn: Bei der Bank of America sieht man den breit gefassten Stoxx Europe 600 Index bis ins Schlussquartal dieses Jahres hinein um 15 Prozent fallen. Gleichzeitig sollten defensive Sektoren wie Nahrungsmittel oder Pharma um 15 Prozent besser als konjunkturabhängige Sektoren abschneiden.

Da überrascht es mich nicht, wenn die amerikanische Investmentbank dem Schweizer Aktienmarkt als einziges europäisches Land ein überdurchschnittliches Gewicht in den Kundenportefeuilles einräumt. Schliesslich sind die ebenfalls mit "Overweight" eingestuften Pharma- und Nahrungsmittelwerte beim Swiss Market Index (SMI) ja auch für rund die Hälfte der Gesamtkapitalisierung verantwortlich.

Noch hat sich diese vorsichtige Haltung für die Strategen nicht bezahlt gemacht. Sie selber räumen ein, dass konjunkturabhängige Aktien seit Mitte 2022 um mehr als 40 Prozent besser als defensive Aktien abgeschnitten haben und relativ betrachtet auf dem höchsten Stand seit drei Jahrzehnten notieren.

Entwicklung des SMI mit Dividenden-Korrektur über die letzten Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Derweil zieht die New Yorker Börse noch immer viel internationales Geld an. Wie Erhebungen der Bank of America zeigen, flossen den in amerikanische Aktien investierenden Fonds jüngst innerhalb von gerade einmal fünf Handelstagen unter dem Strich 17 Milliarden Dollar zu. Seit Jahresbeginn sind es sogar mehr als 75 Milliarden Dollar.

Dieses Geld fehlt in anderen Weltregionen sträflich. So haben etwa Fonds, welche in europäische Aktien investieren, seit Januar einen Nettoabfluss von 15 Milliarden Dollar zu beklagen. Man braucht kein eingefleischter Börsenprofi zu sein, um erahnen zu können, dass das die Aktienkursentwicklung auch bei uns in der Schweiz bremst.

Neugierig wie ich bin, habe ich mich mal ein bisschen schlau gemacht und bin in meinen Aufzeichnungen darauf gestossen, dass Rädler und seine Mitstrategen in London nunmehr schon seit Jahren vor einer grösseren Korrektur bei europäischen Aktien warnen. Den Aufzeichnungen zufolge berichtete ich schon Ende August 2021 davon. Damals notierte der Stoxx Europe 600 Index bei 470 Punkten und es war von einem Rücksetzer auf 420 Punkte die Rede.

Seither lassen die Strategen – zumindest gefühlt – kaum eine Gelegenheit aus, um ihrer negativen Haltung Nachdruck zu verleihen. Wenn man ihnen etwas nicht vorwerfen kann, dann ist das wohl Wankelmütigkeit. Die Gelegenheit, während der schmerzhaften Korrektur von 2022 von ihrer pessimistischen Haltung zu verabschieden, haben sie indes verschlafen.

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