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Wenn es in den letzten Tagen am Schweizer Aktienmarkt ein Unternehmen gab, welches in aller Munde war, dann ist das Roche. Als die Valoren der Pharma- und Diagnostikgruppe aus Basel am Montagvormittag wie aus dem Nichts kommend unter Verkaufsdruck gerieten, war für mich eigentlich klar: Die detaillierten Studienergebnisse zum injizierbaren Schlankheitsmittel CT-388 sind draussen – veröffentlicht rund um das diesjährige Treffen der European Association for the Study of Diabetes (EASD).
Zeitweise verloren die Genussscheine an diesem Tag fast fünf Prozent - wobei aus Börsenkreisen zu hören war, dass man sich vom Nebenwirkungsprofil dieses Wirkstoffs mehr erhofft habe. Viel Greifbares gab es allerdings noch nicht zu vermelden. Auch die Banken und ihre Analysten schienen überrumpelt.
Es sollte geschlagene 36 Stunden dauern, bis ich in einem Kommentar aus der Feder des für Julius Bär tätigen Analysten Fabian Wenner endlich auf die seit Mai erwarteten Studiendetails stiess. Wie Wenner schreibt, verspürten 83 Prozent der Patienten in den ersten 12 Wochen - während der sogenannten Tritationsphase - ein hohes Mass an Übelkeit. 75 Prozent der Patienten mussten Erbrechen und 54 Prozent litten unter Durchfall. Diese Nebenwirkungen seien in den darauffolgenden 12 Monaten – also während der sogenannten Erhaltungsphase – etwas zurückgegangen. Der Analyst befürchtet, dass das Nebenwirkungsprofil die Wettbewerbsfähigkeit von CT-388 gegenüber anderen Konkurrenzpräparaten schmälern könnte.
Eine weitere Dusche für die Anteilseignerinnen und Anteilseigner von Roche folgte am gestrigen «EZB-Donnerstag», als die Basler mit Studienergebnissen für CT-996 nachlegten. Die Schlankheits-Pille gilt vor allem deshalb als vielversprechend, weil sie oral eingenommen werden kann und man sich den Wirkstoff nicht spritzen muss. Doch wie zuvor schon bei CT-388, wirft auch das Nebenwirkungsprofil von CT-996 gewisse Fragen auf. Die Gewichtsabnahme nach vier Wochen ist bei höherer Dosierung zweifelsohne eindrucksvoll – was jedoch mit lästigen Nebenwirkungen einhergeht. Die Übelkeitsrate bei Patienten liegt bei 83 Prozent und die Erbrechensrate bei 33 Prozent. Für die Genussscheine ging es deshalb zeitweise gleich noch einmal um bis zu vier Prozent nach unten. Glücklich schätzen konnte sich, wer sich letzte Woche auf die Ergebnisse hin mit einer Put-Option absicherte.
Die Bons von Roche standen in den letzten Tagen unter Verkaufsdruck (Quelle: www.cash.ch)
Interessant ist, dass die Analysten sehr unterschiedlich mit den neu gewonnenen Informationen umgehen. Bei der Zürcher Kantonalbank heisst es etwa, dass das Ausbleiben von Leberenzymanstiegen bei CT-996 das wohl wichtigste positive Element sei. Analyst Marcel Brand sieht darin eine erhebliche Risikoreduktion für dieses Entwicklungsprojekt, zumal ein hoher Prozentsatz von Patienten die Studie abgeschlossen hat. Er bleibt bei seiner «Übergewichten» lautenden Kaufempfehlung und hält die jüngsten Kursverluste für übertrieben.
Sein Berufskollege Stefan Schneider von der Bank Vontobel rechnet hingegen mit Verzögerungen beim möglichen Markteintritt. Seines Erachtens muss Roche in der nächsten Phase noch an der Dosierung arbeiten und folglich ein Titrationsprogramm erstellen. Das wiederum kostet wertvolle Zeit, garantiert aber noch nicht, dass die Nebenwirkungen auch wirklich weniger werden. Er ist deshalb wie bis anhin nur für «Hold» mit einem Kursziel von 274 Franken.
Der für die Deutsche Bank tätige Analyst Emmanuel Papadakis zögert nicht lange und stuft die Genussscheine von Roche mit einem Kursziel von 235 (zuvor 265) Franken von «Hold» auf «Sell» herunter. Papadakis warnt vor zu hohen Entwicklungskosten für zwei Wirkstoffe, welche sich letztendlich sogar als «Ladenhüter» erweisen könnten.
Zur Erinnerung: Kurz nach der Veröffentlichung vielversprechender Vorabinformationen zur Wirksamkeit von CT-388 ging derselbe Analyst einst von «Sell» auf «Hold». Das war in der zweiten Hälfte Mai bei Kursen um 235 Franken. Nun scheint ihn der Mut von damals also wieder verlassen zu haben.
Die neue Datenlage macht die milliardenschwere Übernahme von Carmot Therapeutics – durch sie erst kamen die Basler an die beiden Wirkstoffe CT-388 und CT-996 heran – zwar noch nicht gleich zum teuren Flopp. Die Hoffnung, dass Roche schon in wenigen Jahren ganz vorn im Geschäft mit Schlankmachern mitspielen kann, dürfte in den letzten Tagen jedoch grössere Kratzer bekommen haben.
Firmenchef Thomas Schinecker steht nun in der Pflicht. Er muss anlässlich des Investorentags von Ende September den Beweis antreten, dass er mit mehr als den beiden eingekauften Wirkstoffen aufwarten kann. Die Börse wird ihm dabei über die Schulter schauen.
Roche selber will sich im Rahmen des diesjährigen EASD-Treffens übrigens erst am heutigen Freitagnachmittag den Investoren stellen. Für 16 Uhr unserer Zeit ist ein virtueller Anlass geplant. Besser spät als nie...
Auf eine bewegte Woche blickt auch Baloise zurück. Nur wenige Tage vor der Bekanntgabe des Halbjahresergebnisses sowie der künftigen Strategie liess der Grossaktionär Cevian Capital eine Bombe platzen. Über die renommierte Financial Times liess der Finanzinvestor die Öffentlichkeit wissen, dass er das Aktienpaket auf 9,4 Prozent ausgebaut habe. Im Zuge dessen steigen die Skandinavier zum grössten Einzelaktionär der Versicherungsgruppe auf.
Rückblickend lässt zumindest der Zahlenkranz für die erste Jahreshälfte keine (Anleger-)Wünsche offen. Mit 272 Millionen Franken übertraf der operative Gewinn selbst die kühnsten Analystenerwartungen. Und auch die Zunahme beim Eigenkapital um 8 Prozent auf 3,5 Milliarden Franken kam in Börsenkreisen gut an.
Die Strategie kommt – wenig überraschend – einer Rückbesinnung auf die eigenen Stärken gleich. Garniert wird das Ganze mit Sparmassnahmen, neuen Rentabilitätszielen und einer höheren Ausschüttungsquote. Künftig sollen nicht weniger als 80 Prozent des Jahresgewinns über Dividenden und Aktienrückkäufe an die Aktionärinnen und Aktionäre zurückgeführt werden. Ein erstes Aktienrückkaufprogramm wird für kommenden Frühling in Aussicht gestellt.
Da sowohl die Rentabilitätsziele als auch die Ausschüttungsquote nur leicht über den bisherigen Zielgrössen liegen und man bei Baloise an der Allfinanzstrategie festhalten will, steht nun der Vorwurf im Raum, man verkaufe alten Wein in neuen Schläuchen.
Wichtigen Forderungen von Cevian Capital scheinen der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung nicht nachkommen zu wollen. Ich denke da etwa an die Refokussierung auf den Schweizer Versicherungsmarkt und die Abspaltung der Bankentochter SoBa. Folglich wäre ich nicht überrascht, wenn der Grossaktionär diesen Forderungen noch einmal Nachdruck verleihen würde - und gegebenenfalls sogar in die Opposition ginge. Es bleibt jedenfalls spannend...
Für Gesprächsstoff sorgten gleich mehrere millionenschwere Titelverkäufe aus der Teppich-Etage von Galderma. Nach der überraschenden Teilplatzierung durch die Ankeraktionäre um den schwedischen Finanzinvestor EQT von vergangener Woche trennten sich gleich mehrere Geschäftsleitungsmitglieder ebenfalls von Aktien. Ich zähle nicht weniger als sechs Verkaufstransaktionen im Umfang von insgesamt 12,6 Millionen Franken.
Der Beteiligungsreduktion und den beiden ersten Titelverkäufen begegnete ich am Montag mit folgenden Worten:
Wie mir gesagt wird, macht es die Erlaubnis der mit dem Börsengang betrauten Banken möglich. Den Mitaktionärinnen und Mitaktionären wird das dann unter dem Deckmantel der besseren Handelbarkeit verkauft. Währenddessen versprüht der Galderma-Finanzchef Thomas Dittrich an der Best of Switzerland Conference der UBS Zuversicht. Honi soit qui mal y pense...
Kurssprung bei den Aktien von Lem (Quelle: www.cash.ch)
Apropos UBS: Am vergangenen Montag stellte die Grossbank eindrucksvoll ihre Marktmacht unter Beweis, als ihr Analyst Tommaso Operto die Erstabdeckung der Aktien von Lem in einer umfangreichen Unternehmensstudie mit «Buy» und einem 12-Monats-Kursziel von 1600 Franken aufnahm. Die Kaufempfehlung zündete ein kleineres Kursfeuerwerk und bescherte den Valoren des Elektronikunternehmens aus Genf zwischenzeitlich Gewinne von sieben Prozent und mehr. Bei Handelsende notierten diese dann immerhin noch mit gut vier Prozent im Plus.
Operto wähnt Lem vor wachstumsstarken Jahren und rechnet gleichzeitig mit Verschiebungen bei der Umsatzzusammensetzung in Richtung höhermargiger Geschäftsfelder. Gleichzeitig lobt der Analyst das mit einer geringen Kapitalbindung einhergehende Geschäftsmodell der Genfer.
Mit ihren Empfehlungen wusste die UBS die Kurse schon vor der Credit-Suisse-Übernahme zu bewegen. Seit der Integration der Geschäftsaktivitäten der früheren Rivalin – gerade im Fondsgeschäft – weiss die Grossbank dies noch viel mehr. An diese geballte Marktmacht muss man sich erst noch gewöhnen.
Besser spät als nie, dürfte sich Barclays-Analyst Warren Ackermann wohl gedacht haben, als er vor wenigen Tagen die Aktien von Nestlé mit einem Kursziel von 92 Franken von «Overweight» auf «Equal Weight» herunterstufte. Viel Überzeugung liess seine Kaufempfehlung schon zuvor nicht erahnen, lag das alte Kursziel mit 95 Franken doch nur unwesentlich über den zuletzt bezahlten Kursen.
Zur Erinnerung: Es war kürzlich anlässlich einer Investorenkonferenz der britischen Grossbank, als die Nestlé-Finanzchefin vorsichtige Aussagen zum Tagesgeschäft machte und dem Kurs der eigenen Aktien damit ziemlich zusetzte.
Nächste Woche dürfte die amerikanische Notenbank ihren Leitzins erstmals in diesem Zinszyklus senken. Das gilt als so sicher wie das Amen in der Kirche. Bleibt die Frage, ob es bei einem Zinsschritt von 25 Basispunkten bleibt – oder ob Fed-Chef «Jay» Powell und seine Notenbank-Gouverneure mit der grossen Kelle anrichten und den Leitzins sogar um 50 Basispunkte senken.
Nächsten Freitag werden wir es wissen, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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3 Kommentare
Der Abnehm-Hype ist jetzt aktuell und zwei Pharmafirmen stehen mit ihre Produkten bereits zur Verfügung. Andere nähern sich der Marktreife.
Bis in vier bis fünf Jahren auch noch Roche mit anbietet, ist der Kuchen schon längst verteilt, ausser etwas wirklich Besseres kommt. So sieht es zurzeit nicht aus.
Der leider mögliche worst case steht im Raum, dass die investierten 3 Mia. in den Sand gesetzt werden.
Schade, die wären bei der früheren Kernkompetenz der Entwicklung von Tumor-Medis wohl sinnvoller angelegt.
Bei Roche Studien mit CT 388 und CT 996 dürften die Teilnehmer mit diesem Nebenwirkungsprofil in 2-Facher Hinsicht Gewicht abgebaut haben. Wenn jemand Durchfall und Erbrechen hat isst er ganz automatisch weniger. Folglich haben diese Medikamente eine doppelte Wirkung.
Der Roche-Konzern hat eine Menge hausgemachter Probleme, die er dringend zu lösen hätte. Ob da eine konkurrenzfähige Schlankheitspille 2027 oder erst später kommt, ist Nebensache. Die Pharma-Konkurrenz ist das eine, die lahme, leichtgewichtige Roche-Führung das andere Hindernis.