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Schweizer Aktienmarkt: Die Kaufempfehlungen werden immer wagemutiger

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Der cash Insider kommentiert die wichtigsten Börsenereignisse. Diese Woche: Börse begegnet ersten Zahlenkränzen mit deutlichen Kursverlusten, Lonza und Sandoz hoch im Kurs. - Und: Kaufempfehlung für Clariant findet kein Gehör.

12.07.2024   12:00
Von cash Insider
Eine Packung mit Tabletten Ibuprofen 600mg von Sandoz, die gegen Schmerzen und Fieber eingesetzt werden.

Eine Packung mit Tabletten Ibuprofen 600mg von Sandoz, die gegen Schmerzen und Fieber eingesetzt werden.

Quelle: IMAGO/Andreas Haas

Der cash Insider berichtet auch im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Die Kurse wollen nach oben – und das endlich auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt. Gestern Donnerstag schrammte der Swiss Market Index (SMI) um Haaresbreite am bisherigen Rekordhoch vorbei – sofern man denn die Dividendenabgänge aufrechnet.

Zur Erinnerung: Anders als etwa beim Swiss Performance Index (SPI) gehen die Dividendenabgänge zu Lasten des SMI. Aus diesem Grund wurde der SMI mit Dividenden-Korrektur (SMIC) geschaffen. Und dieses Börsenbarometer schrieb erst vor wenigen Wochen neue Rekorde.

Hand-in-Hand mit den steigenden Aktienkursen nimmt auch die Risikoneigung der Marktakteure zu. Anekdoten aus Übersee gibt es mehr als genug. Ich schrieb erst kürzlich ausführlich über dieses Thema und schrieb, dass an der New Yorker Börse mittlerweile eine gefährliche Casino-Mentalität um sich greife.

Doch auch hierzulande gilt es immer öfter ähnliches zu beobachten. Mir fällt auf, dass die Banken und ihre Analysten vermehrt Kleinstaktien zum Einstieg anpreisen. Ich denke da etwa an die jüngsten Kaufempfehlungen für schlecht handelbare Valoren wie jene der Genfer Kantonalbank, StarragTornos, der CPH Chemie + Papier Holding oder dem kleinen Immobilienbeteiligungsvehikel Plazza.

Ausserdem treffen vermehrt neue Kaufempfehlungen für Aktien ein, welche bereits gut gelaufen sind und sich auf einem Rekordhoch befinden. Mir kommt da auf die Schnelle die Heraufstufung des Schwergewichts Novartis von "Neutral" auf "Outperform" mit einem Kursziel von 112 (zuvor 95) Franken durch die französische Investmentbank Oddo oder jene der Bank Vontobel für die Valoren von Sandoz von "Hold" auf "Buy" mit einem Kursziel von 40 (zuvor 30) Franken in den Sinn. Beide Aktien sind zuletzt gut gelaufen und schrieben in den vergangenen Tagen neue Kursrekorde – sofern man bei Novartis denn die Abspaltung von Alcon und Sandoz aufrechnet. Dann wäre da noch eine taktische Kaufempfehlung aus dem Aktienhandel der UBS-Tochter Credit Suisse für den diesjährigen SMI-Überflieger Lonza. Und das, obschon der Pharmazulieferer aus Basel gut 40 Prozent mehr an Börsenwert auf die Waage bringt als noch zu Jahresbeginn. L'Appétit vient en mangeant.

Die Sandoz-Aktien schreiben neue Rekorde (Quelle: www.cash.ch)

Besser spät als nie, dürfte sich auch Stifel-Analyst Andreas Heine gedacht haben, als er zu Wochenbeginn die Aktien von Clariant von "Hold" auf "Buy" heraufstufte. Dass die Börse überraschend unterkühlt auf die Kaufempfehlung reagierte, dürfte mit dem guten Lauf der Valoren über die letzten Wochen zu tun haben. Und so kommt es, dass sich von den zuletzt bezahlten Kursen nur noch ein einstelliges Aufwärtspotenzial zum neuen Kursziel Heines von 16,20 (zuvor 12,60) Franken ableiten lässt.

Wie der Analyst und seine beiden Mitautoren in einer mehrseitigen Branchenstudie schreiben, hat die Gewinnerholung beim Spezialitätenchemiehersteller aus Muttenz an Glaubwürdigkeit gewonnen. Ausserdem rechnen sie nach investitionsreichen und von Restrukturierungskosten begleiteten Jahren mit einer deutlich besseren Cash-Flow-Generierung.

Tatsächlich scheint sich bei Clariant einiges zum Besseren zu wenden. Gut möglich, dass die Baselbieter den Ruf des Sorgenkinds nach langen Jahren endlich abstreifen können. Die Börse trägt diesem Umstand jedoch bereits Rechnung, kosten die Aktien doch gut vier Kursfranken mehr als noch im März dieses Jahres. Wenn eine Kaufempfehlung wie jene von Stifel für die Aktien von Clariant kein Gehör findet, lässt das jedenfalls tief blicken.

Wenn sich ein Aktienanalyst irrt, dann läuft das auf Schätzungsanpassungen und eine Kurszielveränderung hinaus. Irrt man sich als Anlegerin oder Anleger, kostet das Geld. Bei aggressiven Kaufempfehlungen oder atemberaubend hohen Kurszielen gilt deshalb: Zu Risiken und Nebenwirkungen...

In den letzten Tagen lief hierzulande die Halbjahresberichterstattung an. Mit DocMorris, Barry Callebaut, Ems Chemie und der Partners Group legten bisher vier Unternehmen erste Zahlenkränze vor. In drei von vier Fällen reagierte die Börse ziemlich verschnupft. Die Aktien von DocMorris und Barry Callebaut hatten am Tag der Ergebnisveröffentlichung gar prozentual zweistellige Kursverluste zu beklagen. Bei der Versandapotheke erwies sich das Geschäft mit elektronischen Medikamentenrezepten in Deutschland als weniger stark als gedacht und beim Schokoladehersteller blieb die erhoffte Erhöhung der Jahresvorgaben aus. Bleibt mir nichts weiter als zu hoffen, dass sich diese Beobachtung nicht wie ein roter Faden durch die Halbjahresberichterstattung ziehen wird.

Kommen wir an dieser Stelle noch kurz auf die Geldpolitik zu sprechen. Während nicht weniger als zwei Stunden stand der amerikanische Notenbankchef "Jay" Powell am Dienstag einer Expertengruppe aus dem Senat Rede und Antwort – gefolgt von einer weiteren Anhörung tags darauf. Wer sich wertvolle Erkenntnisse in Bezug auf die künftige Geldpolitik erhofft hatte, wurde allerdings enttäuscht. Powell liess sich partout nicht in die Karten blicken. In einem Kommentar gab sich Kepler Cheuvreux sichtlich ernüchtert und fasste das Gesagte mit folgenden Worten zusammen: Keine Überraschungen und auch keine klaren Anhaltspunkte, wann eine erste Leitzinsreduktion denn anstehen könnte.

In Ökonomenkreisen geht man auch weiterhin von einem ersten Zinsschritt im September aus. Im Dezember dürfte die amerikanische Notenbank den Leitzins dann nochmal um 25 Basispunkte senken. Die gestern Donnerstag veröffentlichten Konsumentenpreisindizes sollten dem nicht im Weg stehen, hat der Teuerungsschub im Juni doch weiter an Kraft verloren – selbst bei der für die Geldpolitik wichtigen Kernrate. Die Erwartungshaltung der Ökonomen spiegelt sich in New York übrigens auch in den dortigen Anleihenkursen wider.

Die Aktien von DocMorris gerieten in den letzten Tagen unter die Räder (Quelle: www.cash.ch)

Bleiben wir in New York: Kürzlich stolperte ich in einem Strategiepapier über folgende Aussage: Europa brauche den Vergleich mit den USA nicht zu scheuen. Denn was für die USA Technologiekonzerne wie Nvidia und Co sind, seien für Europa die Luxusgütergiganten – allen voran LVMH. Auch diese Aktien hätten sich in den letzten Jahren schliesslich im Kurs vervielfacht.

Bei aller Wertschätzung für die Handwerkskünste der Luxusgüterhersteller lässt sich für mich diese Argumentation nur schwer nachvollziehen. Denn während die Weltmächte USA und China fleissig an ihrer technologischen Zukunft arbeiten und Aufbruchstimmung zu verspüren ist, beschäftigt man sich bei uns in Europa lieber mit den "schönen Dingen" des Lebens.

Ebenfalls Erwähnung findet im Strategiepapier der Überflieger Novo Nordisk – am Börsenwert gemessen mittlerweile das wertvollste Pharmaunternehmen der Welt. Doch selbst der kommerzielle Erfolg der Dänen mit der Abnehmspritze fusst eigentlich auf einer Wirkstoffklasse, welche man in der Diabetesbehandlung schon seit langen Jahren kennt.

Dieser Eindruck vermitteln auch Erhebungen der Universität von Standford, wonach Südkorea im Jahr 2022 Spitzenreiter bei den Patenten für die künstliche Intelligenz war. Auf 100'000 Einwohner kamen damals 10,3 Patente, was dem asiatischen Land den Spitzenplatz beschert. Auf Rang zwei folgen die USA mit 4,2 Patenten auf 100'000 Einwohner, gefolgt von Japan mit 2,5 Patenten. Deutschland (0,7), Grossbritannien (0,4) und Frankreich (0,3) sind hingegen "unter ferner liefen" zu finden.

Diese Erhebungen zeigen sehr gut, wo auf der Welt Innovation entsteht und wo nicht. Auf mich macht das den Eindruck, als ob sich Europa wirtschaftlich langfristig ganz bewusst in die Bedeutungslosigkeit verabschieden wollte...

Apropos Verabschieden: Ich verabschiede mich nun für eine Woche in die Familien-Ferien. Das nächste Insider Briefing und die nächste Kolumne erscheinen deshalb erst am Montag, den 22. Juli 2024, um die gewohnte Zeit.

Ich wünsche allen meinen Leserinnen und Leser in der Zwischenzeit viel Sonne und immer das nötige Quäntchen Glück bei den Börsengeschäften.

Herzlichst, der cash Insider

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.
 

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6 Kommentare

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12msnmdhg345

Es ist immer wieder zu beobachten, dass Analysten Titel bei Höchstkursen empfehlen. Z.B. Genfer KB ist diese Jahr schon 30pct gestiegen!

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unusual_whales

"Wenn sich ein Aktienanalyst irrt, dann läuft das auf Schätzungsanpassungen und eine Kurszielveränderung hinaus. Irrt man sich als Anlegerin oder Anleger, kostet das Geld. Bei aggressiven Kaufempfehlungen oder atemberaubend hohen Kurszielen gilt deshalb: Zu Risiken und Nebenwirkungen..."

Perfekt beschrieben!

Danke und schöne Ferien! 😎

cash_insider

Vielen herzlichen Dank für die lobenden Worte und die Feriengrüsse. Auf bald! 8-)

karlotto

Genau so isses 😁 darum Augen auf

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atziluth

Die europäische Innovation sowie der europäische Börsenmarkt ist bedeutungslos und wird immer bedeutungsloser. Ich sage nur, es herrscht "Brot und Spiele" in Europa, und wie dies endet weiss jeder.... Immer grösser wird das Gebiet aber Null Kaufkraft und Wirtschaftsstärke. Bald wird sich Europa in der Abteilung Emerging Markets wiederfinden....

cash_insider

"Emerging" steht ja eigentlich für "aufstrebend". Demerging Markets wäre da wohl leider passender. Auch mir kommt das schon eine ganze Weile so vor wie im alten Rom: Gebt dem Volk Brot und Spiele...

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