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Was war das bloss für eine Woche. Schon am Montag bot sich den hiesigen Marktakteuren im Laufe des Nachmittags ein erster kleiner Vorgeschmack auf das, was sie in den darauffolgenden Tagen noch erwarten sollte. So fiel der breit gefasste Swiss Performance Index (SPI) bei etwas weniger als 13'452 Punkten mal eben schnell auf den tiefsten Stand in diesem Jahr. Die Baissiers hatten das Geschehen fest im Griff und erstickten jegliche Erholungsversuche im Keim.
Interessant ist, dass die Handelsumsätze die ganze Woche über ungewöhnlich dünn blieben. In manchen Momenten fühlte es sich – zumindest für mich – so an, als ob die amerikanischen Grossinvestoren unserem Aktienmarkt feiertagsbedingt ferngeblieben wären. Selbst bei Spezialsituationen stellte sich nicht die übliche Belebung ein.
Es dürfte denn auch den dünnen Handelsumsätzen geschuldet sein, dass viele Aktien geradezu willkürliche Kursverluste zu beklagen hatten. Ich denke da etwa an jene des Genfer Warenprüfkonzerns SGS, des Pharmazulieferers Lonza, des Sensorenherstellers AMS Osram oder der ehemaligen Novartis-Tochter Sandoz.
Meist musste man über unsere Landesgrenzen hinausschauen, um hinter das Geheimnis der besagten Kursverluste zu kommen. SGS wurde nämlich für einen enttäuschenden Zwischenbericht des französischen Rivalen Bureau Veritas mit Kursverlusten bestraft, AMS Osram für tiefere Jahresvorgaben bei STMicroelectronics in Sippenhaft genommen und bei Lonza setzten vorsichtige Aussagen seitens des amerikanischen Mischkonzerns Danaher gleich der ganzen Branche zu.
Kursentwicklung der Lonza-Aktien in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)
Auch eine Beteiligungsreduktion durch den Fondsriesen Capital Group sorgte bei Lonza für verstimmte Gemüter. Ich kommentierte diese gestern Donnerstag wie folgt:
Ein neuer Handelstag – ein neues Allzeittief für die Aktie. Passender liessen sich die letzten Wochen aus Sicht der nicht gerade erfolgsverwöhnten Aktionärinnen und Aktionäre von Idorsia wohl nicht umschreiben.
Am Dienstag legte das Pharmaunternehmen aus Allschwil endlich den Zahlenkranz für die ersten neun Monate vor. Dieser konnte sich sehen lassen. Der Umsatz verdreifachte sich auf 131 Millionen Franken und stellte die von Analysten erwarteten 52 Millionen Franken klar in den Schatten. Der operative Verlust fiel mit 144 Millionen Franken ebenfalls deutlich geringer als befürchtet aus. Analysten waren durchschnittlich von einem Fehlbetrag in Höhe von 564 Millionen Franken ausgegangen.
Neben rigorosen Sparmassnahmen bediente sich Firmenpatron Jean-Paul Clozel auch eines kleinen buchhalterischen Kniffs, um den operativen Verlust einzugrenzen: So wurde etwa rund um die Vereinbarung mit Sosei ein einmaliger Gewinn von 363 Millionen Franken verbucht.
Die Zahl des Tages – sie war mitunter der Grund für die unterkühlte Reaktion der Börse – lautete 255 Millionen Franken. Sie steht für die liquiden Mittel per Ende September und zeigt, wie sehr die Zeit in Sachen Bilanzsanierung drängt.
Wie der für Jefferies tätige Pharmaanalyst Brian Balchin schreibt, wird Idorsia wohl oder übel in den sauren Apfel einer Kapitalerhöhung beissen müssen. Er geht davon aus, dass sich mit einer Auslizenzierung von Wirkstoffen rund 200 Millionen Franken erzielen lassen. Seinen Berechnungen zufolge müssen die Allschwiler für weitere 115 Millionen Franken neue Aktien ausgeben. Er stuft die Valoren wie bis anhin mit "Hold" ein, wobei das 2,60 Franken lautende Kursziel dringend einer Überarbeitung bedarf.
Ging der Jefferies-Analyst noch vor der Veröffentlichung der Neunmonatszahlen von einem Platzierungspreis der neuen Aktien von 1,40 Franken je Stück aus, erscheint diese Annahme nach dem jüngsten Kursrutsch nicht länger realistisch.
Bleibt mir nichts weiter als zu hoffen, dass Firmenpatron Jean-Paul Clozel der Befreiungsschlag aus dem Klammergriff der Leerverkäufer doch noch gelingt und letztere mit ihren Wetten gegen Idorsia aus dem Sattel geworfen werden. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt...
Seit diesem Mittwoch gibt es ein weiteres "Zahlen-Opfer": Nach der Veröffentlichung des Bestellungseingangs für die ersten neun Monate dieses Jahres gerieten die Aktien von Sulzer unter die Räder. Dass mit 2,81 Milliarden Franken etwas weniger Bestellungen beim Pumpenhersteller eingegangen sind als gedacht, dürfte vor allem dem starken Franken geschuldet sein. Analysten waren im Vorfeld von einem Bestellungseingang in Höhe von 2,87 Milliarden Franken ausgegangen.
Trotz dieser naheliegenden Erklärung und trotz den beibehaltenen Finanzzielen der Winterthurer für das laufende Jahr gerieten auch diese Aktien unter die Räder. Zeitweise gaben sie mehr als sieben Prozent nach – gefolgt von weiteren drei Prozent tags darauf.
Die Stimmung am Schweizer Aktienmarkt fasste ich schon letzten Freitag wie folgt zusammen:
...und...
Kommen wir an dieser Stelle noch auf Sandoz zu sprechen. Nach einem Vorstoss bis auf 30 Franken – begleitet von Spekulationen unterschiedlichster Natur – sind die Aktien des Börsendebütanten mittlerweile wieder für 25 Franken zu haben.
Am Dienstag erteilten die Firmenlenker den Spekulationen auf eine Erhöhung der diesjährigen Finanzziele eine leise, wenn auch unmissverständliche Absage. Es bleibt diesbezüglich nämlich alles beim Alten. Und auch zu weiteren Neuzugängen im Grossaktionariat des Generikaherstellers kam es zuletzt nicht.
Kursentwicklung der Aktien von Sandoz seit dem Börsengang von Anfang Oktober (Quelle: www.cash.ch)
Auch Roche gehörte diese Woche wieder die mediale Bühne. Die Basler übernehmen für gut 7 Milliarden Dollar die amerikanische Telavant, wobei das Interesse insbesondere dem Wirkstoff RV-3101 gelten dürfte. Dieser zeigt bei der Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa vielversprechende Erfolge.
Firmenchef Thomas Schinecker lässt sich den Vorstoss in dieses neue Therapiegebiet einiges kosten, beziffern Analysten den Spitzenumsatz von RV-3101 für die USA und Japan um die Zulassungswahrscheinlichkeit bereinigt doch auf 2,3 Milliarden Dollar jährlich. Die Vertriebsrechte für die übrigen Weltregionen verbleiben bei Pfizer, einem der bisherigen Mitaktionäre.
Nachdem in den amerikanischen Wirtschaftsmedien schon im Juli von einem angeblichen Interesse der Basler an Telavant nachzulesen war, kommt die Übernahme eigentlich nicht überraschend. Die eigentliche Überraschung ist deshalb vor allem der hohe Kaufpreis. Einige Analysten sehen in RV-3101 denn auch eine ziemlich gewagte Wette des Roche-Chefs. Ich persönlich gehe sogar noch einen Schritt weiter und beurteile den Firmenkauf vor dem Hintergrund der Kursverluste der letzten zwei Jahre gar als so etwas wie eine Verzweiflungstat...
Warten wir mal ab, was uns die kommende Woche so bringen wird. Unter anderem stehen ja von Straumann Umsatzzahlen an. Die Aktien des Weltmarktführers aus Basel gerieten in den letzten Tagen nach einer überraschenden Gewinnwarnung des Zahnspangenherstellers Align Technology unter Verkaufsdruck. Ob zu Recht oder nicht, dürfte sich am Dienstag zeigen. Mehr dazu am nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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3 Kommentare
Verzweiflungstat von Roche oder Lotterie? Auf jeden Fall gibt es ein Führungsproblem.
Schweizer Aktien, nur noch im Ausnahmefall.
Treffender Kommentar!
Der Glanz von Roche ist weg. Jahre ohne erfolgreiche Forschung, ein glückloser Chef ohne Charisma und die schweigende Gründerfamilie lassen enttäuschte Anleger zurück. Die angekündigte Besserung für 2024 bezieht sich nur auf die schon schwachen Zahlen von 2023. Von attraktiven Produkten keine Spur. Neue kluge Köpfe sind dringend gefragt!