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Mit dem Entscheid, den Mindestkurs für den Euro aufzugeben, bereitete die Schweizerische Nationalbank (SNB) dem Höhenflug am Schweizer Aktienmarkt ein jähes Ende. Der von unseren Währungshütern verursachte Buschbrand führte dazu, dass die in den vorangegangenen 12 Monaten mühsam erkämpften Kursavancen innerhalb von gerademal zwei Handelstagen in Rauch aufgingen.

Seit dem späten Donnerstagnachmittag berichtet man mir von aggressiven Verkaufsaufträgen aus dem Lager ausländischer Grossinvestoren. Die Abgabewelle erstreckt sich nicht nur über die Aktien der am stärksten von den Währungsfluktuationen betroffenen Unternehmen, sondern reisst auch alle übrigen in die Tiefe. Blut fliesse in den Strassen, so lasse ich mir von Händlern lakonisch sagen.

In einer Strategiestudie aus dem Hause Barclays Capital giessen die Verfasser weiteres Öl ins lodernde Feuer. Sie lassen zwar durchblicken, dass ihre Berufskollegen aus dem Devisenhandel über die kommenden Wochen mit einem leicht schwächeren Franken rechnen. Mit einer Rückkehr des Euros in die Region des von der SNB aufgegebenen Mindestkurses sei so schnell jedoch nicht wieder zu rechnen.

Um dieser Einschätzung den nötigen Nachdruck zu verleihen, empfehlen die Aktienstrategen ihrer Anlagekundschaft den Verkauf von Schweizer Aktien sowie Umschichtungen in solche aus europäischen Nachbarländern.

Die Experten sagen den hiesigen Unternehmen gleich von zwei Seiten her Druck auf die zukünftige Gewinnentwicklung vorher: Einerseits führt die Frankenstärke zu Währungsverlusten und andererseits drücken überproportional hohe in Franken anfallende Kosten auf die Margen. Dadurch gehe vielen Firmen quasi über Nacht ihre Wettbewerbsfähigkeit abhanden.

Dass der Schweizer Aktienmarkt seit Ende der 1990er-Jahre besser als andere Börsen abgeschnitten hat, wird bei Barclays Capital nicht zuletzt mit den schon seit Jahren rückläufigen Zinsen begründet. Zumindest in den USA und in Japan seien diese nach der Ankündigung eines Anleihenrückkaufprogramms jedoch wieder gestiegen. Ähnliches sei kommende Woche auch nach dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) erwarteten Anleihenrückkaufprogramm zu erwarten. Spätestens ab dann erwarten die Experten eine unterdurchschnittliche Entwicklung unseres Heimmarkts.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen streichen sie die Aktien von Credit Suisse und Adecco aus dem schon damals unter dem Dach von Lehman Brothers viel beachteten "European Recommended Portfolio".

Die Berufskollegen von Julius Bär teilen die Meinung der Experten von Barclays Capital allerdings nicht. Obschon sie Schweizer Aktien in ihren Wertschriftenportfolios weiterhin nur neutral gewichten, raten sie von Panikverkäufen ab. Noch gebe es zwar unbeantwortete Fragen im Zusammenhang mit dem Entscheid der SNB. Die Schweizer Wirtschaft habe in der Vergangenheit jedoch bewiesen, dass sie mit einem höheren Franken umgehen könne. Sich des Risikos bewussten Anlegern legt man bei der Zürcher Traditionsbank sogar erste selektive Käufe nahe.

Jede Münze hat zwei Seiten. Das gilt auch für den Franken. Während die britische Barclays Capital den Schweizer Aktienmarkt aus Sicht des ausländischen und nicht in Franken rechnenden Anlegers betrachtet, handelt es sich bei Julius Bär um eine hiesige Bank. Dies erklärt auch die sehr unterschiedliche Beurteilung unseres Heimmarktes.

Vermutlich ist der erbitterte Kampf zwischen Haussiers und Baissiers noch eine ganze Weile nicht ausgestanden. Bis sich der Nebel nach dem wenig populären Entscheid der SNB gelichtet hat, sind bei der einen oder anderen Aktie auf kurze Sicht Übertreibungen möglich.

Denn während die Währungsgewinne auf dem Franken den ausländischen Marktakteuren die teilweise brutalen Kursverluste bei den hiesigen Aktien abdämpfen, schlagen die Verluste bei uns Schweizer Anlegern voll durch. Da tröstet die mit der Frankenstärke einhergehend höhere Kaufkraft mit allen ihren Vorzügen wie günstigeres Reisen ins Ausland oder billigeres Tanken an der Zapfsäule nur bedingt darüber hinweg.

Wer übrigens denkt, dass der Schweizer Aktienmarkt nach den horrenden Verlusten vom Donnerstag und Freitag nun günstiger bewertet ist, der irrt. Die über unsere exportorientierten Unternehmen hereinbrechende Welle an Gewinnschätzungsreduktionen sorgt nämlich dafür, dass die Bewertung hierzulande am oberen Ende der historischen Bandbreite verharrt. So gesehen ist der jüngste Rückschlag nur dort eine Kaufgelegenheit, wo die Marktakteure zu Übertreibungen neigen. Auch eine grundsätzliche Verkaufsempfehlung für hiesige Aktien wie jene von Barclays Capital scheint mir falsch.