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Man muss kein eingefleischter Profi sein, um erahnen zu können, dass sich mächtige Aktienmarktakteure seit Wochen einen Schlagabtausch liefern. Während für die einen auch weiterhin die Aktien wachstumsstarker Unternehmen wie Logitech, VAT Group oder Lonza das Mass aller Dinge sind, setzen die anderen neuerdings viel lieber auf die sträflich vernachlässigten Substanzwerte.
Der Streit Wachstumsaktien gegen Substanzwerte nimmt immer extremere – ja fast schon religiöse – Züge an. Vermutlich auch, weil für alle Beteiligten viel auf dem Spiel steht. Nichtsdestotrotz tummeln sich in den Valoren von Logitech, VAT Group und Co. vermehrt die Schnäppchenjäger. Wobei der Begriff "Schnäppchen" eigentlich fehl am Platz ist. Denn obwohl viele dieser Papiere von den Höchstkursen etwas zurückgefallen sind, liegt die Bewertung noch immer weit über dem Durchschnitt vergangener Tage.
Davon lassen sich die Schnäppchenjäger allerdings nicht weiter beeindrucken. Ähnliches gilt für einige Analysten, unter ihnen Michael Foeth bei Vontobel. Er stuft die Aktien der VAT Group im Vorfeld des diesjährigen Investorentages von "Hold" auf "Buy" herauf. Und um seiner Kaufempfehlung den nötigen Nachdruck zu verleihen, erhöht Foeth das Kursziel auf 215 (zuvor 183) Franken.
Kursentwicklung der Aktie der VAT Group seit dem Börsengang vom April 2016 (Quelle: www.cash.ch)
Der Vontobel-Analyst räumt zwar ein, dass die Absatzmärkte des Halbleiterzulieferers aus dem Rheintal Zyklen unterliegen. Trotzdem sagt er dem Unternehmen ein weiteres wachstumsreiches Jahr sowie zusätzliche Marktanteilsgewinne zu Lasten der Konkurrenz vorher.
Alleine schon der Begriff "Zyklus" irritiert mich bei einem Wachstumsunternehmen wie der VAT Group ein wenig – auch im Wissen, dass die Halbleiterindustrie als einer der launischsten Wirtschaftszweige überhaupt gilt. Nicht selten geben die Aktien grosser Halbleiterhersteller und ihrer Zulieferer Monate vor dem Ende eines Nachfragehochs nach. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die mächtigen angloamerikanischen Grossinvestoren meist bereits vom Acker gemacht.
Die Vergangenheit lehrt uns, dass steigende Kurse bei stark rückläufigen Handelsvolumina für gewöhnlich keine guten Vorboten sind. Der geübte Franzose würde da wohl "pourvu que ça dure" erwidern. Ich hoffe, ich irre mich. Wer an hiesigen Wachstumsaktien festhält – oder die Kursschwäche der letzten Wochen gar zum Zukauf nutzt – sollte deshalb nicht mehr länger nur die Zinsentwicklung, sondern auch die Handelsvolumina genauestens im Auge behalten.
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Seit Tagen seien Umtauschoperationen von Sika in LafargeHolcim zu beobachten, so berichtet die altehrwürdige Zürcher Privatbank Rahn+Bodmer in ihrer täglich erscheinenden Publikation Börsenbarometer.
Das scheint nicht an den Haaren herbeigezogen, bestätigen mir doch weitere Quellen unabhängig voneinander, dass Gelder aus dem dynamischen Börsenüberflieger Sika abgezogen werden und in Richtung des eher als gemächlich bekannten Zementherstellers LafargeHolcim fliessen.
Die Autoren von Rahn+Bodmer gehen sogar noch einen Schritt weiter und sehen die Papiere des Weltmarktführers aus Jona bis auf 50 Franken vorstossen.
Für Sika-Chef Paul Schuler wäre das ein ziemlicher Affront, würden einige seiner Aktionäre einfach so zu seinem mittlerweile für LafargeHolcim tätigen Vorgänger Jan Jenisch abwandern. Allerdings kann Schuler das wohl verkraften. Denn seit er vor gut drei Jahren das Ruder von Jenisch übernommen hat, haben sich die Aktien seines Arbeitgebers mehr als im Kurs verdoppelt. Wer damals stattdessen auf jene von LafargeHolcim setzte, liegt mit fast 15 Prozent in den Miesen.
Seit knapp zwei Wochen öffnet sich die Schere zwischen den Aktien von Sika (rot) und jenen von LafargeHolcim (grün) (Quelle: www.cash.ch)
Noch immer ist unklar, ob die ursprünglich von J.P. Morgan angestossenen Umschichtungen aus Wachstumsaktien wie Sika in Substanzwerte wie LafargeHolcim tatsächlich Hand und Fuss haben – oder ob es sich dabei bloss wieder um ein Strohfeuer handelt.
Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich mir in diesem Zusammenhang wichtige Anhaltspunkte von der künftigen Entwicklung der Dollar-Zinsen erhoffe. Nur wenn in Übersee die Zinsen weiter steigen, dürften endlich auch angloamerikanische Momentum-Investoren den eigentlich längst überfälligen Schritt in Richtung Substanzwerte vollziehen. Zuletzt rentierten zehnjährige amerikanische Staatsanleihen etwas mehr als 0,9 Prozent. Ein Renditeanstieg auf über ein Prozent würde den Damm wohl vollends zum Bersten bringen – Risse hat er jedenfalls schon.
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