Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Spätes Frühlingserwachen am Schweizer Aktienmarkt: Heute Freitag steigt der Swiss Market Index (SMI) erstmals wieder auf über 12'000 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Bis zum Rekordhoch vom Januar 2022 sind es zwar noch immer knapp 1000 Punkte. Allerdings ist das dem Umstand geschuldet, dass Dividendenabgänge ja bekanntlich zu Lasten des SMI gehen.

Im Insider-Briefing berichtete ich davon, dass der Schweizer Aktienmarkt – sofern man den SMI mit Dividenden-Korrektur (SMIC) hinzuzieht – schon seit Mittwoch neue Rekorde schreibt. Mit Blick auf andere europäische Börsenplätze wie etwa Frankfurt, Paris oder London wurde aber auch langsam Zeit. Mich überrascht, dass diese Rekorde für die hiesigen Medien noch kein Thema waren.

Passend zur Rekordjagd gab es diese Woche die Ergebnisse der jüngsten Umfrage der Bank of America bei Fondsmanagern und Vermögensverwaltern rund um den Globus. Wenig überraschend machen sich erstmals Überhitzungserscheinungen bemerkbar. So fiel etwa die durchschnittliche Liquiditätsquote im Vergleich zum Vormonat von 4,2 auf 4 Prozent. Es ist dies der tiefste Umfragewert seit dem Frühsommer 2021. Sollte die durchschnittliche Liquiditätsquote unter 4 Prozent fallen, sieht die amerikanische Grossbank darin sogar ein taktisches Verkaufssignal für Aktien. Bei der nächsten Umfrage könnte es soweit sein.

Am SMIC gemessen feiert der Schweizer Aktienmarkt neue Rekorde (Quelle: www.cash.ch)

In dieses Bild passt auch, dass die befragten Fondsmanager und Vermögensverwalter bis über beide Ohren in Aktien investiert sind. Der durchschnittliche Aktienanteil ist so hoch wie seit Januar 2022 nicht mehr. Nach neuen Indexrekorden – auch in der Schweiz – trübte sich die Stimmung damals innerhalb weniger Tage ein. Die Kurse fielen rund um den Globus. Noch wurde das taktische Verkaufssignal aber nicht gegeben.

Wenden wir uns an dieser Stelle nun aber dem hiesigen Börsengeschehen zu. Mit Spannung wurde der Zwischenbericht von Lonza nach den ersten drei Monaten erwartet – selbst im Wissen, dass der Pharmazulieferer aus Basel wie üblich mit konkreten Zahlen geizen würde. Nicht gerade gut kam an der Börse die Aussage an, wonach sich das Geschäft über sämtliche Bereiche hinweg schwächer als zur selben Zeit letzten Jahres entwickelt habe.

Noch-Firmenchef Albert Baehny und sein Finanzchef Philippe Deecke waren an der Analystenkonferenz vom Nachmittag denn auch sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten. Man gehe bis Mitte Jahr von einer Normalisierung und anschliessend von einer Belebung aus. Die wichtigsten Wachstumsprojekte verliefen nach Plan, liess man die Teilnehmenden zudem wissen. Gleichzeitig bekräftigte man – wie bereits frühmorgens in der Mitteilung an die Medien - die diesjährigen Finanzziele.

Raum für positive Überraschungen bietet in der "Biosecure Act" in den USA. Dieser Gesetzesvorstoss sieht vor, den Abschluss staatlicher Verträge mit chinesischen Auftragsfertigern zu untersagen, welche als bedenklich für die nationale Sicherheit eingestuft werden. Auf der Liste dieser Unternehmen ist etwa der chinesischen Lonza-Rivale Wuxi Biologics zu finden. Mögliche positive Folgen des "Biosecure Act" lassen die Basler noch nicht in ihre Finanzziele miteinfliessen.

Trotz des eher etwas enttäuschenden Zwischenberichts erhöhte Analyst Elmar Sieber von der Basler Kantonalbank sein Kursziel auf 500 (zuvor 480) Franken. Dabei konnte er sich einen kleinen Seitenhieb in Richtung des bald zurücktretenden Albert Baehny nicht verkneifen. Mit der Erhöhung honoriere er einerseits das Festhalten an den Mittelfristzielen, andererseits aber auch das Ende der Ära Baehnys, wie er in einem Kommentar festhielt. Seines Erachtens hat Baehny den Pharmazulieferer zwar entscheidend geprägt, was ihm hoch anzurechnen sei. Allerdings sei es unter seiner Führung als Verwaltungsratspräsident zu einigen Chefwechseln gekommen, was für Unruhe im Unternehmen gesorgt habe. Am "Marktgewichten" lautenden Anlageurteil des Analysten ändert sich indes nichts.

Spätestens wenn die Basler Ende Juli ihr Halbjahresergebnis vorlegen, wird sich zeigen, ob die kursseitigen Vorschusslorbeeren der letzten Monate auch wirklich gerechtfertigt sind. Immerhin führen die Lonza-Aktien die diesjährige SMI-Gewinnerliste mit einem geradezu beeindruckenden Kursplus von 43 Prozent seit Januar unangefochten an.

Am frühen Mittwoch wartete auch SoftwareOne mit dem Zwischenbericht für die ersten drei Monate auf. Das Interesse galt an diesem Morgen weniger dem Zahlenkranz selber als vielmehr den diesjährigen Finanzzielen. In den Tagen zuvor waren nämlich Stimmen laut geworden, wonach der Anbieter von Cloud-Lösungen diesbezüglich zurückkrebsen könnte. Mittlerweile wissen wir es besser: Bei den Finanzzielen bleibt alles wie gehabt.

Dass für die Aktien zeitweise bis zu sieben Prozent höhere Kurse bezahlt wurden, dürfte allerdings auch damit zu tun gehabt haben, dass nach der Auswechslung des Verwaltungsrats gleich mehrere Interessenten in Stans angeklopft haben. Das neu bestückte Gremium um die Gründeraktionäre hat nun einen Transaktionsausschuss ins Leben gerufen. Ein Rückzug von der Börse ist somit wahrscheinlicher geworden.

Die Aktien von SoftwareOne rücken wieder ins Zentrum von Übernahmespekulationen (Quelle: www.cash.ch)

Wie der für die Bank Julius Bär tätige Analyst Cengizhan Sen schreibt, sieht er in SoftwareOne auch weiterhin einen valablen Übernahmekandidaten. Und obwohl er die Aktien wie bis anhin mit einem Kursziel von 22,50 Franken zum Kauf anpreist, beziffert der Analyst den fairen Wert des Unternehmens eigentlich auf 25 Franken.

Als ich in den ersten Mai-Tagen von einer Beteiligungsreduktion auf unter fünf Prozent durch die Fondstochter der UBS berichtete, hielt ich folgendes fest:

...und weiter...

Wie viele Interessenten denn genau um SoftwareOne buhlen, will das Unternehmen vorerst übrigens nicht an die grosse Glocke hängen. Auch ob der Finanzinvestor Bain Capital noch immer zu den möglichen Bietern zählt, ist nicht bekannt. Man wolle innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens informieren, heisst es kurz und knapp.

Bei Roche fanden sich die Anlegerinnen und Anleger diese Woche auf einer Achterbahnfahrt der Gefühle wieder. In der ersten Wochenhälfte noch für einen Forschungserfolg von Novo Nordisk bei einem Konkurrenzpräparat zum Kassenschlager Hemlibra mit Kursverlusten bedacht, stossen die Valoren der Pharma- und Diagnostikgruppe aus Basel seit gestern Donnerstag plötzlich auf reges Interesse.

Das ist dem – zumindest gefühlt - ersten Forschungserfolg seit langen Monaten geschuldet, zeigt der Wirkstoffkandidat CT-388 in einer frühen Studie doch vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von Fettleibigkeit. Durchschnittlich haben die Probanden nach 24 Wochen nämlich fast 19 Prozent ihres Körpergewichts verloren, wobei sich das Gewicht bei fast der Hälfte von ihnen um 20 Prozent und mehr reduzieren liess.

Es macht ganz den Anschein, als sei der Wirkstoff CT-388 damit etwas potenter als etwa Mounjaro von Eli Lilly oder auch Ozempic von Novo Nordisk. Doch die Konkurrenz ist gross – auch bei den noch nicht zugelassenen Präparaten. Wie Vontobel-Analyst Stefan Schneider schreibt, befinden sich neben CT-388 weitere 60 Wirkstoffe in der Entwicklungsphase 1, 47 Wirkstoffe in der Entwicklungsphase 2 sowie 8 Wirkstoffe in der Entwicklungsphase 3.

Der Vergleich mit noch nicht zugelassenen Wirkstoffen ist schwierig. Mit VK2735 von Viking Therapeutics etwa haben die Probanden nach 13 Wochen durchschnittlich 13 Prozent ihres Gewichts verloren, mit LY3437943 von Eli Lilly durchschnittlich 12 Prozent und mit AMG-133 von Amgen nach 12 Wochen durchschnittlich 16 Prozent.

Ein weiteres Thema sind die unerwünschten Nebenwirkungen. Glaubt man Roche, dann ist das Nebenwirkungsprofil von CT-388 vergleichbar mit jenem der gesamten Wirkstoffklasse. Wie Analyst Marcel Brand von der Zürcher Kantonalbank schreibt, wäre es wichtig zu wissen, wie viele Probanden unter Übelkeit litten oder sich übergeben mussten. Gerade diese Nebenwirkung dürfte über das kommerzielle Potenzial entscheiden, sollte es der Wirkstoff denn überhaupt zur Marktreife schaffen. Mit einem Verkaufsstart wäre Brand zufolge irgendwann zwischen 2027 und 2029 zu rechnen.

J.P. Morgan sieht den weltweiten Umsatz für diese Medikamentenklasse bis Ende 2030 auf jährlich 44 Milliarden Dollar anschwellen. Bei Morgan Stanley geht man sogar von einem 100-Milliarden-Dollar-Markt aus, wobei die amerikanische Grossbank für 2030 im besten Fall sogar von einem Marktvolumen von bis zu 144 Milliarden Dollar ausgeht. Kein Wunder also, will gefühlt ein jeder ein Stück des milliardenschweren Kuchens abhaben.

Bleibt mir nur zu hoffen, dass sich das jüngste Kursfeuerwerk bei den Valoren von Roche nicht als Strohfeuer erweist. Die Deutsche Bank hat ihr Anlageurteil am Donnerstagnachmittag vorsorglich jedenfalls schon mal von "Sell" auf "Hold" erhöht – wenn auch mit einem wie bis anhin 215 Franken lautenden Kursziel. Überzeugung sieht für mich anders aus.

Nun wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern ein hoffentlich sonniges Pfingst-Wochenende. Das nächste Insider-Briefing und die nächste Kolumne erscheinen feiertagsbedingt am Dienstag.

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