Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.
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Was war das bloss wieder für eine Woche. Gerade der gestrige Donnerstag hatte es für uns Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten ganz schön in sich. Neben dem SMI-Schwergewicht Nestlé und der Zurich Insurance Group legten mit dem Konsumkreditanbieter Cembra Money Bank, dem Automobilzulieferer Feintool, dem Cyber-Security-Spezialisten Kudelski, dem Pumpenhersteller Sulzer und seiner ehemaligen Medizialtechniktochter Medmix sowie dem Stromanbieter Energiedienst Holding an diesem Morgen zahlreiche Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe ihre Zahlenkränze vor.
Die mediale Berichterstattung stand allerdings auch bei uns ganz im Zeichen der Quartalsergebnisveröffentlichung des Chip-Giganten Nvidia. An den Amerikanern gibt es momentan schlichtweg kein Vorbeikommen. Und das nicht ohne Grund: Das Zahlenspektakel, welches den Anlegerinnen und Anlegern da von einem Quartal zum nächsten geboten wird, ist immer aufs Neue wieder beeindruckend.
Nvidia war es im zurückliegenden Quartal möglich, den Umsatz um weitere gut 20 Prozent auf 22,1 Milliarden Dollar zu steigern. Analysten waren im Vorfeld durchschnittlich von einem Quartalsumsatz in Höhe von 20,4 Milliarden Dollar ausgegangen. Der Gewinn stieg überproportional auf 4,93 Dollar je Aktie und stellte die bei 4,24 Dollar liegenden Analystenschätzungen mit einer Leichtigkeit in den Schatten, die ihresgleichen sucht.
Und die Vorgaben fürs laufende Quartal lassen erahnen, dass es nach demselben Strickmuster weitergeht. Der Chip-Gigant geht nämlich von einem Gewinn von 5,41 Dollar je Aktie bei einem Umsatz von mindestens 24 Milliarden Dollar aus. Zum Vergleich: Analysten waren bisher von einem Gewinn von 4,93 Dollar je Aktie bei einem Umsatz von 21,9 Milliarden Dollar ausgegangen.
Obwohl in den letzten Wochen hinter vorgehaltener Analystenhand vermutlich über den offiziellen Schätzungen liegende Flüsterzahlen herumgereicht wurden, gewannen die Nvidia-Aktien gestern Donnerstag in New York zeitweise bis zu 15 Prozent. Mittlerweile treffen sogar erste Kursziele von 1000 Dollar und mehr ein – als gäbe es kein Halten. Der Börsenwert des Unternehmens stieg alleine gestern Donnerstag mal eben schnell um "bescheidene" 277 Milliarden Dollar.
Höhenflug der Nvidia-Aktien der letzten Tage (Quelle: www.cash.ch)
Nichtsdestotrotz gräbt der Hype um Nvidia und Co in New York anderen Börsenplätzen rund um den Globus immer mehr das Wasser ab. Diese Entwicklung lässt sich mit geradezu beeindruckendem Zahlenmaterial unterlegen. Wie Erhebungen der Bank of America zeigen, flossen den in Technologiewerte investierenden börsengehandelten Fonds alleine in diesem Jahr unter dem Strich 85 Milliarden Dollar zu – und die wollen investiert werden. Und diese Statistiken sind vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.
Zumindest ein Teil dieser Gelder fehlt dann an anderen Börsenplätzen. Gerade der Schweizer Aktienmarkt fristet seit langen Monaten ein Mauerblümchen-Dasein. New York feiert und der Swiss Market Index (SMI) eiert...
Kommen wir an dieser Stelle auf Nestlé zu sprechen. Dass der weltweit führende Nahrungsmittelhersteller in der zweiten Hälfte letzten Jahres unter der Frankenstärke ächzen würde, galt schon im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung vom gestrigen Donnerstagmorgen als so sicher wie das Amen in der Kirche von St. Martin im schönen Vevey.
Und so überrascht es nicht, dass sowohl der Gruppenumsatz von 93 Milliarden Franken als auch der Reingewinn von 11,2 Milliarden Franken hinter den bei 93,3 Milliarden Franken beziehungsweise 12,2 Milliarden Franken liegenden Analystenschätzungen vorbeischrammten.
Die Aktien von Nestlé gerieten am Tag der Zahlenveröffentlichung unter die Räder (Quelle: www.cash.ch)
Dass der Aktienkurs in der Folge um 5 Prozent einknickte, dürfte einerseits dem enttäuschenden Mengenwachstum im Schlussquartal und andererseits dem überraschend vorsichtigen Ausblick fürs laufende Jahr geschuldet sein.
Deswegen beim Nahrungsmittelhersteller aus Vevey eine Krise herbeizureden, wäre allerdings falsch. Denn vor dem Hintergrund der durchgesetzten Preiserhöhungen um gut 5 Prozent überrascht es mich nicht, wenn die Absatzmengen stagnieren oder sich sogar leicht rückläufig entwickeln. Das Gesetz der Preiselastizität hebelt selbst eine Nestlé nicht einfach so aus – oder dann zumindest nicht auf Dauer.
Wenn ein schwerfälliger Riese wie Nestlé in einem Jahr wie dem vergangenen den Umsatz aus eigener Kraft um gut 7 Prozent steigern kann, dann ist das schon beachtlich. Ich könnte mir ausserdem gut vorstellen, dass Firmenchef Schneider beim diesjährigen Ausblick etwas gar tiefstapelt.
Auf eine bewegte Woche blicken die Aktionärinnen und Aktionäre von Meyer Burger zurück. Gestern Donnerstag berichtete ich von konkreten Anhaltspunkten dafür, dass eine Schmutz-Kampagne gegen den Solarhersteller läuft.
In Deutschland wird sogar schon seit Januar Stimmung gegen das Unternehmen gemacht. Das Ziel liegt auf der Hand: Meyer Burger soll schlecht gemacht werden, um den politischen Entscheidungsprozess in Sachen "Resilienz-Bonus" oder zumindest den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen.
Seit dem heutigen Freitagmorgen ist bekannt, dass das Unternehmen die Flucht nach vorn ergreift. Firmenchef Gunter Erfurt will nicht länger auf die Hilfe der Regierung in Berlin warten und plant eine Kapitalerhöhung über Bezugsrechte im Umfang von 200 bis 250 Millionen Franken. Dieses Geld soll in die Fertigstellung der amerikanischen Produktionsstätten fliessen.
Die Solarmodulfertigung im deutschen Freiberg soll hingegen – wie angedroht – eingestellt werden. Noch will man der Politik die Tür nicht ganz verschliessen, dürften die Lichter am dortigen Produktionsstandort doch erst Ende April ausgehen.
Als der MaschinenbauerMeyer Burger im Sommer 2020 eine Bilanzsanierung vornahm und in die Produktion von Solarzellen und -module vorstiess, sahen einige Beobachter darin einen Plan-B. Das würde die geplante Produktionsverlagerung nach Übersee somit zum Plan-B vom Plan-B machen.
Berechnungen des für die Zürcher Kantonalbank tätigen Analysten Bernd Laux sind aus Anlegersicht ganz schön ernüchternd. Er geht nämlich davon aus, dass das Solarunternehmen im Zuge der Kapitalerhöhung bis zu 5 Milliarden neue Aktien ausgeben muss und rechnet in diesem Zusammenhang mit einer Verwässerung zwischen 110 und 140 Prozent. Andere Analysten haben sich noch gar nicht zu Wort gemeldet. Man darf gespannt sein.
Dass die Aktien nach einem frühen Rücksetzer in die Nähe von 7 Rappen Boden gutmachen können, dürfte den aggressiven Deckungskäufen aus dem Lager ausländischer Leerverkäufer zu verdanken sein. Allem Anschein nach nehmen sie die aufgelaufenen Gewinne auf ihren Wetten gegen Meyer Burger vermehrt mit.
ABB-Chef Björn Rosengren gibt seinen Chefsessel schon diesen Sommer weiter. Und das nach gerade einmal vier Jahren. Das geht aus einer Meldung seines Arbeitgebers an die Medien hervor. Mit Morten Wierod beerbt ihn kein Unbekannter. Als bisheriger Verantwortlicher für die Sparte Electrification blickt er - wie auch sein bisheriger Vorgesetzter - auf erfolgreiche Jahre zurück. An Erfahrung und Fachwissen dürfte es ihm damit jedenfalls nicht mangeln.
Für was Wierod bei ABB künftig genau stehen wird, ist noch unklar. Wie vor ihm schon Rosengren, dürfte auch er der Industriegruppe seinen persönlichen Stempel aufdrücken. Will man Bernd Laux von der Zürcher Kantonalbank Glauben schenken, dann könnte ABB unter dem neuen Firmenchef mutiger und noch ehrgeiziger auftreten. Auch grössere Firmenübernahmen schliesst er nicht aus, will aber verstanden wissen, dass solche aus Aktionärssicht mit einem leicht höheren Risiko einhergehen könnten.
Die von ihm mit "Marktgewichten" eingestuften Aktien verlieren heute Freitag zeitweise mehr als 3 Prozent. Das mag damit zu tun haben, dass der Rücktritt Rosengrens zeitlich früher als erwartet kommt und der gebürtige Schwede als der Architekt der heutigen ABB gilt. Diese ist schlanker und dadurch nicht nur agiler, sondern auch rentabler. Nicht zuletzt auch im Wissen, dass der Aktienkurs unter Rosengren innerhalb weniger Jahre von 17 auf über 40 Franken gestiegen ist, geniesst er gerade in angelsächsischen Kreisen grosses Ansehen. Auch ich sehe im Rücktritt Rosengrens einen herben Verlust für die Industriegruppe.
Nächste Woche nimmt die Jahresberichterstattung hierzulande noch einmal kräftig Fahrt auf. Neben dem Verpackungsmaschinenhersteller SIG, dem Baustoffspezialisten Holcim, der ehemaligen Novartis-Tochter Alcon und dem Dentalimplantatehersteller Straumann gehört die Bühne vor allem den Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe. Für uns Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten herrscht damit einmal mehr Ausnahmezustand. Mehr zum Thema kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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3 Kommentare
Toot1 bringt es bei Roche auf den Punkt. Der CEO und der VR-Präsident haben für ein schwaches 2023 zusammen 14 Mio CHF bekommen. Malus statt Bonus wäre den Leistungen eher angepasst. Die Gründerfamilie, die das Sagen hat, scheint das nicht zu wecken. Bei demokratischen Strukturen wären Wechsel in der Führung und Strategie rasch angesagt. Die Abkehr vom Kerngeschäft zu zweifelhaften und teuren Marktnischen wirkt nicht überzeugend und lässt viele Teilhaber ratlos zurück. Kein Licht am Ende des Tunnels!
Exakt! Reich & Satt & Bequem: In der Roche-Führung hat es zu viele solche Exponenten!
Auch noch ein Thema der Woche könnte sein: Die schlappen Zustände bei ROCHE.
Wie man diese Woche im CASH lesen konnte, soll nun bei Roche eine laufende strategische Geschäftsüberprüfung erfolgen, bzw. Roche führe zurzeit eine strategische Businessüberprüfung durch, die aber noch etwas dauert. Investoren würden über die neue Strategie am Roche Pharma Day (30. September 2024) informiert.
Da stellen sich natürlich verschiedene Fragen. Z. B.: Was hat die Roche-Führung in den letzten 10 Jahren überhaupt bzgl. Businessplanung gemacht, insbesondere seit den Forschungsmisserfolgen im 2022?
Waren die Damen und Herren Millionenbezüger von einer Schlafkrankheit befallen (bitte Medikament bei Konkurrenz einkaufen)? Oder waren alle mit dem Bau des Roche-Turms beschäftigt?
Klar, Herr Schwan bekleckerte sich in den letzten Jahren mit der CS-Pleite und hatte keine Zeit. Aber die restliche Geschäftsleitung, der VR inkl. Roche-Erben, nahmen meines Erachtens ihre Verantwortung für die Zukunft des Unternehmens nur sehr mangelhaft wahr.
«Nun stehe der Ausbau der Forschung im eigenen Haus sowie der Kauf von Spezialisten auf verschiedenen Pharmagebieten im Vordergrund, um den Anschluss zu finden», so die Autoren des Düsseldorfer Anlegerbriefes.
Zunächst wäre aber ein sehr baldiges und gründliches „Ausmisten“ in der Basler Roche-Zentrale angesagt. Aber eben: Die Hoffnung stirbt zuletzt.