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Nach dem Zahlendebakel vom Donnerstag herrscht im Aktionariat von Roche schweigende Ratlosigkeit. Dass der starke Franken tiefe Spuren im Jahresergebnis hinterlassen würde, war eigentlich allen klar. Allerdings schrammte die Pharma- und Diagnostikgruppe aus Basel beim operativen Jahresgewinn selbst an den pessimistischsten Schätzungen vorbei, verkauften sich wichtige Medikamente im Schlussquartal doch schleppender als gedacht.
Folglich sind die Banken und ihre Analysten einmal mehr gezwungen, den dicken Korrekturstift bei ihren Schätzungen anzusetzen. Einen weiteren Nadelstich setzt es seitens des für die Deutsche Bank tätigen Pharmaanalysten Emmanuel Papadakis. Er reduziert seine Gewinnerwartungen noch einmal deutlich und veranschlagt neuerdings ein Kursziel von gerade noch 215 (zuvor 225) Franken.
Obwohl er die Genussscheine von Roche seit mittlerweile mehr als einem Jahr mit "Sell" empfiehlt, hatte sich Papadakis erste Anhaltspunkte für eine Stabilisierung, wenn nicht sogar für eine Belebung der Gewinnerwartungen erhofft. Doch das Gegenteil sei der Fall, wie der Analyst etwas desillusioniert einräumt.
Die 215 Franken sind das tiefste mir bekannte Kursziel. Auch von Stifel und der UBS gehen heute Montag nämlich Kurszielreduktionen ein. UBS-Analyst Matthew Weston kürzt das 12-Monats-Kursziel auf 248 (zuvor 262) Franken mit "Neutral" und sein Berufskollege Eric Le Berrigaud kommt immerhin auf ein Kursziel von 280 (zuvor 306) Franken für die mit "Hold" eingestuften Valoren.
Seit dem Zahlendämpfer stehen die Genussscheine von Roche unter Druck (Quelle: www.cash.ch)
Da überrascht es mich nicht, wenn die Kurse hartnäckig in der Nähe des Mehrjahrestiefs verharren. Ich kommentierte das Zahlendebakel am Freitag mit folgenden Worten:
...und...
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Still und leise haben die Aktien von Nestlé kursseitig Boden gutgemacht. Für eine Vorstoss zurück auf über 100 Franken reichte den Valoren des Nahrungsmittelherstellers aus Vevey die Kraft zwar noch nicht – allerdings mit Betonung auf: noch nicht.
Mir fällt auf, dass die Handelsumsätze zuletzt üppiger geworden sind. Es ist, als ob sich die Haussiers einen erbitterten Schlagabtausch mit den Baissiers liefern – oder aber letztere mit ersteren.
Für Wasser auf die Mühlen der Haussiers sorgt nun eine Offenlegungsmeldung an die SIX Swiss Exchange. Aus dieser geht hervor, dass die Capital Group zuletzt herzhaft Aktien zugekauft hat. Erstmals seit Dezember vor einem Jahr hält der Fondsriese wieder mehr als 3 Prozent an Nestlé. Ein Grossteil davon halten die Amerikaner in Form von Aktien, der Rest über an sie delegierte Stimmrechte und Derivate.
Neben der Capital Group zählt übrigens nur BlackRock zu den bedeutenden Aktionären mit einem Stimmenanteil von mindestens 3 Prozent. Der weltgrösste Vermögensverwalter ist sogar mit 5 Prozent an Nestlé beteiligt.
Kursentwicklung der Nestlé-Aktien über die letzten 12 Monate (Quelle: www.cash.ch)
Nachdem zuvor schon die beiden SMI-Schwergewichte Roche und Novartis im Schlussquartal letzten Jahres enttäuscht und eher konservative Ausblicke für dieses Jahr abgegeben haben, frage ich mich, ob nicht auch Nestlé enttäuschen wird – und an der Börse unter die Räder gerät. Wie die beiden grossen Pharmakonzerne aus Basel dürfte nämlich auch der Nahrungsmittelhersteller aus dem Waadtland mit den Folgen des starken Frankens ganz schön zu kämpfen haben.
Erst kürzlich warnte Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy davor, dass die Folgen der Frankenstärke von vielen seiner Berufskollegen bei anderen Banken unterschätzt würden und sich die Gewinnerwartungen ans Unternehmen deshalb als zu hoch erweisen könnten. Eigennutz dürfte bei diesen Aussagen keiner mitschwingen, preist Bertschy die Aktien von Nestlé doch schon eine ganze Weile zum Kauf an – zuletzt noch mit einem Kursziel von 120 Franken.
Spätestens am Morgen des 22. Februar wissen wir mehr. An diesem Tag steht beim Nahrungsmittelhersteller ja bekanntlich die Jahresergebnisveröffentlichung an...
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5 Kommentare
NB: Ausblick in das Jahr 2035: Die Chinesen und Inder dominieren den globalen Pharmamarkt (wie in der Autoindustrie). Roche wird dann noch weniger als die Hälfte des jetzigen Mitarbeiterbestandes haben. Teile des neuen Roche-Wohlfühlturms in Basel können dann als angesagte Partylocation oder für das Abhalten von Schnitzelbänken gemietet werden.
Das Ganze wird
immer absurder. Da ist eine der grössten Pharma-Firmen weltweit und mit grösster Bonität, aber mit einer völlig aus der Zeit gefallenen Eigentümer-Struktur, die von einem relativ kleinen Teil des gesamten Kapitals über die Stimmrechte dirigiert wird. Zurzeit bietet Roche kaum Hoffnung auf neue Produkte und wird von der Analystenschar entsprechend tief eingestuft, trotz der ansprechenden Dividende von 4 %.
Der Chef von Roche findet hingegen seine Pipeline prall voll und strotzt von Optimismus.
Gegensätze total!
Herr Schwan war so etwas wie die Angela Merkel der europäischen Pharmabranche, nur ca. 30x besser bezahlt: Schönreden, Aussitzen… Alle sind in den letzten 10 Jahren darauf reingefallen. Dem von den Roche-Erben dominierte VR muss man ebenfalls ein schlechtes Zeugnis für diese Zeit ausstellen. Dass man den Diagnostikbereich in den letzten Jahren forciert hat, war sinnvoll. Darüber hinaus wurde aber vieles, für Roche Entscheidendes, sträflich vernachlässigt oder bezüglich Zukunftspotenzial falsch eingeschätzt. Hinsichtlich Entwicklung neuartiger Krebstherapien (siehe Biontech) haben wir von den Herren Schinecker, Schwan und Co. ebenfalls noch nichts Konkretes gehört. Klar ist, dass Roche spätestens ab 2026 auch bei den neueren Medikamenten Umsatzerosionen spüren wird. Roche, quo vadis?
Grossartige Leistungen von Severin Schwan bei Roche und bei der CS !