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Donald Trump nominiert Robert Francis Kennedy Jr. zum Secretary of the Department of Health and Human Services. Diese Nachricht liess auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt die Kurse von Aktien aus der Gesundheitsindustrie purzeln. Besonders arg unter die Räder kamen jene des Pharmazulieferers Lonza mit einem Tagesverlust von mehr als acht Prozent.
Kennedy war in der Vergangenheit mehrfach durch kritische Äusserungen in Sachen Impfstoffe aufgefallen. In hiesigen Medien bezeichnet man ihn deshalb als Impfgegner und Verschwörungstheoretiker.
Wie der für die Basler Kantonalbank tätige Analyst Elmar Sieber schreibt, stimmt letzteres so nicht. Für was Kennedy genau stehe, habe er kürzlich in einem von ihm verfassten Meinungsartikel im Wall Street Journal verdeutlicht: Künftig soll vor allem die Gesundheit in den Vordergrund gestellt und die Abhängigkeit von der Pharmaindustrie verringert werden.
An der Börse geht nun die Angst um, wonach beides grössere Veränderungen in der Gesundheitspolitik nach sich ziehen könnte. Negativ wäre vor allem, sollte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA ihren Zulassungsprozess für Medikamente unter Kennedy überdenken. Dieser war in der Vergangenheit vereinfacht worden – ein Schritt, welcher nun wieder rückgängig gemacht werden könnte.
Am Freitag stürzten die Lonza-Aktien regelrecht ab (Quelle: www.cash.ch)
Dennoch glaubt Sieber nicht, dass von der Ernennung Kennedys eine Gefahr für Roche und Novartis ausgeht. Das zum einen, weil sie beide keine Impfstoffe herstellen und zum anderen, weil viele der geplanten Massnahmen eher auf die Nahrungsmittelindustrie abzielen. Lonza produziere zwar Impfstoffe, doch sei gerade das Geschäft mit Covid-Impfstoffen nicht mehr relevant.
Nichts scheut die Börse bekanntlich so sehr wie die Ungewissheit. Und obwohl Kennedy noch vom Kongress in seinem Amt bestätigt werden muss, lässt sich ein hoher Grad an Ungewissheit momentan nicht von der Hand weisen.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich die Wogen in den kommenden Tagen und Wochen wieder legen und sehe im diesjährigen Investorentag von Mitte Dezember einen möglichen Kurstreiber. Bei Roche hingegen stehen noch vor Ende Jahr wichtige Ergebnisse zu Medikamentenstudien an. Diese dürften die Kurse durchaus bewegen.
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Im Laufe des Freitags spielten sich bei Meyer Burger dramatische Szenen ab. Kurz nach 10 Uhr setzte die SIX Swiss Exchange den Handel in den Aktien - auf Begehren des Solarunternehmens selbst - vorübergehend aus. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand warum und weshalb.
Es sollte eine geschlagene Dreiviertelstunde dauern, bis eine Medienmitteilung endlich für Klarheit sorgte. Diese hatte es in sich, springt mit DESRI doch der wohl bedeutendste Kunde ab. Des Weitern stand da in sauberem Juristendeutsch: Das Unternehmen geht derzeit davon aus, dass unabhängig von der Gültigkeit einer solchen Vertragskündigung die Bemühungen um eine finanzielle Restrukturierung, die weit fortgeschritten sind, wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Sollte die finanzielle Restrukturierung scheitern, könnte das Unternehmen nicht mehr in der Lage sein, seine Unternehmensfortführung zu gewährleisten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Stand es vor dem Absprung des strategisch wichtigen Kunden schlecht um Meyer Burger, dann steht es spätestens jetzt sehr schlecht um das Solarunternehmen. Mit dieser Hiobsbotschaft stirbt vermutlich auch noch der letzte Hoffnungsschimmer.
Kursentwicklung der Aktien von Meyer Burger über die letzten Jahre (Quelle: www.cash.ch)
Als der Handel in den Aktien ab 12.30 Uhr wieder aufgenommen wurde, kam es zu grösseren Ungleichgewichten zwischen den Geld- und Briefkursen. Und so vergingen einige Minuten, bis erste Abschlüsse zustande kamen. Wurden vor der Handelsaussetzung noch Kurse von 1,11 Franken und mehr bezahlt, kosteten die Aktien unmittelbar danach zeitweise keine 33 Rappen mehr. Bei Börsenschluss resultierte ein sattes Minus von etwas mehr als 60 Prozent. Dabei wechselte ein Mehrfaches des durchschnittlichen Tagesumsatzes die Hand.
Über das Wochenende dürfte sich der eine oder andere Leerverkäufer vermutlich eine gute Flasche Rotwein gegönnt haben. Vielleicht floss sogar Champagner. Wie Erhebungen der Beratungsfirma S&P Global zeigen, wurde Ende Oktober noch mit rund acht Prozent aller ausstehenden Aktien auf rückläufige Kurse spekuliert. Das liegt weit unter den knapp 20 Prozent vom Hochsommer dieses Jahres. Ausserdem dürfte es sich bei einem Teil der besagten Aktien bekanntlich um Absicherungstransaktionen seitens von Wandelanleihegläubigern handeln. Mit anderen Worten: Nur wenige Leerverkäufer haben die Zitrone ganz ausgepresst.
Als Meyer Burger Ende Juli letzten Jahres eine einschneidende Gewinnwarnung aussprach, begegnete ich dieser schon damals mit folgenden Worten:
Bei aller Berichterstattung über Meyer Burger sollte nie vergessen gehen, wie viele Jobs beim Unternehmen eigentlich auf dem Spiel stehen...
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