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Als Jefferies-Analyst Martin Deboo kürzlich die Aktien von Nestlé von "Hold" auf "Underperform" abstufte und das Kursziel auf 110 (zuvor 118,50) Franken zusammenstrich, dürfte ihm klar gewesen sein, dass diese Verkaufsempfehlung hohe Wellen werfen würde. Denn egal ob Goldman Sachs, Morgan Stanley oder die J.P. Morgan – es gibt kaum eine Bank, die das Schwergewicht aus dem Swiss Market Index (SMI) nicht mit Kurszielen von 140 Franken und mehr zu zum Kauf anpreist. Da gleicht die Verkaufsempfehlung schon fast einem Tabubruch.

Nun richtet sich Deboo in einem Kommentar erneut an seine Kundschaft. Dass er bei den Valoren des Nahrungsmittelherstellers aus Vevey auf Konfrontationskurs mit vielen seiner Berufskollegen gegangen sei, sei auf viel Aufmerksamkeit gestossen. Vereinzelt seien die mehr als 100 Reaktionen auch ganz schön heftig ausgefallen, wie er kleinlaut einräumt. Da fragt sich doch: Ging etwa ein "Shitstorm" über den Analysten hernieder?

Ich könnte mir sogar vorstellen, dass jemand vom Hauptsitz Nestlés in Vevey aus in London reintelefonierte. Als bei Roche einst noch Henri B. Meier auf dem Sessel des Finanzchefs sass, wurde ihm in Bankenkreisen nachgesagt, dass er öfters mal den Telefonhörer in die Hand nahm, wenn ihm ein Analystenkommentar nicht in den Kram passte. Weshalb soll das bei anderen Grosskonzernen anders sein...

In den letzten zwei Wochen ging es auch für die Nestlé-Aktien nach unten (Quelle: www.cash.ch)

Aufhorchen lässt übrigens, was der Jefferies-Analyst nach dem Kontakt mit Hedgefonds zu berichten weiss. Die Bereitschaft, die Aktien von Nestlé leerzuverkaufen sei durchaus vorhanden. Doch gerade das milliardenschwere Aktienrückkaufprogramm halte viele davon ab – getreu dem Motto: Don't fight a buyback.

In den ersten neun Monaten letzten Jahres legten die Waadtländer ein geradezu atemberaubendes Wachstumstempo an den Tag. Auch die steigenden Herstellkosten wussten sie über Preiserhöhungen aufzufangen. Wie Nestlé im Schlussquartal unterwegs war, zeigt sich erst am 17. Februar, wenn die Jahresergebnisveröffentlichung ansteht. Vielleicht muss dann der eine oder andere Analyst – eventuell auch jener von Jefferies – über die Bücher.

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Barclays-Analyst Amit Goel reicht es. Er zieht beim Sorgenkind Credit Suisse die Reissleine und watscht das letztjährige SMI-Schlusslicht von "Overweight" auf "Underweight" ab. Gleichzeitig streicht der Analyst das Kursziel auf 9 (zuvor 12,50) Franken zusammen. Er geht davon aus, dass die Umsetzung der neuen Strategie mit hohen Kosten verbunden ist und letztere womöglich unterschätzt werden.

Und selbst auf die Gefahr hin, dass die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken – egal ob erzwungen oder nicht – ins Ausland verkauft wird, rät Goel bei den Aktien nahe der Mehrjahrestiefstkurse zum Ausstieg.

Er räumt zwar ein, dass die Credit Suisse längerfristig durchaus zum Ziel einer Übernahme werden könnte. Der Analyst spielt denn auch zahlreiche Kombinationen durch - unter anderem mit der britischen Lloyd sowie mit den beiden übermächtigen amerikanischen Rivalen J.P. Morgan und Goldman Sachs. Allerdings sieht er auch gewisse Hürden.

Interessant ist, dass sich Goel bei seinen Planspielen am Reissbrett ausschliesslich auf industrielle Käufer konzentriert. Meines Erachtens ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Finanzinvestor einnistet, die Grossbank "filetiert" und in "leichtverdaulichen Happen" an den Meistbietenden verkauft, um einiges grösser. "Break-up" wird dieses nonchalante Vorgehen in angelsächsischen Kreisen auch genannt. Der deutsche Ausdruck "Ausschlachten" träfe es wohl aber besser.

Kursentwicklung der Credit-Suisse-Aktien über die letzten fünf Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich bei einer Aktie niemals ausschliesslich aufgrund von Übernahmefantasien einsteigen würde. Denn manchmal kann es wie einst etwa bei Panalpina Jahre dauern, bis ein Unternehmen verkauft wird. Und an Nobel Biocare zeigt sich, dass eine Barofferte gerade für langjährige Aktionärinnen und Aktionäre nicht immer attraktiv sein muss.

Als ich mich im Dezember dazu entschied, die Aktien der Credit Suisse erneut auf die Liste meiner Schweizer Aktienfavoriten zu setzen, verglich ich das Stimmungstief der Grossbank mit jenem der Deutschen Bank vom Spätsommer 2019 – als jeder Euro an Eigenkapital an der Börse ebenfalls bloss für 40 Cents gehandelt wurde. Wenige Wochen später mussten Anleger bereits wieder einen Drittel mehr für die Aktien hinblättern, ein halbes Jahr später sogar fast das Doppelte. Auch bei der Credit Suisse erhält man den Franken mittlerweile für 40 Rappen.

Ich schrieb erst am Freitag:

 

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