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Nach den starken Kursausschlägen der Vorwoche haben sich die Wogen bei uns am Schweizer Aktienmarkt in den letzten Tagen gelegt. Selbst die Rede des amerikanischen Notenbankchefs «Jay» Powell von Mittwochnacht bewegte die hiesigen Kurse nur unwesentlich. Dass der breit gefasste Swiss Performance Index (SPI) dennoch auf eine leicht negative Wochenbilanz zusteuert, dürfte den wiedererwachten Stagflationsängsten geschuldet sein.

Auf den ersten Blick fiel die neuste Umfrage bei amerikanischen Einkaufsmanagern – sie gilt als wichtiger wirtschaftlicher Vorlaufindikator – zwar etwas besser als von Ökonomen erwartet aus. Allerdings lassen mich gleich zwei Unterkomponenten aufhorchen: Da wäre zum einen mal die Erwartungshaltung der Befragten. Diese ist deutlich unter den Stand von 50 gefallen. Umfrageergebnisse darüber sprechen für eine expansive Wirtschaftsleistung, Umfrageergebnisse darunter hingegen für eine schrumpfende Wirtschaftsleistung. Und zum anderen sagt mir die Preiskomponente, dass der Teuerungsschub noch einmal an Kraft gewinnen könnte. Mit einer Zunahme um 4,7 Prozent sind auch die Lohnstückkosten im ersten Quartal stärker als erwartet gestiegen. Ökonomen waren «bloss» von einem Plus von 4 Prozent ausgegangen.

Es scheint sich in Sachen Teuerung ein sogenannter Zweitrunden-Effekt abzuzeichnen. Beide Entwicklungen sind alles andere als ideal und gehören deshalb aus Anlegersicht im Auge behalten.

Wenden wir uns nun aber dem hiesigen Handelsgeschehen zu. Beim Vergleich mit anderen Börsenplätzen fristet Zürich auch weiterhin so etwas wie ein Mauerblümchen-Dasein. Das ist vor allem dem ganzen Hype um Nvidia und Co in New York geschuldet, zieht dieser doch noch immer ganz schön viele ausländische Gelder an. Gelder, die dann an anderen Börsenplätzen – auch in Zürich - schmerzlich fehlen.

Beeindruckender Höhenflug der Nvidia-Aktien über die letzten Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Tief blicken lässt ein Strategiepapier aus dem Hause Goldman Sachs. Darin nimmt die gut in Politik und Wirtschaft vernetzte Grossbank gleich mehrere Anpassungen auf ihrer «European Conviction Buy List» vor. Neuerdings umfasst die viel beachtete Favoritenliste 23 europäische Aktien mit einem durchschnittlichen Aufwärtspotenzial von 32 Prozent im Vergleich zu den 12-Monats-Kurszielen der hauseigenen Analysten und einer durchschnittlichen Dividendenrendite von 3 Prozent.

Auf der Liste zu finden sind etwa die Valoren des niederländischen Bierherstellers Heineken, die der SGS-Rivalin Bureau Veritas oder jene des französischen Sika-Gegenspielers Saint-Gobain. Aktien aus der Schweiz sucht man allerdings vergebens. Aus Schweizer Sicht ist die Ausbeute nicht nur mager, sie geht gegen Null. Das überrascht umso mehr, als dass unser kleines Land in den letzten Jahren dank Unternehmen wie Richemont, Novartis oder auch Roche stets würdig auf der «European Conviction Buy List» vertreten war.

Ansonsten stand das hiesige Börsengeschehen in den letzten Tagen ganz im Zeichen der Quartalsberichterstattung. Am Dienstag gehörte die mediale Bühne mit SIG, Logitech und Straumann gleich drei bei Analysten beliebten Wachstumsunternehmen – wobei Logitech und Straumann im zurückliegenden Quartal besser als gedacht abschnitten.

Mit einem Quartalsumsatz von 643,8 Millionen Franken übertraf der Dentalimplantatehersteller Straumann die bei 628 Millionen Franken liegenden Umsatzerwartungen der Analysten deutlich. Vor allem das organische Umsatzwachstum fiel mit gut 15 Prozent ziemlich eindrucksvoll aus.

Dennoch gerieten die Aktien des Vorzeigeunternehmens aus Basel im Tagesverlauf unter Verkaufsdruck und gingen am Tag der Umsatzveröffentlichung um mehr als 11 Prozent tiefer aus dem Handel. Mit der Wachstumsverlangsamung in Nordamerika war schnell ein «Haar in der (Zahlen-)Suppe» gefunden. Interessant erachte ich in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen selbst die Schuld für die Zurückhaltung dortiger Konsumentinnen und Konsumenten bei den gestiegenen Zinsen sieht. Doch auch wer sich eine Erhöhung der diesjährigen Zielvorgaben erhofft hatte, wurde enttäuscht. Straumann staple in diesem Zusammenhang absichtlich tief, hiess es in Analystenkreisen nämlich stets.

Anders als die Valoren von Straumann, kamen jene von Logitech im Laufe des Dienstagvormittags zeitweise in den Genuss prozentual zweistelliger Kursgewinne. Letztendlich gingen die Aktien des Unterhaltungselektronikspezialisten aus Lausanne dann aber ebenfalls tiefer aus dem Handel.

Das überrascht insofern, als dass Logitech im vergangenen Quartal nicht nur beim Umsatz, sondern auch beim operativen Gewinn selbst die kühnsten Erwartungen klar übertreffen konnte. Und allen Unkenrufen zum Trotz blieben auch bei den Finanzzielen fürs neue Geschäftsjahr unliebsame Überraschungen aus. Auf die Gewinnvorgaben abgestützt könnten Analysten sogar versucht sein, ihre Gewinnschätzungen unter positiven Vorzeichen zu überarbeiten.

"Zurück auf Start", heisst es für die Aktien von Logitech (Quelle: www.cash.ch)

Ich habe in den letzten Tagen viel über die Gründe für die letztendlich unterkühlte Börsenreaktion gelesen. Auf die wohl plausibelste Erklärung stiess ich in einem Kommentar aus der Feder des für die Deutsche Bank tätigen Analysten George Brown. Von den Aussagen von Logitech-Chefin Hanneke Faber schliesst er darauf, dass keine rasche Umsatzbelebung erwartet werden darf. Zudem hätten die Lausanner die Lager entlang der Absatzkanäle in Erwartung einer Nachfragebelebung vermutlich zu früh wieder aufgestockt, was sich spätestens in der zweiten Jahreshälfte in Form höherer Marketingausgaben rächen könnte. Er hält deshalb sowohl an seiner Verkaufsempfehlung als auch am Kursziel von 60 Franken für die Aktien von Logitech fest.

Rückblickend irrte ich mich wohl, als ich am Dienstag folgendes schrieb:

Doch weder der UBS-Analyst, noch sein Berufskollege bei der Deutschen Bank machen irgendwelche Anstalten, ihre Verkaufsempfehlung zu überdenken. Das könnte auch damit zu tun haben, dass die Logitech-Chefin anlässlich der Telefonkonferenz die längerfristigen Wachstumserwartungen zu dämpfen versuchte.

Gleich mehrere Liebeserklärungen gehen hingegen für die Aktien des Börsendebütanten Galderma ein. Die Citigroup, Jefferies und die Bank of America nehmen die Erstabdeckung der Valoren mit «Buy» und einem Kursziel von 80 Franken auf – als hätten sich die Banken im Vorfeld abgesprochen. Goldman Sachs geht sogar mit einer Kaufempfehlung und einem 12-Monats-Kursziel von 82 Franken ins Rennen.

Nicht nur die Kursziele, auch die Argumente der Analysten ähneln sich. So dreht sich bei den Kaufempfehlungen alles um die starke Marktstellung und Wettbewerbsposition des Unternehmens, das erfahrene Management sowie um das breite Produktangebot.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass Goldman Sachs zu den Hauptverantwortlichen des Börsengangs zählt und auch die Bank of America sowie die Citigroup die Fäden zogen. Da macht es sich gut, wenn die hauseigenen Analysten die Aktien dann auch gleich zum Kauf anpreisen.

Für Gesprächsstoff sorgte diese Woche der für Stifel tätige Analyst Chandramouli Sriraman. Nach einer Road-Show mit Temenos-Finanzchef «Takis» Spiliopoulos durch die Schweiz setzte er beim Kursziel den dicken Korrekturstift an und strich dieses auf 85 (zuvor 100) Franken zusammen. An der Kaufempfehlung hielt der Analyst indes fest. Mit den Anpassungen trägt er den kurzfristig verhalteneren Wachstumsaussichten im Bereich Software-as-a-Service (SAAS) Rechnung.

So weit, so gut – wäre da nicht der Umstand, dass der Stifel-Analyst sein Kursziel keine zwei Wochen zuvor überhaupt erst auf 100 (zuvor 80) Franken hochgeschraubt hatte.

Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Hüst-und-Hott bei den Kundinnen und Kunden des US-Brokers wirklich gut ankommt. Dennoch halte ich aber viel vom Aktien-Research aus dem Hause Stifel.

Heute Freitag fällt der Aktienkurs der Bankensoftware-Schmiede aus Genf übrigens in die Nähe von 55 Franken und damit auf den tiefsten Stand in diesem Jahr. Selbst als der gefürchtete Short-Seller Hindenburg Mitte Februar seine schwerwiegenden Vorwürfe öffentlich machte, notierten die Valoren höher als zuletzt. Eigenen Angaben zufolge haben die Amerikaner ja noch immer Wetten gegen Temenos laufen.

Nächsten Dienstag legen die UBS und Sandoz ihre Zahlenkränze für das erste Quartal vor. Man darf in beiden Fällen gespannt sein. Gerade für die UBS gilt das erste Quartal als das ertragsreichste des ganzen Jahres. Im Investment Banking fallen für gewöhnlich bis zu 40 Prozent der jährlichen Erträge zwischen Anfang Januar und Ende März an. Mehr zum Thema nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

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